Auf seinem Treffen am 08. April 2016 in Frankfurt am Main diskutierte der GK Gewerkschaften zum Thema «Mitbestimmung als Kampfaufgabe?! Strategien angesichts der widersprüchlichen Rolle von Betriebsräten.». IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban eröffnete die Diskussion mit einem sehr grundsätzlichen Referat über linke Gewerkschaftspolitik im System der dualen Interessensvertretung. Zu Beginn skizzierte er die grundlegenden Kennzeichen linker Gewerkschaftspolitik. Sie müsse demokratisch, überbetrieblich und autonom - im Sinne einer Klassenautonomie - sein.
Den Umgang der Gewerkschaften mit der dualen Interessensvertretung unterteilte er in drei historische Etappen. Anfang der 50er Jahre hätten linke GewerkschafterInnen die Trennung von Gewerkschaften und Betriebsräten als strukturelle Blockade gewerkschaftlicher Gegenmacht empfunden und versucht, diese machtpolitische Niederlage zu überwinden. In den 60er Jahren sei mit dem Ende des Wirtschaftsbooms, der Politisierung der Gewerkschaften und den wilden Streiks Spannung in die duale Interessensvertretungsstruktur gekommen, auf die die Gewerkschaften mit der Gründung von Vertrauensleuten und verstärkter Bildungsarbeit reagiert hätten.
Mit der verschärften Konkurrenz durch die Transnationalisierung hätten sich schließlich betriebssyndikalistische Tendenzen und der Druck der Unternehmensleitungen auf Betriebsräte verschärft. Die Gewerkschaften seien in die Defensive geraten und hätten in Deutschland mit der Stärkung ihrer Organisationsmacht reagiert und dabei gesellschaftspolitische Debatte und Aktivitäten vernachlässigt. Das Verhältnis von Betriebsräten und Gewerkschaften sei heute weniger von Zusammenarbeit sondern von einer Tauschbeziehung geprägt. Betriebsräte seien für die Mitgliederwerbung zuständig und erhielten dafür von den Gewerkschaften Beratungsleistungen und eine Lobby.
In seinem Ausblick betonte Hans-Jürgen Urban, dass sich das Verhältnis von Betriebsräten und Gewerkschaften durch die Digitalisierung weiter ändern werde. Unternehmen würden sich zunehmend als demokratisch darstellen, indem sie durch digitale Kommunikation Beschäftigte befragen. Gewerkschaften müssten sich überlegen, wie sie dieser Einbindung durch inszenierte Partizipation des Managements wirkliche Beteiligungen entgegen setzen und dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Gewerkschaftsarbeit ausschöpfen könnten. Zudem führte er die Notwendigkeit der Transnationalisierung der Interessensvertretung aus. Die gemeinsame Gegenwehr gegen die Austeritätspolitik könne ein verbindendes Anliegen sein. Als Ausgangspunkt für einen Internationalismus von Unten schlug er Konzernvernetzungen vor.
Im Anschluss an die Diskussion über die Herausforderungen der dualen Interessensvertretung wurden zwei konkrete Beispiele von Interessensvertretungsarbeit vorgestellt. Daniel Behruzi, ehemaliger Stipendiat der RLS und freier Journalist, referierte zentrale Thesen aus seiner Dissertation, die im VSA-Verlag erschienen und als PDF verfügbar ist. Er untersucht darin die Folgen betrieblicher Wettbewerbspakte in der Automobilindustrie für die Unterstützung des Betriebsrats durch die Belegschaft und die Rolle linksoppositioneller Betriebsratsgruppen darin. Vortragsfolien
Michael Fütterer, stellte seine Studie zum beim Aufbau von Interessensvertretungsstrukturen bei H&M vor. Hier hatte der Gesamtbetriebsrat die Gründung von Betriebsräten in H&M-Filialen, zum Teil gegen den heftigen Widerstand der Filialleitungen, vorangetrieben. Vortragsfolien
Abschließend berichtete Fanny Zeise, RLS, aus der Arbeit in der RLS zum Thema Arbeit und Gewerkschaften und stellte die vom 30.09.-02.10.2016 in Frankfurt/Main stattfindende Konferenz «Erneuerung durch Streik III» vor.
Jutta Krellmann, MdB DIE LINKE, sprach sich dafür aus, die Konferenzen zu gewerkschaftlicher Erneuerung regelmäßig zu veranstalten, um so eine Tradition daraus zu machen. Franz Uphoff, IG BAU, betonte wie wichtig die Konferenzen seien um einen Austausch über innovative Formen der Gewerkschaftsarbeit zu erreichen. Zudem plädierte er dafür, die Wahlergebnisse und den zunehmenden Rassismus auch in den Betrieben auf der Konferenz zu thematisieren. Frank Deppe schloss daran an und plädierte dafür, den «Klassenkampf von rechts» ins Zentrum der gesamten Arbeit der RLS zu stellen.
Einige TeilnehmerInnen machten im Anschluss an die Diskussion mit Hans-Jürgen Urban deutlich, wie wichtig die Diskussion über den Umgang mit der Digitalisierung von Arbeit sei. So schlug Peeter Raane, RLS-Vorstand, vor, sich intensiver mit notwendigen Gesetzesänderungen zu befassen, um angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung die Mitbestimmung zu stärken. Klaus Pickshaus, IG Metall, empfahl, konkrete Erfahrungen von Betriebsräten zu diskutieren und zu verbreitern.
Als konkretes Thema für das nächste Gesprächskreistreffen schlug Sybille Stamm, RLS-Vorstand, das Thema Arbeitszeitverkürzung vor, um die Debatte im Gesprächskreis weiterzuführen und die aktuellen Entwicklungen und Aktivitäten bei IG Metall und ver.di zu reflektieren.