Nachricht | Staat / Demokratie - Migration / Flucht - Stadt / Kommune / Region - Partizipation / Bürgerrechte - Europa Eine Wette auf die Zukunft

Um Rechte auf Rechte statt um Abschottung und Verwertungslogik geht es beim Willkommensgipfel «Welcome to Stay» in Leipzig. ROSALUX BLICKPUNKT MIGRATION

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Migration und Einwanderung prägen seit jeher alle Länder. Sie verändern das Kulturelle, Soziale, Politische und Ökonomische und fordern jede Vorstellung einer homogenen Gesellschaft heraus. Diese transformativen Prozesse sind für kritische und fortschrittliche Strömungen stets sinnstiftend, weil sie Gesellschaften im demokratischen Sinne pluralisieren.

Als sich im vergangenen Jahr Hunderttausende Menschen einen Korridor nach Deutschland frei kämpften, erneuerte und dynamisierte sich durch ihre bloße Anwesenheit die Frage nach Zugehörigkeit und sozialen Rechten. Ihre Forderungen nach Bewegungsfreiheit, nach Aufenthalts- und Bleiberecht, nach Ausbildung, Arbeit, Wohnen, schlicht, nach Würde, ergriffen auch weite Teile der alteingesessenen Bevölkerung, Millionen wurden von diesem Impuls berührt. Die Geflüchteten haben eine Solidaritätsbereitschaft erzeugt, die historisch beispiellos ist. In unzähligen Interventionen und Hilfsaktionen schien eine Kontur einer neuen Gesellschaft durch, die dieses Land nachhaltig verändern wird.

Dass die Re-Artikulation der sozialen Frage durch Menschen, die außerhalb des staatsbürgerlichen Rechts stehen, nicht nur Begeisterung, sondern auch reaktionäre Abwehr hervorgerufen hat, zeigt sich gegenwärtig sehr deutlich. Um AfD und Pegida beschwören Hunderttausende eine nationale Homogenität, die eigentlich längst überwunden ist. Doch gerade die Aussichtslosigkeit ihres völkischen Projektes macht diese antidemokratische und rassistische Bewegung umso gefährlicher; ihr Fantasma ist konstituierend für ihren Fanatismus.

Ein dritter Pol in dieser Gesellschaft stülpt den Neuangekommenen eine ökonomistische Verwertungslogik über und unterteilt sie in nützliche und wertlose Menschen. Dieser Pol begrüßt die profitablen Teile der Migration und möchte diese in der Unterschichtung des Arbeitsmarktes integrieren. Diese Linie, die auch von der Bundesregierung vertreten wird, hat bisher verhindert, dass große Teile der bürgerlichen Mitte ebenfalls nach rechts abdriften.

In ihrem kalkulierenden Blick erscheint dieser Pol paradoxerweise oft menschlicher als jene Teile der Linken, die unter der sozialen Frage eine Umverteilung des Reichtums innerhalb nationaler Koordinaten verstehen, sie also an die Bedingung der Staatsbürgerschaft koppeln. Dieser Widerspruch zwischen einer national-sozialen Linken, und einer Linken, die Gerechtigkeit und Humanität global zu denken vermag, ist gegenwärtig die größte Herausforderung für einen solidarischen Antirassismus.

Welcome2Stay sieht in der Migration eine Chance, gemeinsam für die Rechte aller entrechteten und von Abstieg bedrohten Menschen zu kämpfen. Die Frage nach Teilhabe und Gerechtigkeit ist eine weltweite Frage; ihre Lösung liegt außerhalb von einer Abschottung, die nichts als Leid erzeugt und dem Ausspielen immer größer werdender Teile der Bevölkerung gegeneinander. Hier liegt die Chance einer zukünftigen Gesellschaft, die Gerechtigkeit und Frieden schaffen kann, indem sie das Recht auf Rechte für alle einfordert und diese Rechte organisiert.

Welcome2Stay schließt eine Wette auf die Zukunft ab. Unser Wetteinsatz ist unsere Solidarität, unsere Vision einer besseren Welt und eine Ahnung, was dafür getan werden muss. Dafür kommen wir in Leipzig zusammen.

ROSALUX BLICKPUNKT MIGRATION Die Regierungen Europas bauen den Kontinent weiter zur Festung aus. Dennoch sind weltweit Millionen Menschen auf der Flucht, finden sich in Lagern wieder, werden abgeschoben. Angefeindet von der politischen Rechten, erfahren die Neuankommenden zugleich eine Welle der Unterstützung. Neue Zusammenschlüsse bilden den Kern einer praktisch gelebten Solidarität, wie sie etwa im Juni 2016 beim Welcome2Stay-Gipfel in Leipzig zu erleben war. Die RosaLux-Redaktion widmet daher einen Online-Blickpunkt dem Thema Migration.