Nachricht | International / Transnational - Europa - Afrika Was bedeutet der «Brexit» für Afrika?

Die Entscheidung einer knappen Mehrheit der WählerInnen des Vereinigten Königreiches die Europäische Union zu verlassen, hat auch auf Afrika Auswirkungen und wurde deshalb auch mit gewisser Aufmerksamkeit verfolgt.

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Die EU ist für die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Staaten der wichtigste Wirtschaftspartner und  der größte Geber von Entwicklungshilfe. Das Vereinigte Königreich selbst ist ein wichtiger Partner vieler afrikanischer Staaten, nicht zuletzt wegen seiner Kolonialvergangenheit. Direkte Auswirkungen auf die Wirtschaften in Afrika, die nach dem Ende des Ressourcenbooms zu Problemen bis hin zu finanziellen Engpässen der Staatsfinanzen in vielen Ländern geführt haben, werden erst einmal nicht erwartet. Lediglich Südafrikas Währung, der Rand, verlor wie das britische Pfund Sterling nach dem Brexit an Wert.

Da sich der Austrittsprozess, wie sich nun zeigt, wohl länger hinziehen wird, da selbst einige Brexit-BefürworterInnen angesichts der nun deutlicher werdenden Konsequenzen für das Vereinigte Königreich kalte Füße bekommen haben und nun auf Zeit spielen wollen, sind auch längerfristige Folgen nur schwer abzuschätzen.

Mit Sorge wird in Afrika gesehen, dass das Vereinigte Königreich in seiner jetzigen Form, auseinander brechen könnte./typo3/ Die schottische Regierung hat schon angekündigt, dass sie einen Brexit nicht einfach hinnehmen wird. 62 Prozent der WählerInnen in Schottland hatten sich für den Verbleib in der EU entschieden und könnten nun für eine Unabhängigkeit stimmen, um weiter Mitglied in der EU bleiben zu können. Auch die Bevölkerung in Nordirland will von einem Brexit nichts wissen, die Idee einer Vereinigung mit dem EU-Mitgliedsland Irland könnte an Zulauf gewinnen.

Ein «Restbritannien» aus England und Wales, wirtschaftlich zudem wohl durch den Austrittsprozess geschwächt, verliert als Partner in Afrika und für den Kontinent sicher an Gewicht. Neben Frankreich war es vor allem Großbritannien, das in der Vergangenheit zum Guten wie zum Schlechten sich in Afrika engagiert hatte.

Das Vereinigte Königreich gehörte in der Vergangenheit auch zu den wichtigen Entwicklungshilfegebern. Vor allem Tony Blair hatte in seiner Zeit als Premierminister Ende der 1990er Jahre die neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung mit den afrikanischen Staatschefs initiiert. Ein «Restbritannien» wird wohl weniger Hilfe leisten können.

Was die wirtschaftlichen Beziehungen anbetrifft, so ist die EU dabei mit afrikanischen Ländergruppen regionale Wirtschaftsabkommen zu schließen. Auch diese könnten vom Brexit betroffen sein. Auf jeden Fall müssen die Briten mit Ländern wie Südafrika neu über Handel und Investitionen verhandeln, da diese ein Freihandelsabkommen mit der EU haben, aus dem nun ein Land der EU ausscheiden wird. Auf die englischen EU-MitarbeiterInnen in Brüssel wartet prinzipiell also eine Menge Arbeit, wenn sie von Brüssel wegziehen sollten.

Was bedeutet aber der Brexit für die Afrikapolitik der EU? Sicher wird man sich nun nach dem Austritt der Briten auf ein mehr an Außenpolitik verständigen wollen.  Die britische Regierung, vor allem die Konservative Partei, setzte in der Vergangenheit lieber auf eine enge Partnerschaft mit der USA als auf eine verbindlichere gemeinsame Außenpolitik. 

Die Herausforderungen für die EU werden in Afrika weiter zunehmen. So etwa die wachsende Migration mit Ziel Europa. Die EU gerät aber auch in Afrika immer mehr in die politische Defensive. Mahnungen nach mehr Demokratie und mehr Rechtsstaat, vor allem nach Einhaltung der Menschenrechte, stoßen in Afrikas Hauptstädten immer mehr auf taube Ohren. Man hat heute in Afrika andere Partner: Peking, Moskau oder Neu-Dehli, die nicht nach den Rechten von Homosexuellen und der Rechtmäßigkeit von Wahlen fragen. Lange hat man auch in Europa diese politische Herausforderung aus dem Süden unterschätzt und war blind für eine Welt nach dem Ende der kurzen Phase der Unipolarität, in der Europa und der Westen insgesamt nicht mehr allein den Ton angeben können.[1]

Europas Afrikapolitik braucht nach dem Brexit mehr Kraft denn je für einen intensiven Dialog mit jenen Kreisen in Afrika, die gemeinsam wichtige Probleme wie den Klimawandel, Armut, Hunger, Extremismus und Terrorismus und die demografische Herausforderung  lösen wollen.

Auf diesem schwierigen Terrain braucht man aber auch all jene Briten, die auch nach dem Brexit weiter an einem afrikanisch-europäischen Dialog interessiert sind, da sie die Wichtigkeit erkennen, gemeinsam zu handeln.


[1] Bertrand Badie (2016), Nous somme plus seuls au Monde. Paris.