Nachricht | GK Geschichte Zwangsvereinigung – Einigung – Stalinisierung?

Bericht von Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung an der Willy Brandt School of Public Policy, Erfurt, 8.4. 2016

Am 22. April jährte sich der Vereinigungsparteitag von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Sowjetischen Besatzungszone zum 70. Mal. Anlässlich dieses Jahrestags veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Willy Brandt School of Public Policy am 8. April 2016 die Tagung „Zwangsvereinigung – Einigung – Stalinisierung?“ an der Universität Erfurt. Bereits die Titelwahl deutet auf die andauernde, nicht ausschließlich wissenschaftliche Debatte um die begriffliche Festschreibung der Zwangs-/Vereinigung hin. Diese geschichtspolitischen Kontroversen wurden in den drei Sektionen dann auch wiederholt thematisiert.

Inwiefern die massiven Konfrontationen zwischen SPD und KPD vor 1933, aber auch die gemeinsamen Repressionserfahrungen während des Nationalsozialismus erkennbare Auswirkungen auf die Frage der Vereinigung nach 1945 hatten, wurde in der ersten Sektion unter Moderation von Peter Brandt (Hagen) erörtert.

MARIO KESSLER (Potsdam) beleuchtete in seinem Vortrag die Debatten linker Zwischengruppen über die Herstellung einer Einheitsfront der Arbeiterbewegung zum Ende der Weimarer Republik. Er stellte heraus, dass SAP, KPO, Neu Beginnen und der Leninbund als Teil der Arbeiterbewegung kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Einheitsfront unterstützt hätten beziehungsweise erst aus diesem Einheitsstreben entstanden seien. Zuvor sei es innerhalb der Linken kontinuierlich zu Auseinandersetzungen gekommen, die nur durch einschneidende oder gravierende Ereignisse wie beispielsweise den Mord an Walther Rathenau unterbrochen worden seien. Zu dem Zeitpunkt, als sich die Konflikte innerhalb der Arbeiterbewegung über den Einheitsgedanken verringerten, so seine These, sei der Handlungsspielraum bereits zu klein gewesen, um Einfluss auf die drohenden Entwicklungen zu nehmen.

MIKE SCHMEITZNER (Dresden) fasste in seinem Vortrag den zeitlichen Rahmen weiter. Er konzentrierte sich dabei weniger auf theoretische und programmatische Debatten, sondern auf den Personenkreis der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteifunktionäre in Sachsen und Thüringen seit 1923. Schmeitzner analysierte die ausgeprägte Zusammenarbeit von KPD und SPD in den beiden Ländern, die im Herbst 1923 gar in gemeinsamen Koalitionen gipfelte. Aufgrund der Reichsexekution gegen Sachsen hätten sich die politischen Lager weiter verhärtet, wichtige Akteure der SPD wie Erich Zeigner, Max Seydewitz, August Fröhlich, Alfred Fellisch oder Oskar Edel hätten ihre Politik der „proletarischen Mehrheit“ in den Landesverbänden fortsetzen können – lediglich unterbrochen durch die Ära der Sozialfaschismus-Theorie der KPD ab 1929. Der von Schmeitzner porträtierte Kreis habe sich nach Widerstand beziehungsweise Exil (Edel) auf die Einheitspartei 1946 festgelegt, was als Ergebnis ihrer Prägung (1923) gewertet werden könne. In den Landesgremien der sächsischen SPD vermochte dieser Personenkreis allerdings keine Mehrheit für eine schnelle Vereinigung zu generieren, da hier die eher negativen Erfahrungen mit der KPD seit Herbst 1945 die Überlegungen der Mitglieder dominierten. Doch hätten gerade die ehemaligen Ministerpräsidenten Zeigner, Fellisch und Fröhlich 1946 als Symbolfiguren der Einheit die SED-Gründung mit zu legitimieren vermocht.

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Wir danken Hanna Feesche, Göttinger Institut für Demokratieforschung für den Bericht und die Erlaubnis zur Publikation.