Pressemeldung | «Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale»

Ausstellungseröffnung am 20. August 2019, um 10.00 Uhr im Kunsthaus Erfurt, Michaelisstraße 34, 99084 Erfurt. Mit Dagmar Enkelmann, Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Zeitzeug*innen.

Wer in diesen Wochen und Monaten an 30 Jahre politische Wende in der DDR und an die Grenzöffnung erinnert, kommt an einem Thema nicht vorbei: die Treuhandanstalt. Heute ist offensichtlich, dass deren marktwirtschaftliche «Schocktherapie» sich massiv bis in die Gegenwart auswirkt – wirtschaftlich-strukturell ebenso wie individuell-biografisch.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung lässt in einer neuen Wanderausstellung Zeitzeug*innen zu Wort kommen, deren Lebensgeschichten durch das Agieren der Treuhandanstalt unmittelbar beeinflusst wurden. Sie waren zur Wendezeit beispielsweise Schlosser auf der Neptunwerft Rostock, Kranführerin im Stahlwerk Riesa, Maurer im Chemiekombinat Buna, Kumpel im Kaliwerk Bischofferode oder Fernsehelektronikerin in Oberschöneweide. Als lebensgroße Porträts treten sie den Besucher*innen in der Ausstellung buchstäblich auf Augenhöhe gegenüber und berichten von ihren Erfahrungen. Über einen QR-Code können kurze Sequenzen aus ihren Erzählungen angehört werden, in denen sich die damalige Stimmungslage auch heute noch widerspiegelt.

Dabei zeigt sich: Die hier geschilderten Erlebnisse und Empfindungen stehen beispielhaft für die Lebensgeschichten von Millionen Ostdeutscher, die durch Privatisierungen, Betriebsschließungen und Massenentlassungen – zeitweilig oder dauerhaft – an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Besonders bitter für die Betroffenen war, dass die Treuhandanstalt auf individuelle Lebensleistungen, berufliche Qualifikationen und Kenntnisse aus 40 Jahren DDR ebenso wenig Rücksicht nahm, wie auf Emanzipationserfahrungen der Jahre 1989/90.

Dagmar Enkelmann, Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung:

«Bisher teilen vor allem Politiker, Wissenschaftler und Historiker ihre Erinnerungen an die politische Wende und die Arbeit der Treuhandanstalt. Die Folgen der Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt haben ganze Generationen von DDR-Bürgern getroffen. Sie haben unverschuldet ihren Arbeitsplatz verloren und mussten um ihre Existenzgrundlage kämpfen. Viele reden nicht gern über die Zeit, weil sie sich damals gedemütigt fühlten. Für jüngere und künftige Generationen ist es wichtig, dass Betroffene ihre Treuhandgeschichten aus ostdeutscher Perspektive erzählen. Wir wollen den individuellen Blick zurück der Eltern- und Großelterngeneration verbinden mit einer Debatte über die politische Aufarbeitung der Folgen der Treuhandpolitik. Es ist Zeit, den Weg der deutschen Einheit neu zu reflektieren und den Blick nach vorn zu richten. Das Versprechen der gleichberechtigten sozialen und demokratischen Teilhabe ist auch 30 Jahre nach der Wende noch nicht erfüllt.»

In der von Rohnstock-Biografien kuratierten Ausstellung werden die Berichte der Betroffenen gerahmt durch die Geschichte volkseigener Betriebe und Kombinate, deren Schicksal unter dem Regime der Treuhandanstalt nachgezeichnet wird. Auch sie stehen exemplarisch dafür, wie die Treuhandanstalt mit dem volkseigenen Vermögen der DDR-Bürger*innen umging. Historisch und politisch eingeordnet wird das Agieren der Treuhand durch Beiträge vom Wirtschaftshistoriker Jörg Roesler, von den Politiker*innen Christa Luft, Hans Modrow und Bodo Ramelow sowie vom dem DDR-Oppositionellen Bernd Gehrke.

Parallel zur Ausstellung erscheint ein Begleitbuch mit den Geschichten der Zeitzeug*innen, das in der Ausstellung kostenfrei erhältlich ist.

Mit freundlichem Gruß,

Jannine Hamilton
Presse | Rosa-Luxemburg-Stiftung
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E-Mail: jannine.hamilton@rosalux.org | www.rosalux.de | Anmeldung für den monatlichen Newsletter der RLS: www.rosalux.de/newsletter
 
 
Eckdaten der Ausstellung:

25 zwei Meter hohe und 0,70 Meter breite, beidseitig gestaltete Ausstellungstafeln dokumentieren:
• 25 ostdeutsche Lebensgeschichten und Erfahrungen mit der Treuhandanstalt
• 25 lebensgroße Porträts
• Zehn ein- bis vierminütige Audioaufnahmen
• 19 Stelen mit der Geschichte von acht Betrieben, drei Kombinaten (Spielwaren Sonneberg, Schwermaschinenbau Magdeburg, Chemische Werke Buna) und zwei Branchen (Stahl- und Getränkebranche)  aus allen fünf ostdeutschen Länder und Berlin
• Prolog und Epilog mit Zitaten von Politikern und Historikern

Nächste Stationen der Wanderausstellung:

Dresden (3.9.-25.9.2019)
Eröffnung der Ausstellung am 3. September 2019, 19.00 Uhr
Wir-AG Dresden, Martin-Luther-Straße 21
Mit Katja Kipping (Vorsitzende der Partei DIE LINKE und MdB)
und Peter Porsch (Vorstandsvorsitzender Rosa-Luxemburg-Stiftung
Sachsen)

Crimmitschau (30.9.-28.10.2019)
Eröffnung der Ausstellung am 30. September 2019, 18.30 Uhr
Sächsisches Industriemuseum/Tuchfabrik, Leipziger Straße 125
Mit Christa Luft (Wirtschaftsministerin in der Modrow-Regierung),
Peter Porsch (Vorstandsvorsitzender Rosa-Luxemburg-Stiftung
Sachsen) und Zeitzeug*innen

Weitere Termine und Ausstellungsorte: www.rosalux.de/treuhand