Publikationen https://www.rosalux.de/ Hier finden Sie unsere Publikationen. de Copyright Fri, 17 Jan 2025 18:33:03 +0100 Fri, 17 Jan 2025 18:33:03 +0100 TYPO3 Publikationen https://www.rosalux.de/fileadmin/sys/resources/images/dist/logos/logo_rss.jpg https://www.rosalux.de/ 144 109 Hier finden Sie unsere Publikationen. news-52999 Fri, 17 Jan 2025 15:18:42 +0100 WORK IN PROGRESS. WORK ON PROGRESS. Beiträge kritischer Wissenschaft https://www.rosalux.de/publikation/id/52999 Doktorand*innen-Jahrbuch 2024 der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Schwerpunktthema: Kämpfe um Un_Sichtbarkeit Einleitung
  • Herausgeber*innenkollektiv 2024
    Kämpfe um Un_Sichtbarkeit

Politik des Räumlichen

  • Isabel Holle
    »Minding the Gap«
    Literatur und Abwesenheit
  • Charlotte Prauß
    In Kisten von Dar es Salaam nach Göttingen – Oder: Wie bewegt sich Wissen?
    Ein Göttinger Botaniker auf »Sammelreisen« in Deutsch-Ostafrika
  • Anton Polsky
    Speaking Walls
    Graffiti and Street Art during the war in Ukraine

Antisemitismus und Rassismus

  • Danielle Isler
    Thirty Years of Freedom in South Africa
    Yet Still Not Free?
  • Jakob Ole Lenz
    Christliche Deutschheit als antisemitisches Unifizierungsmoment in der Deutschen Tischgesellschaft
  • Eleonora Roldán Mendívil
    Super-Exploitation and Social Reproduction
    Situating Gender and ›Race‹ in Modern German Capitalism

Emanzipation und Utopie

  • Vincent Streichhahn
    »[S]ind das Parteigenossen, die für gleiches Recht eintreten?«
    Über den proletarischen Antifeminismus als multiple Organisationshürde und emanzipatorische Aufbrüche in der frühen deutschen Arbeiterbewegung
  • Eyck Marcus Wendt
    Prozesstheater als politisch-ästhetische Theaterpraxis
    Gericht und Theater in Milo Raus »Die Moskauer Prozesse«
  • Paul Herden
    Dialektik von Angst und Handeln
    Über das Verhältnis abstrakter versus konkreter Angst in Hegels Herr-Knecht-Kapitel
  • Ji-Young Choi
    Mobilität und Immobilität
    Ein neue Perspektive für eine gewaltlose Radikaldemokratie

Nachwort

  • Marcus Hawel / Sara Khorshidi:
    Marginalien zum guten und lebenswerten Leben
    Reflexionen zu Kant, Marx, Adorno und Butler
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news-52979 Tue, 14 Jan 2025 14:50:38 +0100 Migration im Wandel https://www.rosalux.de/publikation/id/52979 Entwicklungen und Perspektiven für unsere Einwanderungsgesellschaft Seit Monaten bestimmt das Thema Migration die Schlagzeilen. Eine Vielzahl von Alltagsproblemen und ein allgemeines Gefühl der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlastung werden von vielen mit der Ankunft von Menschen auf der Flucht oder generell mit Einwanderung in Zusammenhang gebracht. Dabei setzt die AfD die Agenda, die CDU greift sie in den Parlamenten auf und die Regierungsparteien ergeben sich den immer neuen Forderungen. In der Begrenzung von Zuwanderung soll die Lösung aller Probleme liegen. Geflüchtete gelte es deshalb stärker abzuschrecken, indem ihre ohnehin schwierigen, teils menschenunwürdigen Lebensbedingungen hierzulande immer weiter verschlechtert werden.

Diesen Migrationsdiskurs vom Kopf auf die Füße zu stellen und Ansatzpunkte für eine Migrationspolitik von links zu finden, ist das Ziel dieser Publikation. Der Text erläutert anhand belastbarer Zahlen und Fakten die Realität der Einwanderungsgeschichte Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg und ordnet sie in die aktuelle Diskussion ein. Insbesondere die Herausforderungen globaler Mobilität in Zeiten transnationaler wirtschaftlicher und kultureller Verflechtungen werden diskutiert. Wie steht es um die Belastbarkeit der Kommunen? Was bedeuten geschlossene Grenzen? Wie kann Integration gelingen? Wie können Fluchtursachen effektiv bekämpft werden?

Dass Menschen einwandern, ist nicht an sich das Problem – die Probleme liegen in einer verfehlten Sozial- und Integrationspolitik, im Kaputtsparen der öffentlichen Daseinsvorsorge und einer zunehmenden sozialökonomischen Spaltung, in der Rassismus grassiert und rassistische Stimmungsmache auf fruchtbaren Boden fällt. Wo gegen Geflüchtete gehetzt wird, geht es nur allzu häufig um die Verschleierung der wahren Gründe für Wohnungsmangel, kommunale Infrastrukturkrise, Bildungsnotstand, Kriminalität und sexistische Gewalt, für Arbeitslosigkeit, Armut und das Abrutschen des Mittelstands. Geflüchtete als Sündenböcke zu benutzen, auf die hausgemachte Probleme projiziert werden, ist brandgefährlich.

Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft. Gerade dieser Tage bedeutet die Verteidigung der Demokratie die Verteidigung der Migrationsgesellschaft. Das heißt: Stärkung von Bürgerrechten, Schutz des Asylrechts, Humanisierung der Einwanderungsbedingungen, Verbesserung der sozialen und Bildungsgerechtigkeit sowie Stärkung einer inklusiven Gesellschaft der Vielen.

Steffen Kühne, Bereichsleiter Zentrum für Gesellschaftsanalyse und politische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, Dezember 2024

Inhalt

  • Zuwanderung – Entwicklung und rechtlicher Rahmen
    • Aktuelle Diskussion
    • Zuwanderung nach Deutschland 1945 bis 2015
    • Zuwanderung nach dem Sommer 2015
    • Flüchtlingspolitik seit 2023
    • Globale Wanderungsbewegungen
  • Perspektiven linker Politik
    • Erwartungen in der Gesellschaft
    • Integration
    • Fluchtursachen bekämpfen
    • Offene Grenzen?
    • Migration sinnvoll gestalten – Asylrecht gewährleisten

Autoren

Andreas Fisahn ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtstheorie an der Universität Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte sind Staats- und Rechtstheorien sowie Europa. Er ist Vertrauensdozent sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Alois Stiegeler studierte Politikwissenschaft und Pädagogik für das Lehramt und war zuletzt Lehrer in Bissendorf (Niedersachsen).

Jesper Herking studiert zurzeit Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld und ist am Lehrstuhl von Prof. Andreas Fisahn tätig.

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news-52550 Mon, 13 Jan 2025 16:28:00 +0100 Finanzialisierung von Gesundheit und Pflege https://www.rosalux.de/publikation/id/52550 20 Jahre Fallpauschalen und Profite mit Kranken Im Jahr 2024 gibt es die DRGs (Diagnosis Related Groups - Diagnosebezogene Fallgruppen) nun seit 20 Jahren. Zeit sich im ersten Teil des Buches dem Einführungsprozess kritisch zu nähern. Die Studie beschäftigt sich mit der Ausgangslage bei der Krankenhausfinanzierung durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 (Selbstkostendeckung), den ideologischen Vorarbeiten zu den jeweils folgenden Gesetzesänderungen, mit den gesetzlichen Schritten der Einführung und mit den Positionen der wesentlichen gesellschaftlichen Akteure und der Politik. Sie ordnet dies in den allgemeinen gesellschaftlichen Trend des Neoliberalismus ein. Die entsprechenden Texte werden dargestellt und kommentiert.

Kernthese: Die Einführung der DRGs begann bereits ab Anfang der 1980er Jahre. Weitere Ergebnisse: Die Veränderung der Krankenhausfinanzierung erfolgte nach einem in den Grundzügen feststehenden klaren Plan. Ziel war die neoliberale Umgestaltung eines wichtigen Bereichs der Daseinsvorsorge in einen Wirtschaftszweig. Hauptmittel der Umgestaltung war die Entfaltung des Wettbewerbs unter und zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen. Gab es anfangs noch eine breite Unterstützung für die Selbstkostendeckung bröckelte diese unter dem neoliberalen Dauerfeuer zunehmend. Grundsätzliche Kritik an den DRGs gab es – bis auf wenige Ausnahmen – erst wieder ab Mitte der 2010er Jahre (Beschlüsse ver.di-Bundeskongress 2015 und Wahlprogramm der Linken 2013).

Seit Jahren drängen transnationale Konzerne, hinter denen häufig große Finanzinvestoren stehen, immer stärker in den Gesundheitsmarkt und treiben die Finanzialisierung der Branche in Europa voran. Der zweite Teil des Buches zeigt dabei: Investoren wählen die lukrativen Bereiche des Gesundheits- und Pflegemarktes und überlassen die weniger profitablen medizinischen und pflegerischen Leistungen den öffentlichen Trägern. Die Zauberworte heißen Public Private Partnership oder Private-Equity.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Im Gesundheitssektor besteht ein geringes Risiko bei gleichzeitig hohen Wachstumserwartungen. Die Nachfrage ist fast vollkommen unelastisch, krisensicher und stetig steigend. Die Lebenserwartung steigt, der Lebensstandard ist hoch oder wächst, wie in osteuropäischen Ländern.

Die Studie zeigt beispielhaft für Europa, wie dieser Prozess vonstattengeht und welche Folgen er zeitigt. Dafür werden die Konzerne Asklepios (Deutschland, Griechenland), Helios-Fresenius (Deutschland, Spanien), Ramsay Santé (u.a. Norwegen, Schweden, Frankreich), Penta Hospitals International (u.a. Polen, Tschechien, Slowakei) näher beleuchtet.

Das Buch ist als Verlagskooperation beim Verlag Westfälisches Dampfbooterschienen.

Autor*innen:

Thomas Böhm war im Klinikum Stuttgart als Chirurg tätig. Dort war er bis 2011 auch Personalratsvorsitzender und ver.di-Bezirksvorsitzender in Stuttgart. Für ver.di ist er Mitglied im Landeskrankenhausauschuss der Landesregierung und im Verwaltungsrat des Klinikums Stuttgart. Er arbeitet aktiv im Bündnis «Krankenhaus statt Fabrik» mit und beschäftigt sich seit Jahren schwerpunktmäßig mit den Themen Krankenhausfinanzierung und Krankenhausplanung.

Kathrin Gerlof hat 30 Jahre als freie Journalistin und Autorin gearbeitet, u.a. als Chefredakteurin der Monatszeitung «OXI Wirtschaft anders denken». Seit Januar 2024 ist sie Referentin für Kultur und Demokratie bei der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Stephan Kaufmann arbeitet in Berlin seit 30 Jahren als Wirtschaftsjournalist für den Rundfunk, Tages- und Wochenzeitungen. Für die Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellte er verschiedene Studien und Bildungsmaterialien zu den Themen Eurokrise, Finanzmärkte, Autoindustrie und «grüner» Kapitalismus.

Sigrun Matthiesen ist freie Journalistin und befasst sich seit längerem mit dem Themenbereich Gesundheitsversorgung. Sie engagiert sich unter anderem im Bündnis «Gesundheit statt Profite» Berlin.

 

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news-52966 Wed, 08 Jan 2025 16:45:00 +0100 Schöner Deckeln! https://www.rosalux.de/publikation/id/52966 Mythen und Fakten zum bundesweiten Mietendeckel Die Mieten steigen und steigen – nichts scheint diese Entwicklung aufhalten zu können. In deutschen Großstädten haben sich die Angebotsmieten in den vergangenen neun Jahren verdoppelt, im Durchschnitt liegen sie bis zu 40 Prozent höher als noch vor zehn Jahren. Aber nicht nur in den Ballungszentren leiden die Menschen unter der ständig zunehmenden Mietbelastung. Gut 37 Prozent aller Mieterhaushalte wenden mehr als 30 Prozent ihres Gesamteinkommens für die Wohnkosten auf. Große Teile der Bevölkerung können das nicht mehr bezahlen.Diese dramatische Entwicklung verstärkt die soziale Ungleichheit im Land. Insgesamt über 20 Millionen Mieter*innen finanzieren derzeit aus ihren Einkommen die Einkünfte und Profite von 4 Millionen Vermieter*innen. Pro Jahr werden etwa 150 Milliarden Euro für Miete gezahlt. Für die Bewirtschaftung der Wohnungen und Häuser werden aber gerade einmal 60 Milliarden Euro benötigt. Der Rest fließt in den Vermögensaufbau privater Eigentümer*innen und die Renditen der Immobilienunternehmen.

Höchste Zeit für einen Politikwechsel. Um die Mietenexplosion und die damit verbundene Umverteilung von unten nach oben zu stoppen, verlangen Mietervereine und andere zivilgesellschaftliche Initiativen schon seit Längerem von den Regierenden einen stärkeren Mieterschutz. Über 50 Organisationen haben sich inzwischen im Bündnis «Mietendeckel jetzt» zusammengeschlossen. Ihre Forderung nach einem bundesweiten Mietendeckel beinhaltet den sofortigen Mietenstopp, örtliche Obergrenzen für Neu- und Wiedervermietungen sowie das Absenken überhöhter Mieten.

Bereits bei der Einführung des Berliner Mietendeckels (er galt von Februar 2020 bis April 2021) liefen die Immobilienwirtschaft und ihre Lobby Sturm gegen den Eingriff in die Mietpreisgestaltung zugunsten der Mehrheit der Bevölkerung. Die medienwirksam vorgebrachten Argumente gegen einen Mietendeckel sind zahlreich, darunter: Er greife unzulässig in die Eigentumsordnung ein, sei klimaschädlich, reduziere das Wohnungsangebot und helfe nur den Besserverdienenden. In der vorliegenden Broschüre erklären wir, was dran ist an diesen Argumenten, fragen, welche Einwände ernst zu nehmen und welche fadenscheinig und falsch sind. Und wir geben die Antworten, die es braucht, um diese Mythen zu entlarven.

Inhalt:

  • «Das Mietrecht reicht völlig aus, um die Mieter*innen angemessen zu schützen»
  • «Mietendeckel sind verfassungswidrig»
  • «Ein Mietendeckel baut keine Wohnung»
  • «Ein Mietendeckel bremst Investitionen und führt zum Verfall der Bestände»
  • «Der Mietendeckel verhindert die notwendige energetische Sanierung»
  • «Ein Mietendeckel reduziert das Wohnungsangebot»
  • «Ein Mietendeckel schadet vor allem kleinen Eigentümer*innen und gefährdet ihre Altersvorsorge»
  • «Ein Mietendeckel führt dazu, dass Mieter*innen in zu großen Wohnungen keine Anreize zum Auszug haben»
  • «Ein Mietendeckel begünstigt vor allem Besserverdienende und kommt bei denen, die wirklich Hilfe brauchen, gar nicht an»
  • «Mietendeckel sind sozialistische Eingriffe in das Eigentumsrecht und in einer Marktwirtschaft systemwidrig»
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news-52972 Wed, 08 Jan 2025 12:03:00 +0100 Wählen macht doch (k)einen Unterschied https://www.rosalux.de/publikation/id/52972 Klassenförmige De- und Remobilisierung bei Nichtwähler*innen Seit Jahren ist bekannt, dass vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen eine asymmetrische Wählermobilisierung aufweisen und im Durchschnitt seltener von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen als andere. Bekannt ist aber auch, dass Menschen dieser – in der Realität sehr heterogenen – Wähler*innengruppe alles andere als «unpolitisch » sind, aber aus Erfahrung, Enttäuschung und/oder Überforderung von Wahlen keine für ihr Leben positive Veränderung mehr erwarten.

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, in Erfahrung zu bringen, welche Sorgen und Nöte, welche politischen Präferenzen und Prioritäten Nichtwähler*innen haben (oder eben nicht haben), vor allem aber, was sie aus ihrer Sicht bewegen könnte, wieder aktiv an Wahlen teilzunehmen oder sich darüber hinaus politisch zu engagieren. Dazu haben wir in sechs ausgewählten sogenannten benachteiligten Vierteln Interviews geführt, in denen überdurchschnittlich viele Menschen mit geringen Einkommen, mit Bürgergeldbezug, in prekären Lebenslagen etc. leben und in denen die Partei Die Linke bei früheren Wahlen gute Ergebnisse erzielt hatte. Es handelt sich um folgende Viertel: die Berliner Gropiusstadt, die Leipziger Großwohnsiedlung Lößnig, Rostock Lütten Klein, die Göttinger Weststadt, Köln-Chorweiler sowie Bremen Tenever.

Es wurden 193 Haustürgespräche geführt, davon 50 mit Nichtwähler*innen, außerdem zehn Tiefeninterviews mit Nichtwähler*innen. Zudem wurden quantitative Daten aus vorangegangenen Befragungen speziell zu Nichtwähler*innen ausgewertet, Expert*inneninterviews geführt und Literatur zum Thema aufgearbeitet.

Insgesamt hat Die Linke immer noch ein Wähler*innenpotenzial von etwa 16 Prozent, so eine repräsentative Umfrage von Ende September 2024 – das sind fast 9,8 Millionen potenzielle Wähler*innen. Darunter befinden sich insbesondere Menschen mit geringen Haushaltseinkommen, und auch zahlreiche Nichtwähler*innen. Diese Gruppe ist in unseren Untersuchungen zahlenmäßig mit Abstand die größte: Im linken Potenzial sind es rund 1,7 Millionen Nichtwähler*innen.

Deutlich stärker als die übrige Bevölkerung fühlen sich Nichtwähler*innen zu fast 70 Prozent von der Inflation betroffen. Sie beklagen, dass ihnen am Ende des Monats Geld fehle, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Besonders bei Energie, Lebensmitteln und Mieten kommt es zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten, der besonders ärmere Haushalte trifft, weil Grundgüter des täglichen Bedarfs hier einen wesentlichen höheren Anteil des verfügbaren Einkommens ausmachen als bei Haushalten mit höheren Einkommen. Die Reallohnverluste der Vorjahre konnten zwar teilweise kompensiert werden. Insgesamt liegt das preisbereinigte Niveau der Tariflöhne jedoch immer noch deutlich unter dem Spitzenwert des Jahres 2020. Beschäftigte ohne Tariflohn, vor allem im Niedriglohnsektor, bleiben hinter dieser Entwicklung zurück. Wir können von einer großen Schnittmenge von Armutsbetroffenen in benachteiligten Vierteln und Nichtwähler*innen ausgehen.

Bei den Fragen zu den persönlich wichtigsten politischen Problemen offenbaren sich häufig ganze Bündel von miteinander verwobenen sozialen und anderen Problemen, die den Einzelnen unter den Nägeln brennen. Thematisch stehen Miete und Wohnen, Löhne und Renten sowie die Preisentwicklung ganz weit vorn. Auch die Gesundheit und die Sorge, noch mithalten zu können, spielen eine wichtige Rolle, ebenso wie die Abwehr der Hetze gegen Bezieher*innen von Bürgergeld.

«Kein Urlaub drin, kein Auto, Supermarkt teuer, Pulli und Decken statt Heizen, … die Angst vor Wohnungsverlust» – bald reicht es nicht einmal mehr für «das Nötigste zum Leben».

«Es wird alles immer härter, mehr Konkurrenz, mehr Druck, mehr Leistung wird verlangt, aber [es gibt] nicht mehr Geld.»

Durch alle Antworten dringt das Leiden an fehlender Anerkennung, am mangelnden Respekt für das Leben unter schwierigen Bedingungen und für die Leistung, auch unter benachteiligenden Verhältnissen einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Dies verbindet sich bei vielen Befragten mit dem Eindruck, keine Perspektive einer Verbesserung der eigenen Situation sowie der politischen Verhältnisse insgesamt zu haben.

«Auch im Supermarkt bekommst du gefühlt ein Drittel weniger fürs gleiche Geld. Man muss schon mehr rechnen. … und am Ende landest du in der Armutsrente.»

«Das Geld reicht gerade so, man muss jeden Cent zweimal umdrehen, alles wird teurer.»

Die einzelnen Themen sind als Probleme lange bekannt und kommen deshalb eigentlich nicht überraschend. Doch wie stark sich die Probleme verdichten, der Druck steigt und aus Sorgen Ängste werden, ist doch sehr eindrücklich. Nichtwählen ist in den unteren Teilen der Klassenhierarchie dann überwiegend ein Akt, in dem sich Unzufriedenheit mit der Politik und zunehmend Fatalismus äußern. So sagt in unserer Befragung eine alleinerziehende Arzthelferin und Aufstockerin:

«Ich verstehe die Politik nicht. Hat nichts mit mir zu tun, mit meinen Interessen. … keiner redet von den Gehältern, vor allem für Frauen, in den Gesundheitsberufen, oder mehr Zeit. Oder den Preisen, alles immer teurer, oder die Wohnungsprobleme.»

Die Belastungen verstärken die Angst vor einer Verfestigung von Armut und Überforderung. Politische Teilhabe setzt ja nicht nur politisches Interesse, sondern «auch das Gefühl voraus, durch dieses Handeln Einfluss ausüben zu können» (Brülle/Spannagel 2023). Somit ist das Desinteresse auch eine Reaktion auf das wahrgenommene Desinteresse des politischen Betriebs – auf die Kränkung, nicht gemeint zu sein, wenn es um die Probleme im Lande geht, bzw. stets nur negativ vorzukommen.

«Interessiert mich irgendwie nicht, hat nichts mit mir zu tun … und die Politiker interessieren sich ja auch nicht für uns.»

Die «mangelnde Responsivität der Parlamente» (Schäfer/Zürn 2021) befördert ebenjene Bewegung der Demobilisierung der Armen und Ausgebeuteten wie der (klassenübergreifenden) Remobilisierung aufseiten der radikalen Rechten.

Erfahrungen mit Haustürgesprächen zeigen allerdings: Die Leute sind schon an Politik interessiert, sie haben viel Kritik an den Verhältnissen, aber sie erwarten von Parteien und Wahlen eben relativ wenig. Auch von der Linken nicht – sofern ihre Positionen überhaupt bekannt sind, wird nicht oder nicht mehr angenommen, Die Linke könnte einen Unterschied machen. Aber umgekehrt gilt auch: Wenn Nichtwähler*innen angesprochen werden, etwa von Aktivist*innen von Parteien oder zivilgesellschaftlichen Initiativen wie «Deutsche Wohnen & Co. enteignen», nimmt die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen zu. Menschen mit geringer Wahlneigung sind zwar nur schwer davon zu überzeugen, wählen zu gehen. Zugleich äußern viele aber die Erfahrung, dass sie von niemandem gefragt würden, sich niemand für sie interessiere. Tatsächlich werden Nichtwähler*innen besonders selten angesprochen: Fast alle Interviewten äußern, dass sie nicht angesprochen würden, es an Informationen und Kontakt mangele.

Elemente einer Mobilisierung von Nichtwähler*innen sind: mehr Informationen mithilfe direkter Ansprache vor Ort verfügbar machen; mehr Orte für Begegnung und niedrigschwellige Mitmachangebote schaffen. Artikuliert wird in den Interviews der Wunsch nach einer Partei, «die sich einsetzt», die «hilft und gegenhält», die «anders ist».

Als Motivation, vielleicht doch zu wählen – und zwar links – wird besonders häufig der Aufstieg der radikalen Rechten genannt – vielleicht der stärkste Grund in unserer Befragung.

«Man bekommt richtig Angst, wenn man die Nachrichten mitbekommt. Ganz schön unübersichtlich alles. … alle gehen nach rechts … ohne Die Linke, bei allen Bauchschmerzen, wenn die nicht mehr da ist, bringt halt keiner sonst diese Sicht ein, macht ja keiner.»

Der Eindruck «alle gehen nach rechts» spiegelt sich auch in der Aussage einer Bürgergeld-Empfängerin aus Köln-Chorweiler wider: «Angst macht mir die Hetze gegen Leute wie mich, die Sozialhilfe bekommen.» Sie selbst sei gesundheitlich angeschlagen; ihre Möglichkeiten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, seien eingeschränkt. «Und trotzdem bekommt man vermittelt, ich wäre faul, arbeitsscheu, will nur abkassieren … das ist ja jetzt nicht nur die AfD oder CDU/CSU, das sind ja fast alle, das Fernsehen, die Nachrichten, auch das eigene Umfeld … da wird nach unten getreten, als gäb’s keine anderen Probleme … für anderes können die aber Milliarden raushauen … es reicht doch nicht mal mehr für vernünftig was zu essen, wo soll denn das enden?» Die herrschende Politik hat nicht nur nichts oder wenig mit den Interessen der Befragten zu tun, sie richtet sich sogar vermehrt direkt gegen sie, so der Eindruck.

Dennoch könne der Urnengang aus Sicht der Interviewten sinnvoll sein – nämlich dann, wenn sie «das Gefühl» hätten, «dass das was bringt»:

«Wäre schon gut, wenn wenigstens eine Partei sagt, was wir denken. Aber müsste sie halt auch laut machen, sodass man das nicht überhören kann« – als Stimme und Verstärker derjenigen, «die jeden Tag schuften, und am Ende des Monats reicht es doch wieder nicht» – das müssen «die da oben mal mitbekommen».

Während sich etliche Nichtwähler*innen im Gespräch durchaus offen für eine Wahlbeteiligung und auch einer Wahl der Linken zeigen, so sind eine grundlegende Skepsis und mangelndes Vertrauen bei vielen doch tief eingeschrieben und nur schwer aufzubrechen. Es fehlt auch an persönlichen Ressourcen:

«Wählen ist echt mein geringstes Problem. Ich bin froh, wenn ich mit dem ganzen anderen Mist zurechtkomme. Habe gar keine Zeit oder Nerven, mich damit zu befassen.»

Entscheidend wäre es in solchen Fällen, dranzubleiben, wiederzukommen, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen, Vertrauen zurückzugewinnen. Dafür braucht es Geduld und einen langen Atem.

Das heißt aber auch, frühzeitig damit anzufangen, nicht erst wenige Wochen vor einer Wahl, und die politische Kampagne von ihren Geschichten, Erfahrungen und Problemen her zu entwickeln und zu formulieren, einen Wiedererkennungseffekt zu erzeugen. Dabei ist es sicher hilfreich, Personen in den ersten Reihen zu haben, die die «Klasse» repräsentieren. Die Partei muss Anerkennung und Solidarität erlebbar werden lassen. Und es soll die Erfahrung vermittelt werden: In dieser Partei sind Menschen, die sich für mich – und im besten Falle mit mir – mit den Mächtigen und Reichen in dieser Gesellschaft anlegen. Eine Erfahrung der Solidarität, um (in Anlehnung an Max Horkheimer) Desinteresse, Ohnmacht und Fatalismus in produktive Bahnen zu lenken.

Haustürgespräche dienen dabei nicht nur als Mittel, um Verankerung und Wähler*innen (zurück) zu gewinnen, sondern auch als Schule für die Aktivist*innen der Partei selbst. Lebensrealitäten, Perspektiven und Erfahrungen, Sprache und Haltungen werden so ebenso wie Sorgen, Probleme und Hoffnungen erfahrbar für die engagierten Parteimitglieder und Sympathisant*innen. Sie kommen häufig nicht aus denselben Verhältnissen und Vierteln und haben einen anderen Klassen- oder Bildungshintergrund als die Aufgesuchten. Durch dieses Vorgehen «verändern sich alle, die daran beteiligt sind» (Kaindl/Nagel 2019). Am Anfang stehen dabei also nicht Antworten, sondern Fragen. Bei der aufsuchenden Arbeit geht es darum, am Alltag anzuknüpfen, daran, was Menschen tatsächlich bewegt. Diese Praxen sind der Lackmustest einer verbindenden Klassenpolitik.

Inhalt:

  • Einleitung
  • Welche Wähler*innenpotenziale? Für mehr «unten» im «Mitte-unten-Bündnis»
  • Wer sind und was denken die Nichtwähler*innen im linken Potenzial?
    • «Das Ende des Monats erreichen» – ein quantitativer Blick auf Positionen von Nichtwähler*innen
    • «Sich das Leben nicht mehr leisten können» – ein qualitativer Blick darauf, was Nichtwähler*innen bewegt
  • «Wählen ist echt mein geringstes Problem» – Nichtwählen: eine Klassenfrage
    • Exkurs: Nicht-/Wähler*innen mit Migrationshintergrund und der Umgang mit Migrationspolitik
    • Exkurs: Ist das linke Potenzial gespalten?
  • Klassenpolitische Mobilisierung von Nichtwähler*innen
    • Mehr Informationen, mehr direkte Ansprache
    • «Was zusammen machen, damit es hier schöner wird» – mehr Mitmachangebote vor Ort
    • Eine Partei, die «anders» ist
    • Gegen die AfD, gegen die Machtlosigkeit
    • Aufsuchende Arbeit und Präsenz im Viertel
    • Vermittlung von Solidarität vs. Ohnmacht
  • Schlussbemerkungen

Autor:

Mario Candeias war Direktor des Instituts für Gesellschaftsanalyse und ist nun Referent für sozialistische Transformationsforschung, linke Strategien und Parteien der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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news-52933 Tue, 07 Jan 2025 14:52:00 +0100 Migration als Feindbild https://www.rosalux.de/publikation/id/52933 Das Wichtigste in Kürze zur aufgeheizten Debatte um Flucht und Einwanderung Politik und Gesellschaft ringen um den richtigen Kurs in der Migrations- und Asylpolitik. Das ist nichts Neues. Was allerdings neu ist, ist die Heftigkeit und Einseitigkeit, mit der die Debatte seit dem tödlichen Messerangriff in Solingen im August 2024 geführt wird.

Fast alle scheinen sich einig zu sein: Solche Taten hängen mit «irregulärer Migration» zusammen. Deswegen müsse diese mit allen Mitteln bekämpft werden. Zu diesem Zweck werden die Rechte von Menschen auf der Flucht und von Asylsuchenden, die bereits hier leben, immer weiter eingeschränkt.

Das Versprechen lautet: Mit mehr Abschiebungen und mehr Härte würde unser Land (wieder) sicherer werden. Und es wäre mehr Geld für andere Aufgaben da. Gleichzeitig wollen Staat und große Teile der Wirtschaft Arbeitskräfte aus anderen Ländern anwerben, zum Beispiel dringend benötigte Pflegekräfte. Hier gibt es ganz offensichtlich widersprüchliche Interessen.

Was ist zu tun?

Das gute Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen 2024 hat wieder einmal bewiesen: Auch mit der harten Anti-Migrations-Rhetorik und -politik der bürgerlichen Parteien ist dem Problem der Rechtsentwicklung nicht beizukommen. Statt weiter Skepsis gegenüber Geflüchteten und Rassismus zu schüren, braucht es pragmatische Lösungen und Antworten auf verschiedenen politischen Ebenen: von Europa bis hin zu den Städten und kleinen Gemeinden. Es geht nicht nur um die Verbesserung der Zugangsbedingungen für Menschen, die aus verschiedenen Gründen ihr Land verlassen (müssen), sondern auch um die Verbesserung der Bedingungen, unter denen wir hier alle zusammenleben.

Dafür brauchen wir dringend:

  • einen Paradigmenwechsel der deutschen und europäischen Migrations- und Asylpolitik: die solidarische Verteilung von Geflüchteten auf europäischer Ebene und die Schaffung sicherer Fluchtwege statt menschenverachtender Abschottung;
  • die Aufhebung des Gegensatzes von Fluchtmigration und Fachkräfteeinwanderung: Geflüchteten muss der Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt erleichtert werden;
  • eine dauerhafte Stärkung kommunaler Strukturen und Institutionen durch ausreichende Finanzierung und mehr Personal;
  • die Minderung der Wohnungsnot durch mehr sozialen Wohnungsbau und andere staatliche Interventionen und Förderprogramme;
  • die Aufhebung der Schuldenbremse und eine Neuausrichtung der Steuerpolitik, um dringend benötigte integrations- und sozialpolitische Maßnahmen finanzieren zu können.

«kurz & bündig» bietet einen schnellen Überblick über aktuell brisante politische und gesellschaftliche Fragen, anhand von Zahlen und Fakten, den dahinter stehenden Interessen und Konflikten und einem Ausblick, was politisch zu tun ist. «kurz & bündig» kann als Bildungsmaterial leicht selbst ausgedruckt, kopiert und verteilt werden – für Veranstaltungen, Aktionen oder im Bekanntenkreis.

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news-52882 Wed, 18 Dec 2024 11:45:00 +0100 Unsere soziale Hängematte https://www.rosalux.de/publikation/id/52882 Mythen und Fakten zum Bürgergeld Unser Staat ist nach Artikel 20 des Grundgesetzes ein Sozialstaat. Daraus folgt, dass er ein letztes Netz sozialer Sicherheit zu spannen hat für all jene, die ihr Einkommen nicht aus eigener Kraft bestreiten können und bei denen auch die vorgelagerten staatlichen Sicherungssysteme, wie etwa das Arbeitslosengeld I oder die gesetzliche Rentenversicherung, keinen ausreichenden Schutz vor Armut bieten. Für alte oder erwerbsunfähige Menschen ist es die Grundsicherung in der Sozialhilfe, die das leisten soll. Für Arbeitssuchende und ihre Familien ist es das seit 2023 so genannte Bürgergeld, vormals im Volksmund als «Hartz IV» bekannt. Anrecht darauf hat jeder Mensch, dessen Einkommen unter einer bestimmten, sehr niedrig bemessenen Grenze liegt und dem auch keine Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft beispringen können. Auch müssen Betroffene bereit sein, Angebote der Arbeitsvermittlung anzunehmen.

Einfach formuliert geht es darum, denjenigen zu helfen, die sich nicht allein helfen können, und sie nach Möglichkeit wieder in die Lage zu versetzen, ohne Unterstützung zurechtzukommen – für eine humane und aufgeklärte Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen.

Dennoch steht das Bürgergeld ganz erheblich in der Kritik – und mit dem Bürgergeld auch die Menschen, die auf diese sozialstaatliche Leistung angewiesen sind. Warum ist das so?

Ein Grund dafür sind wirkmächtige «Mythen», Irrtümer, Behauptungen und auch Lügen, die insbesondere von neoliberaler Seite kampagnenartig ins Land getragen werden. So wird den Arbeitslosen oft Arbeitsunwilligkeit unterstellt; das Bürgergeld sei so hoch, dass sich Arbeit für viele gar nicht mehr lohne. In der Folge verweigere sich eine große Zahl von Arbeitslosen der Vermittlung in Arbeit und entziehe sich der Zusammenarbeit mit den Jobcentern. Härtere Sanktionen gegen solche «Verweigerer» bis hin zur kompletten Streichung des Bürgergelds seien zwingend notwendig, zumal der Kostenanstieg für das Bürgergeld wieder aufgefangen werden müsse. Diese und andere Behauptungen sollen in der vorliegenden Broschüre geprüft werden.

Inhalt

  • «Bürgergeld verhindert Armut»
  • «Die Regelsätze sind Ergebnis objektiver statistischer Berechnungen»
  • «Das Bürgergeld ist nicht mehr finanzierbar»
  • «Bezieher*innen von Bürgergeld gehen in der Regel keiner Tätigkeit nach»
  • «Es gibt eine große Zahl von Arbeitsverweigerern im Bürgergeldbezug»
  • «Das Bürgergeld untergräbt die Arbeits- und Leistungsmoral»
  • «Sanktionen bei Pflichtversäumnissen sind unverzichtbar»
  • «Es gibt zu viele Ausländer im Bürgergeldbezug»
  • «Die Einführung von Hartz IV war volkswirtschaftlich notwendig»
  • «Mit dem Bürgergeld wurde Hartz IV grundlegend reformiert und überwunden»
  • Mythen fallen nicht vom Himmel, sie werden gemacht – eine Schlussbemerkung
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news-52876 Fri, 13 Dec 2024 11:45:34 +0100 Wohnen muss beheizbar bleiben! https://www.rosalux.de/publikation/id/52876 Mythen und Fakten zur Wärmewende Heizkostennachzahlungen von mehreren Hundert oder gar mehreren Tausend Euro?! Der Schock vom vergangenen Winter droht sich zu wiederholen. Wieder haben viele Angst davor, in existenzielle Not zu geraten. Obwohl die Energiepreise, die mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine explodiert waren, wieder gesunken sind, liegen sie dennoch über dem Vorkriegsniveau. Das schlägt sich auch auf die Mieten nieder. Dass die Nebenkosten die hohen, immer weiter steigenden Mieten noch verdoppeln, ist heute keine Seltenheit. Wer soll sich das auf Dauer leisten können? Wir erleben beim Wohnen eine soziale Krise. Hinzu kommt, dass Heizen und Warmwasser in Gebäuden für fast ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen sorgen. Seit Jahren werden die Klimaziele in diesem Sektor gerissen. Gleichzeitig leben viele Menschen in Wohnungen, die im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt sind, wenn sie nicht teuer beheizt werden. Energetische Sanierungen haben daran nicht viel geändert. Denn es wird ebenso falsch wie ungerecht saniert, vor allem aber zu wenig, und wenn, dann auf alleinige Kosten der Mieter*innen. All das muss sich ändern. Wohnen muss beheizbar bleiben!

Die öffentliche Debatte geht an den Ursachen dieser doppelten sozialen und ökologischen Wohnungskrise vorbei. Stattdessen lag das Land 2023 im «Heizungsstreit». Die Desinformationskampagne um das Heizungsgesetz hat nicht nur die damalige Ampelregierung, sondern das ganze Land gespalten. Alternativen wie die Wärmepumpe wurden in Verruf gebracht, sozial und kommunal einsetzbare Technologien wie die Großwärmepumpe fanden kaum Beachtung. Stattdessen behauptete die von rechts befeuerte Kampagne, Klimaschutz mache Wohnen unbezahlbar. Die Mieter*innen, die auch ohne Klimaschutz unter hohen Wohnkosten leiden, kamen in der Debatte nicht vor.

Diese Broschüre will mit den gängigen Mythen aufräumen, die bezahlbares Wohnen gegen den Klimaschutz ausspielen, und ihnen Argumente und Fakten entgegensetzen. Denn in der sich zuspitzenden Klimakrise steht mit der Wärmewende das größte Gebäude- und Stadterneuerungsprogramm seit der Nachkriegszeit an. Es geht um sehr viel, unter anderem darum, wer dafür bezahlt: die Mieter*innen und kleinen Eigentümer*innen oder die Immobilienmillionäre und börsennotierten Konzerne. Und darum, was dem Klima tatsächlich hilft und was nur Scheinlösung ist, um die fossile Ära zu verlängern. Fakt ist: Nur mit einer sozial gerechten Wärmewende kann Klimaschutz gelingen und die Wohnungskrise gelöst werden.

Inhalt:

  • «Klimaschutz im Gebäudesektor ist überbewertet»
  • «Die Sanierung von Gebäuden ist zu teuer»
  • «Die Wärmewende macht das Wohnen unbezahlbar»
  • «Der Sanierungswahn hilft dem Klima nicht»
  • «Die Wärmepumpe funktioniert nicht in Bestandsgebäuden»
  • «Wasserstoff ist die Lösung»
  • «Der ‹Heiz-Hammer› treibt die Menschen in den Ruin»
  • «Wir brauchen mehr Markt und weniger Verbote»
  • «Mieter*innen ist der Klimaschutz nicht so wichtig»
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news-52807 Mon, 02 Dec 2024 04:54:00 +0100 Deutschland am Kipppunkt https://www.rosalux.de/publikation/id/52807 LuXemburg 2/2024 schaut auf mehrere Kipppunkte, die Verhältnisse unumkehrbar machen Die selbsternannte Fortschrittskoalition hat die ökologische Transformation verspielt und ist zerbrochen. Tiefenverspannungen, Ängste und Unsicherheiten entladen sich in aufgeregten Debatten entlang von Triggerpunkten und moralischen Paniken. Während die Linke in der Krise ist, geht die reaktionäre (Re-) Mobilisierung weit über die radikale Rechte hinaus. Von CDU/CSU bis hin zu weiten Teilen der Medien wird das Ressentiment zur Produktivkraft der Politik insgesamt.

Ist die Entwicklung nach rechts noch aufzuhalten? Ist die Klimakatastrophe noch abzuwenden? Wächst die Ungleichheit unaufhaltsam weiter Und steht uns ein verschärfter autoritärer Neoliberalismus oder gar eine Faschisierung mit permanenter Aufrüstung ohne soziale Konzessionen bevor? Wir sind mitten in einer Neusortierung des Parteiensystems, in dem sich Die Linke ihre Funktion neu erkämpfen muss oder unterzugehen droht.

Unter Kipppunkt verstehen wir nicht wie in der Klimatologie einen Punkt der dauerhaften Unumkehrbarkeit, sondern einen Punkt, der gesellschaftliche Entwicklungen zumindest kurz und mittelfristig unumkehrbar macht und die Optionen linker und progressiver Entwicklungen schon jetzt entscheidend einschränkt. 

«Deutschland am Kipppunkt» schließt mit Analysen zur Situation der Zeit an die Debatten unseres Heftes 2/2023 «Zeit der Monster» an. Denn dem Horror des «Pessimismus des Verstandes» (Gramsci) analytisch nachzugehen, die veränderten Verhältnisse zu begreifen, heißt, ihnen weniger ausgeliefert zu sein und dem «Optimismus des Willens» einen festen Grund zu bereiten. Die Verhältnisse bleiben in Bewegung – Hoffnung kann in neuen gesellschaftlichen Kämpfen und mit einer erneuerten Linken entstehen. 

LUXEMBURG Website

Inhalt

  • Deutschland am Kipppunkt
    Blockierte Transformation, das MerzProjekt und die Gefahr der Faschisierung
    Von Lia Becker
  • Halt auf halber Strecke
    Die sozialökologische Bilanz der Ampelregierung
    Von Leonie Petersen
  • Blickwinkel an der Grenze
    Eine Fotoreportage über die Lausitz im Wahlkampf
    Von Ingmar Björn Nolting
  • Tiefenverspannungen und moralische Paniken
    Vom Auseinanderfallen gesellschaftlicher und gefühlter Problemlagen
    Von Mario Candeias
  • Konservatismus am Kipppunkt
    Von Natascha Strobl
  • «In diese Falle darf die Union nicht tappen»
    Die Krise des Konservatismus und die Strategie der CDU/CSU gegenüber der AfD
    Gespräch mit Thomas Biebricher
  • Die Musik spielt im Westen
    Über die Zukunft von BSW und Linkspartei ist noch nicht entschieden
    Von Michael Jäger
  • Sorgen eines mit dem Hund wackelnden Schwanzes
    Das rechte Vorfeld und seine Partei
    Von Adam Birk
  • Die AfD – eine «ARBEITERPARTEI» ohne betriebliche Basis?
    Von Richard Detje, Dieter Sauer, Ursula Stöger und Hilde Wagner
  • Austerität als Wegbereiter des Faschismus
    Gespräch mit Clara Mattei
  • Perspektivenwechsel jetzt!
    Gesellschaft der Vielen statt autoritäre Entrechtung
    Von Rebecca Gotthilf
  • Geld ist Klasse
    Eine Performance über Ungleichheit und Überreichtum
    Von Marlene Engelhorn, Lothar Kittstein und Volker Lösch
  • Wege aus der Eskalation
    Weshalb Frieden in der Ukraine ohne friedliche Mittel nicht zu erreichen ist
    Von Jan van Aken
  • Wie Kriege enden
    Infografik 
  • Außenpolitsche Verspannungen der Linken
    Weshalb die Friedensfrage für die Linkspartei so kompliziert ist
    Von Axel Gehring
  • Wird ausgerechnet Anti-Antisemitismus zu einem Katalysator der autoritären Wende?
    Von Peter Ullrich
  • Die Partei als Produktivkraft
    Von Alex Demirović
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news-51873 Thu, 28 Nov 2024 10:00:00 +0100 Warum die AfD keine Friedenspartei ist https://www.rosalux.de/publikation/id/51873 Studie belegt: AfD will Aufrüstung der Bundeswehr und nationale Rüstungsindustrie Die extrem rechte Partei Alternative für Deutschland (AfD) inszeniert sich seit Beginn des Ukrainekriegs immer vehementer als Friedenspartei – ja zum Teil sogar als die vermeintlich einzige Friedenspartei. So schreibt beispielsweise der AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen auf seiner Homepage: «Die AfD ist die einzige Partei im Bundestag, die sich für Frieden einsetzt und ein Konzept vorgelegt hat, wie er zu erreichen ist und was Deutschland dazu beitragen kann.» Auf den Social-Media-Kanälen der AfD-Abgeordneten finden sich immer häufiger Friedenstauben. Die AfD bemüht sich um Friedensbewegte als potenzielle Wähler*innen und versucht, in der Friedensbewegung Fuß zu fassen.

Für ihre Selbstinszenierung als Friedenspartei bezieht sich die AfD vor allem auf den Krieg in der Ukraine. Die AfD setzt sich für Verhandlungen mit Russland und gegen Waffenlieferungen und Sanktionen gegen die russische Wirtschaft ein. Auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gibt es eine gewisse Skepsis, wenn auch keine grundlegende Ablehnung seitens der AfD.

Diese Positionierung allein macht die AfD jedoch noch nicht zu einer Friedenspartei. Eine echte Friedenspartei müsste sich konsequent und generell gegen militärische Problemlösungen, Aufrüstung, Rüstungsexporte, die Wehrpflicht und das Militär positionieren.

Diese Studie prüft in einem ersten Schritt die Behauptung der AfD, Friedenskraft zu sein. Dazu werden die Programmatik (anhand des Grundsatzprogramms und des aktuellen Europawahlprogramms), die Reden im Bundestag und das Abstimmungsverhalten der AfD in diesen Politikfeldern untersucht. Hierbei wird klar, dass die AfD sich klar für eine Aufrüstung der Bundeswehr positioniert.

Anschließend werden die grundlegenden sicherheits- und außenpolitischen Positionen der AfD aus den Programmen und Strategiepapieren der Partei und öffentlichen Äußerungen von AfDPolitiker* innen herausgearbeitet. Auf dieser Grundlage wird der Frage nachgegangen, warum eine deutschnationale Aufrüstungspartei die Friedensfahne schwenkt. Hinter der vermeintlich widersprüchlichen Politik der AfD zwischen Friedensdemos und Aufrüstungsprogrammatik kommt eine machtpolitische Gesamtstrategie zum Vorschein: mit den russischen Ressourcen und neuer militärischer Stärke raus aus der Abhängigkeit von den USA. Die Behauptung der AfD, Friedenspartei zu sein, entpuppt sich als haltlos. Hinter der oberflächlichen «Friedenspolitik» der AfD stehen Rassismus und antiamerikanische Bündnispolitik. Eine Friedenspartei braucht weder eine starke Armee noch eine nationale Rüstungsindustrie – beides zentrale Forderungen der AfD.

Herausgeber der Studie ist die Informationsstelle Militarisierung (IMI).
Die Studie wurde gefördert durch die Rosa Luxemburg Stiftung.

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