Publikationen https://www.rosalux.de/ Hier finden Sie unsere Publikationen. de Copyright Tue, 26 Sep 2023 14:15:37 +0200 Tue, 26 Sep 2023 14:15:37 +0200 TYPO3 Publikationen https://www.rosalux.de/fileadmin/sys/resources/images/dist/logos/logo_rss.jpg https://www.rosalux.de/ 144 109 Hier finden Sie unsere Publikationen. news-51043 Wed, 20 Sep 2023 16:27:48 +0200 Weg frei für die Vergesellschaftung https://www.rosalux.de/publikation/id/51043 Zum Bericht der Expert*innen-Kommission zum Volksentscheid «Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen» Seit Beginn der Kampagne «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» (DWE) haben Gegner*innen des Vorhabens versucht, Vergesellschaftung als unseriös und juristisch nicht möglich zu diskreditieren, und teils astronomische Entschädigungssummen in den Raum gestellt. Der Bericht der vom Berliner Senat eingesetzten Expert*innen-Kommission hat eindrucksvoll deutlich gemacht, dass diese Diskreditierungsversuche nicht fundiert waren. Das Grundgesetz (GG) spricht an dieser Stelle eine sehr klare Sprache: Vergesellschaftung ist möglich. Sie ist im Grundgesetz vorgesehen und Ausdruck davon, dass die Verfasser*innen des Grundgesetzes der einfachen gesetzgebenden Instanz Spielraum für die Gestaltung der Wirtschaftsordnung lassen wollten. Nun ist die schwarz-rote Koalition in Berlin am Zug, das Volksbegehren schnellstmöglich umzusetzen.

Die Autorin:

Franziska Drohsel ist Rechtsanwältin und war an der Humboldt-Universität zu Berlin als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Sie war von 2007 bis 2010 Bundesvorsitzende der Jusos und ist im Vorstand des Instituts Solidarische Moderne

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news-51016 Thu, 14 Sep 2023 12:25:42 +0200 Ein lukrativer Waffenmarkt https://www.rosalux.de/publikation/id/51016 Das ägyptische Aufrüstungsprogramm und seine Folgen Dem Putsch des Militärs vom 3. Juli 2013 folgte nicht nur eine in der ägyptischen Geschichte nie dagewesene Welle der Repression gegen revolutionäre Aktivist* innen, oppositionelle Demokrat*innen sowie Muslimbrüder und -schwestern. Auch außenpolitisch reklamierte das Militärregime einen regionalen Führungsanspruch. Wichtigstes Mittel der Machtdemonstration ist ein gigantisches Aufrüstungsprogramm. Zwar hatten bereits unter Husni Mubarak pensionierte Militärs lukrative Posten in der Zivilverwaltung und im staatlichen Wirtschaftssektor übernommen, sodass Beobachter wie Yazid Sayigh Ägypten als «Republik der Offiziere» bezeichneten. Das eigentliche Kerngeschäft des Militärs wurde unterdessen vernachlässigt. So telegrafierte der US-Botschafter in Kairo in einer (später geleakten) Depesche 2009 nach Washington, dass sich «die taktische und operative Bereitschaft der ägyptischen Streitkräfte (EAF) verschlechtert hat» – ein niederschmetterndes Urteil für das Selbstbild der Offiziere.

Isa Homann ist Journalistin und schreibt über die Region des Nahen und Mittleren Ostens.

Abdelfattah al-Sisi, der sich ein knappes Jahr nach der Machtübernahme des Militärs zum Präsidenten wählen ließ, erklärte, er werde dafür sorgen, dass sich die Ereignisse von 2011 nie mehr wiederholen würden. Heute dominiert die Armee, die unter Mubarak durch die Wirtschaftselite und die Sicherheitsorgane von ihrer einst dominierenden Position innerhalb der Herrschaftselite in die hintere Reihe verdrängt worden war, wieder alle Bereiche der Gesellschaft. Die neue Verfassung von 2014 spricht ihr die Rolle eines «Beschützers der Demokratie und der Verfassung, der Grundprinzipien des Staates und seiner zivilen Natur sowie der Rechte der Bürger» (Artikel 200) zu. Durch diese vage Formulierung wird das Militär über alle anderen Verfassungsorgane erhoben und die gewaltsame Absetzung von Präsident Muhammed Mursi posthum legitimiert. Zudem wurden Kompetenzen der Militärgerichtsbarkeit erweitert, sodass heute auch Zivilist*innen von Militärgerichten, gegen deren Urteile keine Berufung möglich ist, verurteilt werden können. Die Kontrolle über das Verteidigungsbudget wurde dem Parlament entzogen und einem «Nationalen Verteidigungsrat» übertragen, der bei der Verabschiedung aller Gesetze, die das Militär betreffen, zu konsultieren ist (Artikel 203).

Unter dem Sisi-Regime haben sich die ägyptischen Rüstungsimporte verdreifacht. Ägypten avancierte nach Indien und Saudi-Arabien zum weltweit drittgrößten Waffenimporteur. Schwerpunkt der Aufrüstung ist die Modernisierung der Luftwaffe – hier versucht Ägypten seit dem verlorenen Sechs-Tage- Krieg eine Parität mit Israel zu erreichen – sowie der massive Ausbau der Marine mit dem Ziel, das Operationsgebiet ins östliche Mittelmeer und bis ans Horn von Afrika auszuweiten. Nach Angaben von «Global Firepower» verfügt Ägypten heute zahlenmäßig über die größte Luftwaffe, die stärkste Marine und die meisten Panzereinheiten im Nahen Osten und auf dem afrikanischen Kontinent. Um sich mehr innen- und außenpolitischen Spielraum zu verschaffen und die starke militärische Abhängigkeit von den USA zu verringern, aus denen bis zum Sturz Mubaraks 80 Prozent der Waffenimporte stammten, wurden die Bezugsquellen diversifiziert. Heute sind Russland sowie die EU-Länder Frankreich, Deutschland und Italien noch vor den USA die wichtigsten Waffenlieferanten, deren Interessen das Sisi-Regime geschickt gegeneinander auszuspielen weiß, um seinen regionalen Einfluss zu erhöhen und seine Macht zu zementieren.

Welche Ziele verfolgt Ägypten mit dieser massiven Aufrüstungspolitik? Wo überschneiden sich strategische Interessen der Lieferländer mit den Machterhaltungsstrategien des Sisi-Regimes? Und welche Folgen hat die Militarisierung unter Sisi für die Sicherheitsarchitektur der MENA-Region?

Isa Homann

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news-51014 Wed, 13 Sep 2023 18:06:52 +0200 Gemeinsame Sicherheit – trotz alledem! https://www.rosalux.de/publikation/id/51014 Das lange verdrängte Konzept ist die einzige Alternative zu imperialen Machtkämpfen Den Krieg bis zum Sieg des Westens in der Ukraine um den Preis des Lebens von Hunderttausenden Menschen zu eskalieren, verantwortungslos auf atomare Abschreckung als Schranke gegen eine unkontrollierte Ausweitung des Krieges zu hoffen – das darf nicht ernsthaft als taugliche Strategie gelten. Von der aggressiven Strategie Moskaus ganz zu schweigen.

In dieser Lage bietet sich den für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen engagierten Kräften an, sich auf die in den 1980er-Jahren entwickelte politische Konzeption Gemeinsamer Sicherheit zu besinnen. 

Gemeinsame Sicherheit war im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts nicht allein eine orientierende Losung, sie war eine Doktrin mit ausgearbeiteten Strukturelementen und praktischer Wirkung. Sie hat die Potenz einer Jahrhundertstrategie.

Im herrschenden gegenwärtigen Diskurs lauten dagegen die Stichworte: mehr Feindbilder, mehr Rüstung, mehr Waffenlieferungen, mehr diplomatische Abstinenz, mehr Verdächtigung aller, die zur Mäßigung aufrufen. Von einem Sicherheitskonzept, in dem der damalige Stand der Arbeit an Gemeinsamer Sicherheit den veränderten Bedingungen gemäß aufgehoben wäre, kann keine Rede sein. Kritische Intellektuelle sind zurzeit fern von einer Verständigung über ein solches Projekt. Mobilisierende Gewerkschaften und soziale Bewegungen – bei allem Respekt für die Friedensbewegung – sind weit zurück im Vergleich zu jener eine Million Amerikaner*innen, die am 12. Juni 1982 unter der Losung «No Nukes Rally» auf die Straße gingen, zu den rund 400.000 Demonstrant* innen im Bonner Hofgarten und den 50.000 Protestierenden in Berlin zur gleichen Zeit gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in West- und Ostdeutschland.

Hier wird die Auffassung vertreten, dass Gemeinsame Sicherheit noch immer die einzige Alternative zu imperialen Machtkämpfen, zum Rüstungswettlauf und auch zum Krieg in der Ukraine ist. Deshalb wird dieses Konzept, das aus der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion weitgehend verdrängt worden ist, in Erinnerung gerufen. Ihm erneut Geltung in der Politik zu verschaffen, ist eine erstrangige politische, geistige und kulturelle Herausforderung für alle humanistischen Kräfte.

Inhalt:

  • 1 Gemeinsame Sicherheit gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts – Fragen im Heute
    • 1.1 Die Kluft zu damals
    • 1.2 Gemeinsame Sicherheit und Zivilisationsprozess
    • 1.3 Gründe für Gemeinsame Sicherheit damals und heute
  • 2 Was ist Gemeinsame Sicherheit als Konzept und Politik?
    • 2.1 Gemeinsame Sicherheit als Konsequenz aus gemeinsamer Bedrohung
    • 2.2 Gegner von heute – Partner von morgen
    • 2.3 Gemeinsame Sicherheit als Prozess
    • 2.4 Ideologische Unterschiede müssen der Sicherheit untergeordnet werden
    • 2.5 Anerkennung der Friedens- und Reformfähigkeit der beteiligten Seiten
    • 2.6 Gemeinsame Sicherheit als Politik der Rüstungskontrolle und Abrüstung
    • 2.7 Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit als Element Gemeinsamer Sicherheit
    • 2.8 Kooperation als Grundelement Gemeinsamer Sicherheit
  • 3 Gemeinsame Sicherheit – ein Konzept für die globale Ebene
    • 3.1 Szenario I: Unipolarität
    • 3.2 Szenario II: Neue Bipolarität
    • 3.3 Szenario III: Multipolarität
    • 3.4 Szenario IV: Re-Nationalisierung
    • 3.5 Szenario V: Weltunordnung
  • 4 Gemeinsame Sicherheit – doppelte Transformation – moralische Revolution

Autor:

Dieter Klein, Prof. Dr. rer. oec. habil., Ökonom, war bis Ende 2012 Mitglied des Vorstands der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist Fellow (mit dem Schwerpunkt Transformationstheorie) im Institut für Gesellschaftsanalyse der Stiftung. Bis zu seiner Emeritierung 1997 hatte er den Lehrstuhl Ökonomische Grundlagen der Politik am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität inne. Er gehörte zum Projekt «Moderne Sozialismustheorie», das sich schon vor dem Ende der DDR 1989 für alternative Entwicklungswege einsetzte. Zuletzt erschien von ihm das Buch «Regulation in einer solidarischen Gesellschaft. Wie eine sozial-ökologische Transformation funktionieren könnte» im VSA-Verlag.

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news-51000 Mon, 11 Sep 2023 16:10:28 +0200 Die Vier-Tage-Woche im Vereinigten Königreich https://www.rosalux.de/publikation/id/51000 Die Ergebnisse des bislang größten Pilotprojekts weltweit Nach Jahrzehnten weitgehenden Stillstands auf dem Gebiet der Arbeitszeitpolitik hat das Thema im europäischen Ausland in den letzten Jahren wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Von Island über Großbritannien bis Spanien experimentieren immer mehr Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und öffentliche Dienststellen erfolgreich mit der Vier-Tage-Woche. Der bislang größte derartige Feldversuch fand im vergangenen Jahr in Großbritannien statt. Über 60 Unternehmen mit insgesamt rund 2.900 Beschäftigten erprobten von Juni bis Dezember 2022 eine Vier-Tage-Woche in Form des 100-80-100-Modells: 100 Prozent Bezahlung, 80 Prozent Arbeitszeit, 100 Prozent Leistung. Die wissenschaftliche Auswertung dieses Versuchs, die hiermit in deutschsprachiger Übersetzung vorliegt, zeigt den durchschlagenden Erfolg.

92 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, die Vier-Tage-Woche fortführen zu wollen, 96 Prozent der Beschäftigten befürworteten das ebenfalls. Angstzustände, Müdigkeit, Schlafprobleme und andere Burnout- Symptome gingen zurück, eine deutliche Mehrheit berichtete von einer besseren Work-Life-Balance sowie von positiven Auswirkungen auf ihr Familien- und Sozialleben.

Philipp Frey ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe «Digitale Technologien und gesellschaftlicher Wandel» am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe, Research Affiliate von Autonomy sowie Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg.

Aber auch wichtige Unternehmenskennzahlen veranschaulichen die Vorteile kürzerer Arbeitszeiten. So ist der Umsatz während des Versuchszeitraums im Großen und Ganzen gleich geblieben bzw. nach Unternehmensgröße gewichtet sogar um durchschnittlich 1,4 Prozent angestiegen – die Einführung einer Vier-Tage-Woche scheint also nicht den Unternehmenserfolg beschränkt zu haben, im Gegenteil: Die Autor*innen der vorliegenden Studie konstatieren angesichts eines leicht gestiegenen Umsatzes bei reduzierter Arbeitszeit sogar deutliche Produktivitätssteigerungen. Die Unternehmen profitierten zudem von steigenden Bewerber*innenzahlen und von einer deutlich höheren Mitarbeiter*innenbindung – die Anzahl der Kündigungen ging während des Experiments im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 57 Prozent zurück. Auch wirkten sich die längeren Erholungszeiten und das niedrigere Stresslevel günstig auf die Krankenstände aus. Die Krankheitstage gingen um zwei Drittel zurück.

Dieses rundweg positive Gesamtergebnis ist nicht zuletzt auf eine umfangreiche zweimonatige Vorbereitungsphase zurückzuführen, in der die teilnehmenden Unternehmen ihre Umsetzungsstrategien für eine Vier-Tage-Woche entwickelten. Dabei profitierten sie von der wissenschaftlichen Begleitung durch Forscher*innen des Boston College, der University of Cambridge und des Thinktanks Autonomy, die bei der Strategieentwicklung halfen und Erfahrungswerte aus anderen Unternehmen einbrachten, die die Umstellung auf kürzere Arbeitszeiten bereits vollzogen hatten.

Von zentraler Bedeutung war aber auch die Innovationskraft der Belegschaften selbst. Wie die Geschäftsführerin einer Wohnungsbaugesellschaft mit einer rund 250-köpfigen Belegschaft im Rahmen eines Forschungsinterviews bemerkte, sind alle Beschäftigten jeweils Expert*innen ihres eigenen Arbeitsalltags. Dieser inklusive Ansatz des Feldversuchs dürfte ein wesentlicher Faktor für die gestiegene Zufriedenheit der Beschäftigten bei gleichzeitig zunehmender Produktivität gewesen sein. Zudem scheint diese Herangehensweise auch zum Abbau von Ängsten vor einer Arbeitsverdichtung als möglicher Folge einer Vier-Tage-Woche beigetragen zu haben. Statt Rationalisierungsmaßnahmen von oben verordnet zu bekommen, wurden die Beschäftigten selbst zur treibenden Kraft hinter Verbesserungen in der Arbeitsorganisation. Die meisten Unternehmen und Organisationen stellten dabei ihre Arbeitsabläufe ganz grundsätzlich zur Disposition – unnötige Meetings wurden abgeschafft und die verbleibenden Treffen deutlich verkürzt, es wurde in neue Technologien investiert und Zeit innerhalb des Arbeitstags geschaffen, in der ungestört von Unterbrechungen konzentriert gearbeitet werden kann. Die Einführung einer Vier-Tage-Woche wirkte so als eine Art Katalysator für organisatorische und technische Weiterentwicklungen und setzte das ungeheure Innovationspotenzial der Beschäftigten frei.

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news-50988 Mon, 11 Sep 2023 12:24:19 +0200 50 Jahre Putsch in Chile https://www.rosalux.de/publikation/id/50988 Gemeinsame Beilage von taz Panter Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Stiftung Umverteilen 50 Jahre ist es her, dass in Chile ein von den USA unterstützter Militärputsch am 11. September 1973 der demokratisch gewählten Regierung des Sozialisten Salvador Allende ein jähes Ende setzte. Mehr als 3.000 Menschen kamen während der folgenden Diktatur (1973 – 1990) ums Leben, noch mehr wurden inhaftiert, gefoltert und ins Exil getrieben.

Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass, um zusammen mit der taz Panter Stiftung und unterstützt von der Stiftung Umverteilen an die damaligen Geschehnisse zu erinnern und zugleich zu fragen, wie die Ereignisse vor 50 Jahren die gesellschaftlichen Verhältnisse von heute beeinflussen.

Das Dossier wurde der taz vom 8.9.2023 beigelegt.

Zur Dossier-Website

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news-50939 Thu, 24 Aug 2023 14:56:00 +0200 Landtagswahlen in Hessen https://www.rosalux.de/publikation/id/50939 #Ländersache – Zur Wahl in Hessen Analyse, Dokumentation und Diskussion der Politik in den Ländern

Landespolitische Themen, Strukturen und Prozesse stehen im Fokus der Analysenreihe #Ländersache. Landtagswahlen sind immer auch Kristallisationspunkte politischer Debatten, Entwicklungen und Entscheidungen. Deswegen blicken wir im Vorfeld dieser Wahlen auf Herausforderungen und politische Chancen auf Landesebene. Wir bieten einen komprimierten und fundierten Überblick über die politische Lage vor Ort, die relevanten politischen Kräfte und Akteure innerhalb und außerhalb der Parlamente, die jüngere politische Geschichte der Region, wichtige Themen und zentrale gesellschaftliche Auseinandersetzungen. #Ländersache heißt daher: praxisnahe politische Bildung entlang politischer Prozesse, Strukturen und Themen in Institutionen und in der Gesellschaft.

Wir erkunden Veränderungs- und Gestaltungspotenzial sowie Chancen progressiver Mehrheiten – in den Parlamenten, Institutionen und in der Gesellschaft. Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland unterscheiden sich Debatten, Auseinandersetzungen und Herausforderungen auf Landesebene und zu Wahlkämpfen erheblich. Auch werden Landtagswahlen häufig unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen, der Einfluss bundespolitischer Trends und Debatten variiert daher stark.

Landtagswahlen im Bundesland Hessen haben in der Bundesrepublik oft eine besondere Bedeutung. Die Landespolitik ist von wechselnden und zuweilen unklaren Mehrheiten geprägt, der Begriff der berüchtigten «hessischen Verhältnisse» soll dies widerspiegeln. Er hat seinen Ursprung in der Situation nach den Landtagswahlen 1982. Auch im Zusammenhang mit dem misslungenen Versuch, nach der Landtagswahl 2008 eine rotgrüne Minderheitsregierung unter Tolerierung der LINKEN zu bilden, wurde der Begriff wieder bemüht. Auch ist das Land des Öfteren eine Art Labor für ungewöhnliche Regierungsbündnisse gewesen. Die erste rotgrüne Landesregierung gehört hierzu ebenso wie 2014 die erste schwarzgrüne Koalition in einem Flächenland.

Diese schwarz-grüne Koalition ist nach knapp zehn Jahren immer noch im Amt, wenn auch seit 2022 unter dem neuen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU). Zwischenzeitlich sind Bündnis 90/Die Grünen in eine SPD-geführte Bundesregierung eingetreten und ist in ganz Deutschland, so auch in Hessen, die AfD zu einem bedeutenden Faktor in der politischen Landschaft geworden. Und so stellt sich nicht nur die Frage, ob die schwarz-grüne Mehrheit verteidigt werden kann, sondern auch, ob eine Fortsetzung des Bündnisses in diesem Fall im Interesse beider Partner ist.

Andreas Thomsen, Stellvertretender Leiter des Bereichs Bundesweite Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Zum Autor

Dirk Farke ist Politologe und arbeitet als freier Journalist mit dem Schwerpunkt Ideologiekritik.

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news-50938 Thu, 24 Aug 2023 14:44:00 +0200 Aktion Stadtraum – Berlin Offene Mitte https://www.rosalux.de/publikation/id/50938 H#9 – Journal Henselmann, Beiträge zur Stadtpolitk Schon wieder ein Henselmann-Journal zur Berliner Mitte? Aufmerksame Be­­gleiter* innen unserer Stiftung werden sich erinnern. Im Sommer 2021 erschien das Journal H#5 «Stadtforum Mitte – Der Freiraum unterm Berliner Fernsehturm». Anlass war seinerzeit der Start des Wettbewerbs für dessen Umgestaltung. Endlich. Bereits 2016 hatte das Abgeordnetenhaus die Leitlinien für die Berliner Mitte beschlossen. Es brauchte danach noch erhebliche Zeit, um die Wettbewerbsanforderungen festzulegen und mit den vielen Beteiligten abzustimmen. Insbesondere die Sicherung der für die Umsetzung eines ersten Bauabschnittes notwendigen finanziellen Mittel war schwierig und langwierig. Uns und unseren Mitstreiter*innen war es zu diesem Zeitpunkt wichtig, nochmals auf die Qualitäten und Defizite dieses besonderen Ortes hinzuweisen und damit auch auf den Wettbewerb einzuwirken.


Heute, zwei Jahre später, wird aus dem Entwurf des Wettbewerbssiegers eine Planung zur Umsetzung erarbeitet. Die Stadt hat seit dem Frühjahr 2023 einen neuen Senat, der sich zur Zukunft des Freiraums lieber nicht äußert, anstatt die bekannten unterschiedlichen Sichtweisen erneut öffentlich auszutauschen. Es besteht die nicht unbegründete Sorge, dass Planung und Bau im Freiraum im Verborgenen hintertrieben werden. Dem wollen wir auch mit diesem Journal offensiv begegnen.
Und wir wollen den Blick auf die Nut­zungen, Qualitäten und Zukunftsaufgaben des Gesamtareals lenken, zu dem natürlich auch der Alexanderplatz gehört.. Für Berliner*innen und Tourist*innen sind die Grenzen eh fließend. Last but not least widmen wir uns dem 50-jährigen Jubiläum eines Großereignisses, zu dessen Beginn der Alexanderplatz und der öffentliche Raum zwischen Bahnhof ­Alexanderplatz und Spree fertig gebaut waren. Hier spielte die Musik bei den «Weltfestspielen der Jugend und Studenten» im Sommer 1973. Urlaub von der DDR – so eine Zeitzeugin – und ein Treffen Zehntausender im Zentrum Ostberlins. Das war mit Sicherheit der Beginn einer besonderen Freundschaft vieler Menschen mit dieser Offenen Mitte.

Katrin Lompscher

Inhalt

  • Showdown am Fernsehturm
    Matthias Grünzig
  • Zukunftsraum statt Rekonstruktion
    Jürgen Tietz
  • Rathaus und Marx-Engels-Forum
    Eva Stokman, Frank Sadina
  • Denkmal im Grünen
    Thomas Flierl
  • Klimastadt Berlin 2030/2040 im Herzen Berlins
    Theresa Keilhacker
  • Kunst unterm Fernsehturm
    Ute Müller-Tischler
  • Kein klares Bild, aber ein schönes Puzzle
    Kathrin Gerlof, Gisela Zimmer
  • Und dann wurde der Alexanderplatz gefegt
    Tom Strohschneider
  • Das ist ein robuster Ort
    Interview mit Ricarda Pätzold, KG
  • Das letzte Stück Mittelalter
    Interview mit Corinna Zisselberger, KG
  • Wir sind dafür da, Gefahren zu verhindern
    Michael Behrendt, GZ-KG
  • Umkämpfte Mitte
    Carola Bluhm
  • Die Berliner Mitte morgen
    Katrin Lompscher
  • Breite Straßen, keine Liebe?
    Matthias Schindler
  • Was von der Schwarz-Roten Koalition für die Stadtentwicklung und die Berliner Mitte zu erwarten Ist
    Katrin Lompscher

Visualisierungen:

  • Kunst unterm Fernsehturm
  • Rathaus und Marx-Engels-Forum
  • Sieger-Entwurf RMP, Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten
  • Weltfestspiele 1973 Annonce, Freie Welt
  • Klimastadt Berlin 2030/2040

Henselmann – Beiträge zur Stadtpolitk wird von der Hermann-Henselmann-Stiftung in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegeben.
Aktuelle Ausgabe (H#9) Redaktion: Kathrin Gerlof

Journal · 32 Seiten · Format 24×34 cm

Weitere Informationen: Hermann-Henselmann-Stiftung

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news-50931 Wed, 23 Aug 2023 10:02:21 +0200 Perspektiven der Vergesellschaftung https://www.rosalux.de/publikation/id/50931 Privatisierung und Widerstand am Universitätsklinikum Gießen-Marburg Am 31. Januar 2006 wurde das erste und bis heute einzige Universitätsklinikum in der Bundesrepublik Deutschland privatisiert. Das Land Hessen verkaufte unter der CDU-Regierung von Roland Koch in einem bundesweit einmaligen Vorgang das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) an einen börsennotierten Krankenhauskonzern, die Rhön-Klinikum AG. Der Kaufpreis betrug gerade einmal 112 Millionen Euro.

Wir sind sicher, dass wir damit ein weiteres hessisches Leuchtturmprojekt in der mittelhessischen Region schaffen.
Roland Koch, 2006

Fast zwei Jahrzehnte später scheint dieser Leuchtturm erloschen. Mehr noch: Im November 2021 forderten über 18.000 Menschen in einer beim Landtag eingereichten Petition erneut ein Ende der Privatisierung durch die Vergesellschaftung des UKGM nach Artikel 15 des Grundgesetzes. Und im April 2023 setzten die Beschäftigten des UKGM im größten Krankenhausstreik der hessischen Landesgeschichte den ersten Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungssicherung gegen einen privaten Krankenhauskonzern durch.

Die Geschichte des UKGM ist voll von solchen Auseinandersetzungen. Sie ist eine Geschichte der zahlreichen negativen Berichte über die Auswirkungen der Privatisierung, über kollektive Kündigungen ganzer Stationen aufgrund der Arbeitsbedingungen und über mehr als eine halbe Milliarde öffentlicher Gelder für einen privaten Konzern. Sie ist zugleich eine beeindruckende Geschichte davon, wie sich Menschen vor Ort für ein Uniklinikum in öffentlicher Hand und eine bedürfnisorientierte Gesundheitsversorgung organisierten, von Streiks, Demonstrationen und breiten gesellschaftlichen Bündnissen.

Im Kern ging es und geht es bei diesen Auseinandersetzungen um die grundsätzliche Frage: Soll mit der Gesundheit der Menschen Profit erwirtschaftet werden dürfen? Aus diesem Grund ist die Broschüre für alle interessant, die sich nicht nur in Mittelhessen für ein bedürfnisorientiertes, solidarisches und demokratisches Gesundheitswesen jenseits von Profiten und Konzernen starkmachen. Das UKGM ist ein Leuchtturm, der vor den Folgen der Privatisierung des Gesundheitswesens warnt. Zwei Jahrzehnte anhaltenden Widerstands dagegen sowie die von vielen unterstützte Forderung nach Vergesellschaftung und eine starke Krankenhausbewegung senden zugleich ein Licht der Hoffnung in die Republik. In der Broschüre sollen diese Erfahrungen systematisiert herausgestellt werden, damit Aktive in Krankenhausbewegungen und solche, die es werden wollen, auf dieser Grundlage strategische Entscheidungen für ihre Auseinandersetzungen treffen können.

Vor dem skizzierten Hintergrund sollen die Privatisierung des UKGM und die sozialen Kämpfe darum aus historisch-materialistischer Perspektive analysiert und bewertet werden. Historisch-materialistisch deshalb, weil die Grundlage, auf der die Auseinandersetzungen um das UKGM stattfanden und stattfinden, historisch gewachsen und gesellschaftlich bedingt ist. Die Grundlage für diese Analyse bildet die Historisch- Materialistische Politikanalyse (HMPA), wie sie im Umfeld der Forschungsgruppe «Staatsprojekt Europa« entwickelt wurde. Nach diesem Ansatz wird das UKGM als Forschungsobjekt in seiner heutigen Relevanz für die Region und darüber hinaus vorgestellt. Der Hauptteil der Arbeit besteht aus einer phasenorientierten Analyse der Auseinandersetzungen rund um die Privatisierung des UKGM, um abschließend Perspektiven zu dessen Rückführung in öffentliches Eigentum aufzeigen zu können.

Autor

Sebastian Durben ist gewerkschaftlicher Organizer und Politikwissenschaftler in der Tradition der Marburger Schule. Er hat die Beschäftigten des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) zuletzt in der Auseinandersetzung für einen Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungssicherung als Organizer begleitet und ist seit 2019 selbst Patient im UKGM. Hierüber entstand sein Engagement im Aktionsbündnis «Gemeinsam für unser Klinikum» sowie die Masterarbeit «Privatisierung und Widerstand am Universitätsklinikum Gießen-Marburg – soziale Kämpfe um Gesundheit in Mittelhessen», auf der diese Broschüre basiert.

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news-50904 Thu, 17 Aug 2023 18:21:25 +0200 Gelingende und misslingende Solidarisierungen https://www.rosalux.de/publikation/id/50904 Spontane Streiks in Westdeutschland um 1973

Der Arbeitskampf in Neuss ist einer von mehr als 300 Streiks, die die Bundesrepublik 1973 erleben durfte. Arbeitsmigrant*innen spielten bei diesen Arbeitskämpfen oft eine entscheidende Rolle.

Gün Tank

Im August 2023 jähren sich zum 50. Mal die Streiks beim Autozulieferer Pierburg in Neuss und bei Ford in Köln. Diese Streiks erregten schon damals große Aufmerksamkeit, in den folgenden Jahrzehnten erlangten sie, insbesondere im Kontext des (post-)migrantischen Aktivismus, eine geradezu ikonische Bedeutung. Ausschlaggebend dafür war sowohl ihr «inoffizieller» Charakter als auch die Tatsache, dass der Anteil der Migrant*innen an den Streikenden und Initiator*innen überproportional groß und zudem maßgeblich war.

Was macht die Faszination der vielen Streiks von 1973 aus? Wie sind sie heute aus geschichtswissenschaftlicher und aktivistischer Perspektive einzuschätzen? Welche Potenziale und Bedeutungen dieser Streiks blieben bisher unterbelichtet oder lassen sich noch freilegen? Inwieweit lässt sich produktiv daran anknüpfen?

Mit dem vorliegenden Sammelband möchten wir zum einen in knapper Form die damaligen Entwicklungen, ihre späteren Deutungen und vor allem ihre Protagonist* innen darstellen und diese Streiks auch für Menschen zugänglich machen, die sich bisher noch nicht eingehender mit ihnen befasst haben.

Zu den Herausgeber*innen

Nuria Cafaro hat Philosophie, Geschichte und Bildungswissenschaften studiert und promoviert an der Universität zu Köln über Arbeitskämpfe in Italien, Frankreich und Westdeutschland um 1968. Sie arbeitet beim Kölner Frauengeschichtsverein zur Selbstorganisation von Migrantinnen, veranstaltet Stadtrundgänge zur Geschichte der Migration von Frauen und ist in der Bildungsarbeit zur Gewerkschafts- und Migrationsgeschichte tätig. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen auf der Geschichte der italienischen Arbeiter*innenbewegung und der des migrantischen Protests in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der des Kölner FordStreiks von 1973.

Bernd Hüttner, geboren 1966, ist Politikwissenschaftler und lebt in Bremen. Er ist Referent für Zeitgeschichte und Geschichtspolitik sowie Koordinator des Gesprächskreises Geschichte der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Darüber hinaus ist er unter anderem Mitglied des Vorstands der German Labour History Association und der Redaktion von «Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien». Zu seinen Interessensgebieten gehören emanzipatorische historische Bildung, Intersektionalität, Kunstgeschichte und neue soziale Bewegungen. Website mit Publikationsverzeichnis und weiteren Informationen: www.bernd-huettner.de.

Caner Tekin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum (RUB), wo er mit Stefan Berger das von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderte Projekt «Geschichte der türkischen Migrantenorganisationen im Vergleich» leitet. Zuvor arbeitete er als Postdoktorand am Georg-Eckert-Institut für Schulbuchforschung in Braunschweig und als Lehrbeauftragter am Zentrum für Mittelmeerstudien der RUB. Er ist Autor des Buchs «Debating Turkey in Europe. Identities and Concepts», Berlin 2020, Herausgeber von Migration Letters 1/2023 und Moving the Social 65/2021 sowie (zusammen mit Stefan Berger) Mitherausgeber des Bands «History and Belonging, Representations of the Past in Contemporary European Politics», New York 2018.

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