Publikation International / Transnational - Asien Wachsende Sorgen um die Sicherheit in Vorderasien

Standpunkte 19/2007 von Hamid Ansari.

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Reihe

Standpunkte

Autor

Hamid Ansari,

Erschienen

Dezember 2007

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Vor vielen Jahren lenkte der britische Philosoph Gilbert Ryle die Aufmerksamkeit auf Formulierungen, die „in eine syntaktische Form gefasst sind, die den festgehaltenen Fakten nicht angemessen ist“. Diese Beobachtung ist für unser heutiges Thema von Bedeutung. Der Titel der Konferenz erfordert eine Definition und Eingrenzung. Eine einheitliche und von allen geteilte Wahrnehmung wäre natürlich ideal, da diese jedoch fehlt, müssen die entscheidenden Begriffe – „wachsende“ und „Sorgen um die Sicherheit“ – erklärt werden.

Die zentrale Lage ist der Fluch Vorderasiens. Ich muss wohl kaum daran erinnern, dass externe Sicherheitsbefürchtungen in Bezug auf die Region seit mehr als einem Jahrhundert bestehen. Marriott, ein britischer Gelehrter, definierte die Orientalische Frage in einer Schrift von 1917 als „das Problem, das Vakuum zu füllen, das durch das allmähliche Verschwinden des Osmanischen Reiches aus Europa entstanden ist“. Im Mai 1917 nutzten Großbritannien und Frankreich das Sykes- Picot-Abkommen, um sich „das prioritäre Recht auf Unternehmungen und lokale Kreditgeschäfte“ in bestimmten arabischen Gebieten des Osmanischen Reiches zu sichern und jedem Dritten diese Möglichkeiten auf der Arabischen Halbinsel und am Roten Meer zu verweigern. Parallel dazu enthielt die geheime Balfour- Erklärung vom November 1917 die Verpflichtung zur „Errichtung einer nationalen Heimstatt für das jüdische Volk in Palästina“. Ein Jahrzehnt zuvor, am 31. August 1907, war die anglo-russische Entente unterzeichnet worden, in der der Iran in drei Zonen aufgeteilt wurde, von denen nur eine unter iranischer Kontrolle stand. „Die Iraner“, so schrieb Prof. Nikkie Keddie, „wurden weder zum Abkommen konsultiert noch über dessen Inhalt informiert.“ Dieser Ansatz – Teilung und Besetzung – wurde im Zweiten Weltkrieg wiederholt.

Diese Erfahrungen mit externen Mächten haben unauslöschliche Spuren in den nationalen Wahrnehmungen hinterlassen.

Mit geht es, kurz gesagt, darum, zu betonen, dass „wachsende Sorgen um die Sicherheit“ nicht in einem Vakuum und nicht eindimensional betrachtet werden können; sie müssen unter sowohl internen als auch externen Aspekten und vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen der verschiedenen Gesellschaften gesehen werden. Außerdem unterscheidet sich die Wahrnehmung von Sicherheit stark innerhalb von Nationen und zwischen ihnen. Sicherheit wird nicht mehr in militärischen und nationalstaatlichen Kategorien gesehen. Nationale Sicherheit und Sicherheit eines Regimes sind nicht notwendigerweise Synonyme. Wir leben heute im Zeitalter der „Human Security“, der menschlichen Sicherheit. Verständnis kann sich deshalb nur durch ein Aufheben der Trennlinien entwickeln; Verallgemeinerungen werden nur dann möglich sein, wenn uns die Identifizierung gemeinsamer Bedrohungswahrnehmungen gelingt.

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