Der Sieg Berlusconis bei den Parlamentswahlen in Italien vom 13./14.04 2008 war nicht wirklich überraschend. In Umfragen hatte sich dieser abgezeichnet.
Was wirklich überraschte war die katastrophale Niederlage des Linksbündnisses „Die Linke - Regenbogen“, das im Vergleich zu den Wahlen 2006 sage und schreibe fast 75 % seiner Wähler verlor.
Ebenso dramatisch zu bewerten ist der Aufstieg der Lega Nord, die ihre Stimmen verdoppeln konnte.
Auch mit der rasanten Aufholjagd Walter Veltronis und seiner neu gegründeten Demokratischen Partei war nicht zu rechnen.
Wenngleich es für eine profunde Analyse der Wahlergebnisse sicherlich zu früh ist, lassen sich für diese Ergebnisse einige Ursachen benennen:
a) Primär ist die Niederlage der Linken nur vor dem Hintergrund ihrer Beteiligung an der Regierung Prodi zu verstehen. Die Bilanz dieser Regierung, die 2006 mit großen Erwartungen an die Macht gelangt war und in der die linken Parteien immerhin 150 Abgeordnete in Parlament und Senat stellten, war am Ende in der gesamten Wählerschaft sehr negativ. Trotz der vermeintlichen Stärke der Linken, blieb ihre Einflussmöglichkeit sehr begrenzt. Die Linken waren letztlich nur nützliche Mehrheitsbeschaffer und als solche auch noch erpressbar („sonst kehrt Berlusconi an die Macht zurück“). Nur so ist zu erklären, dass die Regierungspolitik von Seiten der Linken zwar immer öffentlich kritisiert wurde, sie aber aus einer Sachzwangslogik heraus diese Poltik mittrugen. Hierzu gehören beispielsweise der Militäreinsatz in Afghanistan, und die drastischen Haushaltseinsparungen. Damit nicht genug vertagte die Linke eigene Gesetzesvorhaben zu den Themen Einwanderung, Arbeitsmarkt und zu Berlusconis Medienmacht sowie zum (gegen den Einfluss der Kirche gerichteten) Gesetz zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften.
Das Resultat ist verheerend: Erstmals seit dem Ende des Faschismus wird in der kommenden Legislaturperiode nicht ein einziger kommunistischer Abgeordneter in Parlament und Senat vertreten sein. Der Versuch, nach dem Vorbild der deutschen Linkspartei ein breites linkes Bündnis zu organisieren, ist gründlich gescheitert. Erste Analysen zu Wählerverschiebungen machen deutlich, dass die Linke ca. 40% der Stimmen, die sie noch 2006 erhielt, an die Demokratische Partei von Walter Veltroni verlor, sogar 50 % sollen an Nichtwähler gegangen sein. Darüber hinaus scheint der Stimmanteil, den die Linke an drei gegeneinander antretende trotzkistische Parteien verlor, die zusammen weniger als 0,5% erreichten, eher marginal zu sein.
b) Der „Corriere della Sera“ kommentierte das Ergebnis der Wahl mit dem Titel: „Die neue Lega: Arbeiter und Angestellte“ Das gute Ergebnis der rechtspopulistischen Lega Nord, die inzwischen ihre Stimmen nicht mehr nur in ländlichen Gegenden des Nordens bekommt, sondern auch in den norditalienischen Städten (einst Hochburgen der Linken und Gewerkschaften) gute Ergebnisse erzielt ist die wirkliche Überraschung. In der Region Veneto erhielt der Kandidat der Lega sogar mehr Stimmen als der Kandidat Berlusconis. Der Vorsitzende der Lega Nord Bossi erklärte direkt nach der Wahl: „Wir sind die Partei der Arbeiter“. Inzwischen räumen sogar Gewerkschafter der einstmals so mächtigen kommunistischen Gewerkschaft CGIL ein, dass ihre Mitglieder in der Mehrzahl die Lega wählen, da diese mit ihrer Propaganda gegen Einwanderung, Kriminalität, Steuer(un)gerechtigkeit und die Bürokratie aus Rom einen klassen- und schichtenübergreifenden Konsens erzielen.
c) Einen Achtungserfolg, den man vor wenigen Wochen noch nicht für möglich gehalten hätte, erzielte Walter Veltroni mit seiner neu gegründeten Demokratischen Partei. Lange Zeit lag er in Umfragen weit hinter Berlusconis und Finis „Volk der Freiheit“. Durch das gute Ergebnis vermochte es Veltroni, seine eigene Position in der Partei zu stärken und ist, wie Berlusconi, seinem Ziel eines „Zwei-Parteien-Parlaments“ näher gekommen. Dies dürfte ihn bei der nächsten Wahl (die erfahrungsgemäß in Italien ja durchaus schnell stattfinden könnte) zu einem ernst zu nehmenden Kandidaten für das Präsidentenamt machen. Im Wahlkampf profitierte er vor allem von seiner Inszenierung als „italienischer Obama“ und von der starken Polarisierung
Die linke Tageszeitung „ il manifesto“ titelte am Tag nach der Wahl: „Außerparlamentarische Linke“. Was für einige Globalisierungskritiker positiv klingen mag, hinterlässt in einem Land, in dem die Kommunistische Partei noch vor rund 30 Jahren 34 % bei den Europawahlen errang und wirklich die stärkste Partei war, eine Leere und einen Schockzustand, der nur schwer auszuhalten sein wird.
In den nächsten Monaten sind Einschätzungen zur Überwindung dieser Krise aus Italien kaum zu erwarten. Alle Parteivorsitzenden und Verantwortlichen des „Regenbogenprojekts“ sind zurückgetreten. Das Projekt einer pluralen, neuen Partei dürfte mit dem Wahlergebnis definitiv ein Ende gefunden haben. Bis zum vorgezogenen Sonderparteitag der PRC (Rifondazione) im Juli werden alle Fraktionen nach Sündenböcken suchen, denen die Niederlage anzulasten ist. Einen Vorgeschmack auf die kommenden Debatten gab der auch in Deutschland bekannte Historiker Domenico Losurdo in einem Interview mit der Jungen Welt, in dem er Bertinotti vorwirft, nie Kommunist gewesen zu sein und das Regenbogenprojekt als antikommunistisches Projekt Bertinottis bezeichnet. Bis zum Parteitag wird der Slogan des Übergangsvorsitzenden Ferrero „Neubeginn als soziale Opposition“ gelten. Etwas anderes bleibt der italienischen Linken gegenwärtig auch nicht übrig. Non ci resta che piangere …
Literatur:
Ghedini, Rudi: Am linken Ende des Regenbogens: Italien verliert die Wahl. – In: Le Monde diplomatique (dt. Ausg.) – 11.04.08
Tondelli, Jacopo: La nuova Lega: Operai e impiegati. – In: Corriere della Sera – 16.04.08
Schumann, Gerd: “Wieder mit Hammer und Sichel”: Gespräch mit Domenico Losurdo. – In Junge welt - 19.04.08
Pizzuti, Felice: Un disastro annunciato - In: il manifesto – 19.04.08
Bartocci, Matteo: Rifondazione si rifonda su un comitato di crisi – In: il manifesto – 19.04.08
Ferrero: ripartire da opposizione sociale – In: Corriere della Sera – 20.04.08
Jens Renner: „Viele wollen retten, was nicht zu fusionieren ist“ - In: Freitag, -25.04.08