Publikation Krieg / Frieden Last Exit Afghanistan

Zur Afghanistan-Debatte der LINKEN. Fabio de Masi fordert eine Strategie für den Kriegsaustritt und eine demokratische Loya Jirga.

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Fabio De Masi,

Erschienen

September 2007

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Der Beitrag zeichnet die völkerrechtliche und politische Problematik des Afghanistan-Krieges nach. Er kommentiert die Debatte der LINKEN über die weitere Zukunft der Region. Der Autor betont die Notwendigkeit einer Strategie für den militärischen exit und die Vorbereitung einer demokratischen Loya Jirga.

Am 11. September 2001 verloren bei den Anschlägen auf das World Trade Center in New York,  das Pentagon in Arlington (Virgina) sowie bei dem Absturz einer weiteren Passagiermaschine in Pittsburgh (Pennsylvania)  tausende Menschen ihr Leben. Das Verbrechen geschah am internationalen Tag des Friedens, die United Nations (UN) beabsichtigten an diesem Tag die Eröffnung der 56. Generalversammlung in New York.

Das Terrornetzwerk Al-Qaida bekannte sich zu den Anschlägen. Der Angriff geschah ohne formelle Kriegserklärung oder eindeutige staatliche Urheberschaft. Es zeichnete sich ein bekanntes Terrormuster ab: Wenn die militärische Macht eines Landes nicht mehr verhandelbar ist, werden „weiche Ziele“ gesucht, um das Land von innen her zu destabilisieren.

Die Medien beschworen die Zeitenwende angesichts der hohen Zahl der zivilen Opfer sowie der Bilder der einstürzenden Zwillingstürme im Herzen New Yorks. Der 11. September 2001 war wie der 11. September Chiles, dem Tag des Sturzes von Salvador Allende und des Beginns der blutigen pro-westlichen Militärdiktatur Pinochets,  ein schrecklicher Tag für tausende unschuldige Menschen. Gleichwohl werden wir täglich Zeugen unermesslichen Leids auf dem afrikanischen Kontinent. Die Qualität dieses Tages war eine andere: Die Supermacht USA wurde zum ersten Mal in ihrer Geschichte in solch verheerendem Ausmaß von einem terroristischen Netzwerk auf eigenem Territorium getroffen.

Die politischen Eliten Europas und der USA brandmarkten die Anschläge als einen „Angriff auf die zivilisierte Welt“. Es wäre in den Zeiten des globalisierten Terrorismus daher richtig gewesen, die militärpolizeiliche Strafverfolgung des Verbrechens den Vereinten Nationen zu übertragen. Eine Antwort der Staatengemeinschaft hätte das Risiko vermindert, dass die Reaktionen auf den Anschlag nicht der effektiven Verfolgung des Terrorismus gelten, sondern den Missbrauch der zivilen Tragödie für die geostrategischen Interessen einzelner Regierungen ermöglichen.

Die NATO-Partner wählten unter Beteiligung der rot-grünen Bundesregierung einen anderen Weg: Unmittelbar nach den Attacken auf das World Trade Center kursierten Spekulationen und militärische Szenarien für US-Vergeltungsschläge in Afghanistan und Irak. Die frühzeitige Option Irak und die völlige Ausblendung der Verwicklung saudischer Behörden in die Visa-Erteilung für die Terroristen verdeutlicht, dass sich jene Kreise durchgesetzt hatten, deren Sorge nicht der Verfolgung der Urheber der Anschläge sondern einer außenpolitischen Agenda galt.

Es war unmöglich, dem irakischen Diktator Hussein eine terroristische Verwicklung nachzuweisen, da dieser seit jeher im islamischen Fundamentalismus eine Bedrohung seiner Macht sah. Für eine breit angelegte Militäroperation waren die USA auf internationale Unterstützung angewiesen. Angesichts unterschiedlicher Interessen, insbesondere der Rivalität zwischen den USA und Frankreich im Mittelmeer und im vorderen Orient (Schmid 2007[i]), setzte sich als Reaktion auf den 11. September zunächst ein Militärschlag gegen Afghanistan durch. Begründet wurde dieser Militärschlag mit der fehlenden Bereitschaft der historisch durch die USA und Pakistan unterstützten Taliban, gegen Al-Qaida-Trainingscamps auf afghanischem Boden vorzugehen.

Völkerrechtliche Problematik

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (SR) verabschiedete am 12. September 2001 die Resolution 1368 und verurteilte darin die Terroranschläge des Vortages als „Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit“. Dies ist eine mögliche Rechtsgrundlage für militärische Operationen auf Grundlage des Gewaltmonopols der Vereinten Nationen. Der SR forderte die Staatengemeinschaft auf, „dringend zusammenzuarbeiten, um die Täter, Drahtzieher und Förderer dieser terroristischen Anschläge vor Gericht zu bringen“, und betont, dass „diejenigen, die den Tätern, Drahtziehern und Förderern helfen, sie unterstützen oder ihnen Zuflucht gewähren, zur Rechenschaft gezogen werden.“ Der NATO-Rat beschloss darauf hin die Anschläge als Angriff auf einen Bündnispartner gemäß Artikel 5 des Washingtoner Vertrages zu werten und leitete u.a. die „Operation Enduring Freedom“ (OEF) ein. Der SR hat zwar das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Art. 51 UN Charta anerkannt. Dieses gilt jedoch nur „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“  Dies ist mit der Resolution 1373 vom 28.09.2001 geschehen, in der ein umfangreicher Maßnahmenkatalog zur Verfolgung des internationalen Terrorismus, nicht jedoch militärische Maßnahmen nach Artikel 42 UN-Charta, beschlossen wurden. Spätestens seit diesem Zeitpunkt und somit noch vor den Angriffen der USA und des Vereinigten Königreichs auf Afghanistan existierte daher keine völkerrechtliche Grundlage für OEF mehr. OEF umfasst derzeit etwa 50 000 westliche Soldaten, 23.500 davon US-Soldaten.

Die Kriegshandlungen in Afghanistan und eine erste, aber undemokratische, Loya Jirga brachten die Regierung des US-Afghanen Karzai an die Macht. Die komplementäre International Security Assistance Force (ISAF) wurde auf Ersuchen der neuen afghanischen Regierung an die internationale Gemeinschaft und mit Genehmigung durch den Weltsicherheitsrat (Resolution 1386) mandatiert. Grundlage ist Kapitel VII der UN-Charta (Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen). Der ISAF- Einsatz ist eine friedenserzwingende Maßnahme, die mittlerweile unter Führung der NATO operiert. Aufgabe der ISAF war die Unterstützung der Regierung bei der Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes in Kabul. Später wurde das Einsatzgebiet auf den Norden und sukzessive ganz Afghanistan ausgeweitet. Die ISAF umfasst derzeit etwa 40.000 Soldaten.

Der Kriegsverlauf in Afghanistan ließ weitere Zweifel an der Legitimität von OEF, etwa im Hinblick auf die Genfer Konvention sowie das ursprünglich formulierte Einsatzziel der Terrorismusverfolgung, aufkommen. Der Krieg war durch den Einsatz von Clusterbomben, Flächenbombardements, erhebliche Opfer unter der Zivilbevölkerung sowie die Errichtung eines rechtsfreien Kriegsgefangenenlagers in Guantanamo Bay (Kuba) gekennzeichnet. Erhebliche Zweifel an der Legitimität ergeben sich auch aus dem nach sechs Jahren nicht mehr ersichtlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen OEF und dem 11. September 2001. Deutschland war an diesen Aktivitäten auch unmittelbar beteiligt:  Die Eliteeinheit der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte (KSK), war in Kriegshandlungen der OEF sowie vermutlich auch in die Folterung von Kriegsgefangenen verwickelt.

ISAF hat nie von der OEF getrennt operiert. Die politisch behauptete Unterscheidung der Mandate erscheint angesichts der operativen Führung durch die NATO, die Entlastungsfunktion für OEF sowie die kürzlich vom Bundestag beschlossenen Tornado-Aufklärungsflüge zweifelhaft. Die Aufklärungsflüge dienen schließlich der Zielbestimmung und somit der Vorbereitung der OEF-Luftschläge. Die Kommandostränge sind nicht getrennt. Der OEF Kommandeur ist gleichzeitig 2. ISAF-Kommandeur. Es bedarf schon einer gespaltenen Persönlichkeit, um der Auffassung der Bundesregierung zu folgen, dass eine Nicht-Weitergabe von operativen Informationen von ISAF an OEF gewährleistet ist.  Sieht man von den Problemen der Schnittmengen zwischen ISAF und OEF ab sowie davon, dass die Regierung Karzai durch einen illegitimen Krieg ermöglicht wurde, besitzt ISAF in der Tat eine stärkere völkerrechtliche Legitimität als OEF. Dann sieht man jedoch von allem ab was ISAF derzeit kennzeichnet.

Der Tornado-Einsatz hat die Linksfraktion sowie zwei Abgeordnete der CDU/CSU zu einer Organklage beim Bundesverfassungsgericht bewegt. Kern der Klage waren Zweifel an der völkerrechtlichen Legitimität von ISAF, da die Ergebnisse der Tornado-Aufklärungsflüge durch personelle und logistische Verquickungen durch OEF genutzt würden. Das Gericht hat es jedoch abgelehnt, über die völkerrechtliche Grundlage von OEF zu urteilen. Einzelne völkerrechtliche Verstöße würden im Übrigen nicht hinreichend den Charakter des gesamten Mandats beschreiben (Bundesverfassungsgericht 2007[ii]). Zu Deutsch: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“. Eine zumindest eigentümliche Auffassung für ein Gericht.

Die Verfassungsrichter haben sich darüber hinaus bei der Legitimation der ISAF-Mission bzw. der Tornado-Aufklärungsflüge auf die Aussagen der Bundeswehr verlassen, dass eine Trennung der Operationen gewährleistet sei (Paech 2007[iii]). Ohnehin reiche eine formale Trennung aber aus, um die völkerrechtliche Legitimation von ISAF isoliert zu bewerten, auch wenn es in der Praxis zur Überschneidung von Mandaten komme (Bundesverfassungsgericht 2007).

Zusätzlich stellte das Gericht praktisch einen Blankoscheck für „out of area“ –Einsätze aus. Es bestätigte die Maxime des ehemaligen sozialdemokratischen Verteidigungsministers Peter Struck, dass die deutsche bzw. euro-atlantische Sicherheit am Hindukusch verteidigt werde. Militäreinsätze seien unabhängig von Angriffen bzw. zur dauerhaften Befriedung eines Angreifers mit der im Kosovo-Krieg erneuerten Strategie des NATO-Verteidigungsbündnisses vereinbar. Dies ist aus völkerrechtlicher Perspektive problematisch, da ein Nichtangriffsgebot im Grundgesetz sowie in den 2+4 Verträgen existiert. Letztere waren Voraussetzungen der Wiedererlangung staatlicher Souveränität durch die Bundesrepublik.

Politische Problematik

Kriege berühren neben den zivilen Opfern die Stabilität internationaler Beziehungen. Der Angriff auf Jugoslawien war nicht durch den Sicherheitsrat gebilligt und hat die Autorität der UN gegenüber den USA beim jüngsten Irak-Krieg erheblich beschädigt. Die Linke hat sich vorbehalten auch völkerrechtskonforme Kriegseinsätze politisch zu bewerten. Die Einhaltung des Völkerrechts ist demnach eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Billigung eines militärischen Angriffs.

Die OEF und die ISAF-Mission sollten daher unzweifelhaft abgelehnt werden. Sie sind völkerrechtlich zu problematisch, um irgendeine politische Legitimation zu genießen. Der Kampf gegen den Terror lässt sich nicht mit Bomben gewinnen. Die Situation in Afghanistan, etwa der ungebrochene Einfluss der Warlords bzw. Drogenbarone, ist zu komplex, um das Land militärisch zu stabilisieren. Es droht ein Vietnam am Hindukusch.

Die durch die USA eingesetzte Karzai-Regierung genießt keine Legitimität in der Bevölkerung. Die Situation der Mädchen und Frauen in Afghanistan ist mit einigen wenigen Fortschritten in der Region Kabul noch immer dramatisch. Laut einer Umfrage von Integrity Watch Afghanistan (2007) denken über 60 Prozent der Afghanen, dass die derzeitige Regierung korrupter ist als die Vorgängerregierungen der letzten zwei Jahrzehnte (Maaß 2007[iv]). Tatsächlich bewerten die Afghanen damit die Arbeit der US-Regierung. Karzai ist eine Marionette, er regiert nicht: Als der Gouverneur der Provinz Herat, Ismail Kahn, nicht genügend Steuergelder nach Kabul überwies, wurde dieser nicht von Karzai, sondern vom US-Botschafter Khalizad aus dem Amt entlassen. Khalizad erklärte vor internationaler Presse: ‚Dies ist zwar Aufgabe des Präsidenten, doch habe ich Ismail Khan gefeuert.’“ (Freitag 2007[v]). Afghanistan wird nur Frieden finden, wenn der Westen dem Land eine neue Loya Jirga ermöglicht. Es ist tabu,  dies in Deutschland zu formulieren, aber: Die Regierung Karzai ist illegitim.

Die Gewaltökonomie Afghanistans hat viele Trittbrettfahrer geschaffen, Ideologie ist dabei sekundär. Die Paschtunen stellen etwa 40 Prozent der Bevölkerung und sind damit die größte Volksgruppe des Landes. Die afghanische Armee hingegen rekrutiert sich vorwiegend aus Tadschiken. Die Taliban müssen als ein politischer Faktor wahrgenommen werden. Sie berufen sich auf einen antiquierten Islam, der seine Wurzeln in der archaischen Praxis der paschtunischen Bevölkerung hat. Die paschtunischen Dörfer bildeten ihr Rückzugsgebiet während der alliierten Offensive. Die Taliban sind nun abhängig vom Schutz der paschtunischen Regionalfürsten. Sie lassen sich daher in einen politischen Prozess integrieren, wenn dieser der Bedeutung der paschtunischen Bevölkerungsgruppe gerecht wird. Wer dies nicht akzeptieren will, nimmt den Export der Taliban nach Pakistan in Kauf. Der islamische Fundamentalismus droht dort eine bedeutende Atommacht zu destabilisieren.

Es gibt keine einfachen Lösungen für Afghanistan. Europa musste zwei Weltkriege durchleben, um Stabilität zu erlangen. Die bittere Wahrheit lautet: Die Geister, die der Afghanistan-Krieg beschwor, kehren nicht in die Flasche zurück. Die Vorstellung mancher Parlamentarier, die ihre Hand leichtfertig bei Kriegseinsätzen heben, es handele sich dabei um einen Verwaltungsakt, ist realitätsfremd. Sie ist das Gegenteil von Realpolitik.

Die Notwendigkeit einer exit-Strategie

Ein alter Leitsatz in den Internationalen Beziehungen lautet: „Ein starkes Land muss keinen Krieg führen, wer in den Krieg zieht, hat bereits ein Stück seiner Macht verloren.“ Die deutsche Außenpolitik darf sich nicht in einen sinnlosen Krieg verwickeln, dessen Verlauf sie nicht kontrollieren kann.  Dieser Krieg lässt sich nicht rechtfertigen: Weder gegenüber den Opfern, noch gegenüber den Bundeswehr-Soldaten, die ihr Leben für die politische Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung riskieren.

Ein Ausstieg ist die einzige Möglichkeit, Afghanistan wieder aufzubauen und die US-Administration zur Korrektur ihrer verfehlten Politik zu zwingen. Ein exit ist die einzige Chance, den Prozess eines abgesicherten Waffenstillstandes einzuleiten. Einen anderen Weg werden die Afghanen nicht akzeptieren, da kein Vertrauen besteht, dass die Besatzungstruppen eine gerechte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Der militärische exit ist nichts außergewöhnliches, wenn ein Land befürchtet, sich durch einen Krieg zu erschöpfen. Frankreichs Staatspräsident Sarkozy hat unlängst in seiner ersten außenpolitischen Rede den Abzug der Kriegsparteien aus dem Irak gefordert (Sarkozy 2007[vi]). Die spanische Administration hat wegen oder trotz der terroristischen Erpressung durch die Anschläge von Madrid ihre Beteiligung am Irak-Krieg aufgekündigt. Der Krieg war ohnehin falsch. Es wäre aber verheerend, wenn die Einsicht einer deutschen Bundesregierung in Bezug auf Afghanistan erst durch den Druck terroristischer Anschläge reifen würde. Niemand kann dies wollen.

Die LINKE ist gut beraten, das sofortige Ende der Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistankrieg zu fordern. Die LINKE forderte Initiativen für den zivilen Wiederaufbau des Landes. Allerdings beseitigt diese Haltung nicht die hässliche Fratze des Krieges. Wir schulden der politischen Öffentlichkeit auch ein ziviles Ausstiegsszenario. Es ist innerhalb der Bundestagsfraktion umstritten, ob es Aufgabe der LINKEN ist, vor dem Hintergrund der logistischen Verantwortung der Bundesregierung für den Kriegseinsatz sowie ihrer mangelhaften Informationspolitik die Modalitäten eines Ausstiegszenarios zu konkretisieren. Dieser Einwand ist berechtigt. Er sollte aber nicht verhindern, von der Regierung eine exit-Strategie einzufordern.

In der Auseinandersetzung mit den Befürwortern des Afghanistan-Krieges muss die Frage beantwortet werden, wie wir die Gewährleistung des zivilen Wiederaufbaus sowie die Vermeidung eines Bürgerkrieges nach Abzug der Besatzungstruppen realisieren möchten. Wir können nicht einerseits den zivilen Wiederaufbau einfordern, andererseits die beteiligten Akteure ihrem Schicksal überlassen. Wir können ebenso wenig die Tragödie des Krieges und die Leichtfertigkeit, mit der dieses Land in den Krieg eintrat, beklagen, und  andererseits einen blutigen Bürgerkrieg billigen.

Der Bürgerkrieg wird blutig, weil aufgrund der Kräfteverhältnisse weder die Aufständischen noch die gewählte afghanische Regierung ein nachhaltiges Gewaltmonopol durchsetzen können. Selbstverständlich war der Krieg falsch. Der Maßstab unserer Politik ist aber die heutige Situation der Afghanen und keine politische Selbstbefriedigung. Es ist auch nicht einzusehen, dass ein wohltemperiertes Ausstiegsszenario bzw. die Einleitung des sofortigen Abzugs im Vergleich zum Bürgerkriegsszenario negativere Auswirkungen auf die Stabilität internationaler Beziehungen hätte. Es bleibt also strategisches Kalkül, um die Forderung nach einer exit-Strategie abzulehnen. Strategisches Kalkül verbietet sich aber angesichts eines Krieges.

Die Befürchtung, dass eine exit-Strategie nicht den sofortigen Abzug der Bundeswehr sondern die Zustimmung der Linken zu Kriegseinsätzen einleitet, lässt sich nicht entkräften. Menschliche Schwäche und Opportunismus sind kein Monopol der politischen Rechten. Es geht hier jedoch nicht um die Einleitung sondern um die Beendigung eines Kriegseinsatzes. Diskussionsverbote eignen sich schlecht dafür, die Qualität unserer Debatten zu erhöhen. Man kann die Latte gar so hoch hängen, dass unser Führungspersonal bequem darunter durchläuft. Bündnis 90/Die Grünen haben völkerrechtswidrigen Kriegen trotz einer pazifistischen Grundausrichtung ihre Zustimmung erteilt. Wieso sollten Spitzenpolitiker der Linken sich an einen schlecht begründeten Konsens halten.

DIE LINKE sollte daher eine Strategie sowie eine saubere völkerrechtliche Lösung für Afghanistan diskutieren. Grundlage sind die Einleitung des Abzugs von OEF und ISAF und die Vorbereitung einer souveränen Loya Jirga. Dies würde den Afghanen signalisieren, dass sie die Geschicke ihres Landes wahrhaftig übertragen bekommen. Es obliegt dann einer von den Afghanen legitimierten Regierung, ob sie weitere Unterstützung bei der Stabilisierung des Landes durch eine UN-geführte Blauhelmtruppe ohne Beteiligung bisheriger Kriegsparteien erbittet. Falls die Afghanen eine Unterstützung der Staatengemeinschaft für notwendig erachten, sollten wir uns der politischen Unterstützung einer zeitlich befristeten Blauhelmtruppe zur Überwachung des Waffenstillstand (peace keeping) nicht entziehen. Die Afghanen können durch eine solche Debatte nur gewinnen.

Email: E-Mail Link folgtfabiodemasi@gmxpro.de

Der Autor ist Master Candidate in International Relations an der University of Cape Town (Südafrika) und ehemaliger Studienstipendiat der Rosa Luxemburg Stiftung. Er schreibt in seiner persönlichen Eigenschaft.

Quellen
 


[i] Schmid, B. (2007) Frankreichs Rückkehr in den Irak.  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26025/1.html (12.09.2007).

[iii] Paech, N. (2007) Einschätzung des Urteils zur ‚Tornado-Klage’. http://www.norman-paech.de/303.html (12.09.2007)

[iv] Maaß, C. D. (2007) ‚Afghanistan: Staatsaufbau ohne Staat’, Stiftung Wissenschaft & Politik, 4/2007, pp. 1-29.

[v] Freitag (2007) Verbrannte Erde statt blühender Landschaften. Gespräch mit Martin Baraki. [http://www.freitag.de/2007/34/07340701.php (12.09.2007).

[vi] Sarkozy, N. (2007) Rede von Staatspräsident Nicolas Sarkozy zur Eröffnung der 15. Botschafterkonferenz.  http://www.botschaft-frankreich.de/IMG/sarkozy_botschafterkonferenz.pdf (12.09.2007).Kneissl, K. (2007) ‚Geopolitik von Erdöl und Erdgas’, Vortrag 07.09. 2007 (Klausur des AK VI Internationale Politik der Fraktion Die Linke.).  

Kneissl, K. (2007) ‚Geopolitik von Erdöl und Erdgas’, Vortrag 07.09. 2007 (Klausur des AK VI Internationale Politik der Fraktion Die Linke.).