Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Arbeit / Gewerkschaften - Europa - Westeuropa - Kämpfe um Arbeit Die Krise der französischen Gewerkschaften

Warum sie im Wahljahr 2017 politisch so schwach wie selten zuvor sind

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Felix Syrovatka,

Erschienen

März 2017

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Die Bilder brennender Barrikaden gingen 2016 um die Welt: Französische GewerkschafterInnen blockierten aus Protest gegen Präsident François Hollandes Arbeitsrechtsreform Erdölraffinerien im ganzen Land. Phillipe Martinez, Chef der größten französischen Gewerkschaft CGT (Confédération générale du travail), warf einen Autoreifen auf eine brennende Barrikade – Symbol für den Konfrontationskurs der Gewerkschaften gegen die sozialistische Regierung. Bei deutschen BeobachterInnen mochten Vorstellungen von starken, militanten und wehrhaften französischen Gewerkschaften wieder aufleben, doch die Stärke und Militanz vermittelnden Bilder aus dem letzten Sommer überdeckten, wie es um die französischen Gewerkschaften wirklich bestellt ist.

Die französische Gewerkschaftsbewegung befindet sich in ihrer größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Mitgliederverlust, Zersplitterung und fundamentale Auseinandersetzungen über die strategische Orientierung haben die Gewerkschaften in der Vergangenheit enorm geschwächt. Aufgrund ihres geringen Organisationsgrads und der nur schwach ausgeprägten betrieblichen Verankerung fällt es ihnen schwer, die Interessen der Beschäftigten außerhalb von großen (ehemaligen) Staatsbetrieben und der Staatsbürokratie zu vertreten. Zugleich fehlen den Gewerkschaften Antworten auf die arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen des Landes. Ihre politischen Kämpfe sind oftmals Verteidigungskämpfe, die über ein Festhalten an bestehenden Strukturen nur selten hinausgehen. Dies hat dazu geführt, dass die Position der französischen Gewerkschaften im politischen System geschwächt ist und sie an gesellschaftlicher Gestaltungsmacht verloren haben.

Die Krise der französischen Gewerkschaften dauert nun schon viele Jahre an und ist Resultat eines langwierigen Prozesses, der eng mit den allgemeinen wirtschaftspolitischen Veränderungen in Frankreich seit den 1980er Jahren verknüpft ist.
 

Felix Syrovatka studierte Politikwissenschaften in Marburg, Rennes (Frankreich) und Berlin. Derzeit promoviert er zur europäischen Arbeitsmarktpolitik an der Universität Tübingen. Er ist zudem Autor des Buches «Die Reformpolitik Frankreichs in der Krise».