Publikation Demokratischer Sozialismus - Gesellschaftstheorie - Globalisierung - International / Transnational - Westeuropa Der Vertrag über eine EU-Verfassung und die Positionen linker Parteien

Magisterarbeit im Studiengang Politikwissenschaften

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Sascha Wagener,

Erschienen

Februar 2006

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Magisterarbeit im Studiengang Politikwissenschaften (2006)


Inhaltsverzeichnis

Einleitender Teil

    1. Relevanz des Themas
    2. Grundlagen der Arbeit
    3. Aufbau und Vorgehensweise
    4. Einige begriffliche Bestimmungen

I. Die linken Parteien und die europäische Ebene

    1. Entwicklung und Kooperation linker Parteien in Europa
        a) Der „Eurokommunismus“
        b) Die Fraktion der „Kommunisten und Nahestehenden“
        c) Das „Forum der Neuen Europäischen Linken“
        d) Die Fraktion GUE/NG
        e) Die „Europäische Linkspartei“
        f) Weitere Kooperationsformen

    2. Tabellarischer Überblick der Kooperationsformen

    3. Der Umgang mit dem Europäischen Verfassungsvertrag
        a) Die Haltung der linken Parteien im Europäischen Konvent
        b) Die Haltung der linken Parteien im Europäischen Parlament
        c) Die Haltung der „Europäischen Linkspartei“

II. Die linken Parteien und die Europäische Verfassung

    1. Beschreibung der Parteien und Positionen
        a) Die „Partei der Kommunistischen Neugründung“ aus Italien
        b) „Die Linkspartei.PDS“ aus Deutschland
        c) Die „Französische Kommunistische Partei“
        d) Die „Partei der italienischen Kommunisten“
        e) Die „Vereinigte Linke“ aus Spanien
        f) Die „Kommunistische Partei Griechenlands“
        g) Die „Kommunistische Partei Böhmens und Mährens“
        h) „Sinn Féin“ aus Irland
        i) Die „Sozialistische Partei“ aus den Niederlanden
        j) Die „Linkspartei“ aus Schweden
        k) Die „Kommunistische Partei Portugals“
        l) „Synaspismos“ aus Griechenland
        m) Der „Linksblock“ aus Portugal
        n) Die „Linksallianz“ aus Finnland
        o) Die „Sozialistische Volkspartei“ aus Dänemark
        p) Die „Einheitsliste/die Rot-Grünen“ und die „Volksbewegung gegen die EU“ aus Dänemark
        q) Die „Progressive Partei des Werktätigen Volkes“ aus Zypern

    2. Tabellarischer Überblick der Positionen

III. Schlussteil: Abschließende Bewertung

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

    1. Aufsätze, Aufsatzsammlungen, Handbücher, Zeitungsartikel
    2. Dokumente nationaler und europäischer Institutionen
    3. Parteidokumente und Redebeiträge ihrer Akteure
    4. Tageszeitungen und Interview

Einleitender Teil
Diese Arbeit untersucht die Positionen der Parteien, die im Europäischen Parlament der „Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“ (GUE/NGL) angehören, zum Vertrag über eine Verfassung für Europa.

1. Relevanz des Themas
„Europa am Scheideweg“, überschrieben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den ersten Abschnitt der „Erklärung von Laeken“ am 14./15. Dezember 2001. Sie riefen dazu auf, eine „europäische Öffentlichkeit“ zu schaffen und setzten einen Konvent zur Zukunft Europas ein.  Im Ergebnis entstand der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“. Der Konvent präsentierte das Ergebnis seiner Arbeit am 13. Juni und 10. Juli 2003. Am 29. Oktober 2004 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs den von ihnen leicht veränderten Verfassungsentwurf. Das Ratifizierungsverfahren begann.
Die linken Parteien müssen sich auf nationaler und auf europäischer Ebene zur Idee einer Europäischen Verfassung und zu diesem Vertrag verhalten. Seit Jahrzehnten streiten sie über die europäische Integration. Erst in den letzten Jahren entstanden gemeinsame politische Initiativen, wurden die „Europäische Linkspartei“ und die „Nordisch Grün-Linke Allianz“ gegründet. Mit dem Europäischen Verfassungsvertrag stehen die linken Parteien vor einer Nagelprobe. Sind sie in dieser wichtigen europapolitischen Debatte als „vereinte“ Kraft erkennbar? Oder zerstreiten sie sich in einem Maße, dass weitere Vernetzungsbestrebungen eher sinnentleert sind?

2. Grundlagen der Arbeit
Die linken Parteien interessierten in den zurückliegenden Jahren nicht besonders. Ein großer Teil der Literatur stammt aufgrund des publizistischen Interesses am „Eurokommunismus“ aus der zweiten Hälfte der siebziger Jahre.  Wissenschaftliche Aufbereitungen widmen sich eher dem Phänomen des prognostizierten Niedergangs der Linken als ihren inhaltlichen Positionen.
Im ersten Kapitel steht die europäische Ebene im Vordergrund. Auf dieser bringen die linken Parteien ihre Haltung zum Verfassungsvertrag in Form gemeinsamer Aufrufe oder durch das Stimmverhalten ihrer Europaabgeordneten zum Ausdruck. Als Grundlage werte ich die Literatur der vergleichenden Parteienforschung, die Veröffentlichungen der transnationalen Netzwerke der Linken und die Abstimmungsprotokolle des Europäischen Parlaments aus.
Das zweite Kapitel widmet sich den Positionen der einzelnen Parteien. Als empirische Basis dienen Parteitagsbeschlüsse und -dokumentationen, Vorstandsbeschlüsse, Pressemitteilungen, Redebeiträge auf Konferenzen, im nationalen oder im europäischen Parlament. Zur Beschreibung des Kontextes, in dem jede Partei wirkt, wurde auf Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften und in der tagespolitischen Presse, auf die Veröffentlichungen parteinaher Stiftungen und auf Parteienlexika zurückgegriffen.
Anfangs vielversprechend, letzten Endes nicht weiterführend, waren die Ergebnisse der bestehenden Programmforschung. Die „Manifesto Research Group“ und ihr Nachfolger, das „Comparative Manifestos Project“ werten seit Jahren tausende von Wahlprogrammen aus der ganzen Welt aus. Einen guten Überblick der Ergebnisse in Bezug auf die linken Parteien bietet Andrea Volkens. Sie listet elf der von mir untersuchten Parteien auf. Dabei kommt sie zu Ergebnissen, die in vielen Fällen ein falsches Bild vermitteln. Beispielsweise hält sie die „Portugiesische Kommunistische Partei“ für integrationsfreudiger als die spanische „Vereinigte Linke“.  Wahrscheinlich besteht das Grundproblem der vergleichenden Programmforschung im primär nationalen Umfeld selbst europäischer Wahlprogramme. Sie sind nach Hans-Dieter Klingemann das „Wettbewerbsinstrument“ zwischen den Parteien.  Der Europäische Verfassungsvertrag hingegen ist Gegenstand einer transnationalen Debatte. In diesem spezifischen Punkt sind die Wahlprogramme vergleichbar. Sie bilden aber nur einen Teil des empirischen Materials und müssen eingebettet in die langfristigen strategischen Überlegungen der Parteien betrachtet werden.
Diese Arbeit thematisiert nicht den Wert oder die Substanz der Positionen der linken Parteien. Deshalb werden sie auch nur in den Fällen diskutiert, in denen ein innerparteilicher Dissens laut hörbar war. Die Problemstellung des Verfassungsvertrags erscheint mir als zu komplex, als dass sich die Gesamtheit der befürwortenden oder ablehnenden Positionen mit „richtig“ oder „falsch“ werten ließe.
Schließlich seien als Grundlagen die beiden Faktoren gewürdigt, die die Bearbeitung des vorliegenden Themas überhaupt erst ermöglicht haben. Ohne den Europäischen Verfassungsvertrag selber hätte es keine transnationale Debatte gegeben, die die Positionen der linken Parteien vergleichbar machte. Ohne die Tiefen des Internets wäre ein Grossteil der empirischen Materialien nicht so zeitnah zu beschaffen gewesen. Entsprechenden Raum nehmen die Internetquellen ein. Der Vermerk „abgerufen am“ begleitet die Links zu Dokumenten, die nicht in schriftlicher Form vorliegen.

3. Aufbau und Vorgehensweise
Die Entscheidung, die in der Fraktion GUE/NGL direkt oder assoziiert vertretenen Parteien in den Mittelpunkt meiner Arbeit zu stellen, beruht auf drei Überlegungen. Erstens ergibt sie sich aus der parlamentarischen Funktion von Parteien. Sind diese nicht im Europäischen Parlament vertreten, können sie die Verfassungsdiskussion auf einer wesentlichen Ebene des politischen Systems der Europäischen Union kaum verfolgen und nicht beeinflussen. Zweitens bleibt die Rolle der transnationalen Netzwerke oder Kooperationsformen im Prozess der europäischen Integration unbestimmt. Die Fraktion dagegen erfüllt klar zugewiesene Funktionen und ist ein Teil dieses Prozesses. Ihre Mitglieder müssen sich zur Verfassung verhalten. Drittens umfasst die Fraktion als aus pragmatischen Gründen zusammengekommene, parlamentarische Gruppe die ganze Breite an linken Positionen zur europäischen Integration. Eine transnationale Partei wie die „Europäische Linkspartei“ ist in ihrer ideologischen Kohärenz ausgeprägter und würde ein weniger breites Untersuchungsfeld bieten. 
Das erste Kapitel vergleicht Entwicklung und Agieren der linken Parteien auf europäischer Ebene. Anhand der eurokommunistischen Debatten in den siebziger und achtziger Jahren wird der grundsätzliche Konflikt um die europäische Integration herausgearbeitet. Die Entwicklung der Kooperation der linken Parteien und der gemeinsamen Fraktion werden dargestellt. Die Betrachtung des Verhaltens der Linken im Europäischen Konvent und im Europäischen Parlament soll Aufschluss über Einmütigkeit, Gegenüberstellung oder Unschlüssigkeit der Positionen der linken Parteien geben. Schließlich wird der Umgang der „Europäischen Linkspartei“ mit dem Verfassungsvertrag beschrieben.
Im zweiten Kapitel werden die 17 Parteien der Fraktion GUE/NGL vorgestellt.  Dazu wird auf deskriptive Art jeweils in einem ersten Abschnitt auf Entwicklung, Programm und Verankerung, in einem zweiten Abschnitt auf die Haltung zur Globalisierung und zur europäischen Integration und in einem dritten Abschnitt auf die Positionen zum Europäischen Verfassungsvertrag eingegangen.
Die gewonnenen Erkenntnisse fließen im Schlussteil zusammen. Hier wird versucht, die linken Parteien nach dem Grad ihrer befürwortenden oder ablehnenden Positionen zum Vertrag über eine EU-Verfassung einzuordnen.

4. Einige begriffliche Bestimmungen
Das auslösende Moment der europäischen Integration ist nach Ernst Kuper der Zusammenbruch des europäischen Staatensystems im Zweiten Weltkrieg. Die engere Kooperation habe sich ergeben, da keine Wege zur Problemlösung innerhalb des Nationalstaats mehr offen standen. Dabei sei eine föderative Integrationspolitik „auf die Schaffung gemeinsamer Institutionen gerichtet, die geeignet sind, die Politik im übertragenen Bereich mit Autorität gegenüber den teilnehmen Staaten und Gesellschaften zu leiten. Sie sieht diese als administrativen Kern der entstehenden Föderation an, welche durch Übertragung zentraler Staatsaufgaben an diese gemeinsamen Institutionen aufzubauen ist“. 
Der Vertrag über eine Verfassung für Europa ordnet sich in diese föderative Integrationspolitik ein. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sich die vorliegende Arbeit nicht der Diskussion um den legitimatorischen Unterschied einer Europäischen Verfassung und eines Europäischen Vertrags widmet. Diese Begriffe, ebenso wie Verfassungsvertrag oder Verfassungsentwurf, werden von mir in stilistischem Wechsel gebraucht.
Die Parteien, die im Europäischen Parlament der Fraktion GUE/NGL angehören, entstammen fast ausnahmslos einer kommunistischen Tradition. Vor 1989 wurde dies auch in der Namensgebung der Fraktion COM (Kommunisten) deutlich. Ich bezeichne sie in den Abschnitten, die den Zeitraum vor 1989 betreffen, als kommunistische, in der Folge als linke Parteien, Linksparteien oder Linke. Auf wertende Begriffe wie orthodox und dogmatisch oder reformorientiert und pragmatisch habe ich weitgehend verzichtet. Selbstverständlich bin ich mir einer möglichen Verwechslung mit den ebenfalls linken Parteien in den Fraktionen von Sozialdemokraten und Grünen im Europäischen Parlament bewusst. Diese werden daher in der vorliegenden Arbeit immer beim Namen genannt und nicht verkürzt als links bezeichnet.
Das Vokabular der linken Parteien mag dem Leser nicht immer so vertraut sein. Es würde jeden Rahmen sprengen, nach Definitionen für Sozialismus, Kapitalismus und Kommunismus, soziale und neoliberale Marktwirtschaft, Globalisierung und Globalisierungskritik, soziale Bewegungen und Arbeiterklasse zu suchen. Eine solche Aufgabe wäre für diese Arbeit auch nicht besonders lohnend, da die Begriffe in jeder Partei und in jedem Land ein wenig anders besetzt sind. Sie ergeben sich in den nachfolgenden Ausführungen aus dem Kontext oder sind zwischen Anführungszeichen gesetzt.
Nur drei Begriffsbestimmungen gehören dennoch geklärt. Eurokommunismus ist als publizistischer Begriff in der Mitte der siebziger Jahre verwendet und vom Vorsitzenden der spanischen Kommunisten, Santiago Carrillo, aufgegriffen worden. Demgegenüber war das von Moskau verwendete Schlagwort des real existierenden Sozialismus als Gegenbegriff gedacht, um die programmatisch-politischen Neuerungen der Eurokommunisten als bestenfalls utopisch hinzustellen.  Mit den Themen der Neuen Linken sind die Politikinhalte gemeint, die vor allem im Laufe der siebziger Jahre in die Diskurse eingeflossen sind, z.B. emanzipatorische, basisdemokratische oder ökologische Ansätze.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass mit der Entscheidung, weder geschlechterneutrale Sprachformulierungen im Fliesstext, noch dänische Sonderzeichen im Literaturverzeichnis zu verwenden, keinerlei diskriminierende Absichten einhergehen.

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