Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung Was heißt Zurückdrängen der Profitdominanz?

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Erschienen

März 2005

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In ihrem Parteiprogramm stellt sich die PDS der zentralen Aufgabe, die Profitdominanz zurückzudrängen und schließlich zu überwinden, ohne freilich näher darauf einzugehen, wie sich diese Dominanz heute Geltung verschafft. Vielleicht auch deshalb, hat es um diese Formulierung zahlreiche Debatten gegeben und nicht wenige Missverständnisse gegeben. Nimmt man die Formulierung zum Beispiel all zu wörtlich, dann kann man zu einer Vorstellung kommen, in der das Profitprinzip aus immer mehr gesellschaftlichen Bereichen verdrängt wird, um in diesen gewissermaßen „befreiten Provinzen“ andere Prinzipien durchzusetzen. Das ist natürlich eine all zu mechanistische Vorstellung, mit der nicht nur Illusionen geweckt werden, sondern die auch an den eigentlichen Aufgaben vorbei gehen würde. Die Überwindung der Profitdominanz kann nicht jenseits der Profitwirtschaft, etwa durch den Aufbau externer Alternativen stattfinden, sondern muss sich auf die schwierige Aufgabe der internen Umgestaltung kapitalistischer Ökonomie einlassen. Man könnte es auch als Umbau einer laufenden Maschine bezeichnen, in der nach und nach neue Regelmechanismen eingebaut und bestimmte Funktionen ausgeschaltet werden. Dabei lassen wir uns von der Vorstellung leiten, dass der Kapitalismus bereits die wichtigsten Voraussetzungen für die sozialistische Alternative in sich trägt und der Sozialismus nicht mehr ist, als eine zwar radikale aber längst schon im Kapitalismus angelegte Weiterentwicklung des Bestehenden. In der etwas schlichteren Lesart des Marxismus wurde diese „Weiterentwicklung“ ausschließlich auf die Produktivkräfte, oder genauer gesagt, auf die technischen Produktivkräfte bezogen. Dass der Kapitalismus außer der modernen Technik auch fortschrittliche gesellschaftliche Funktionen mit sich bringt, ist dabei fast immer übergangen worden.

Die entscheidende Frage ist dann aber, was eigentlich zurückgedrängt werden muss. Mit Sicherheit nicht die effiziente Wertschöpfung, auch nicht die Erhöhung der Arbeitsproduktivität und erst recht nicht die Verteilung nach Leistung, denn das alles sind menschheitsgeschichtliche Fortschritte, die der Kapitalismus übrigens im gleichen Maße außer Kraft setzt, wie er sie zu seinen Grundprinzipien erklärt. Es käme also darauf an, die positiven Funktionen der kapitalistischen Ökonomie nach und nach von ihren konkreten Deformationen zu befreien. Ich will dazu drei heute besonders aktuelle Deformationen herausgreifen.

Die erste Deformation betrifft die Tendenz zur Überakkumulation von Kapital, die nicht aus der Maßlosigkeit der Kapitalisten geboren wird, sondern aus der Logik der kapitalistischen Vernichtungskonkurrenz, denn das Kapital nährt sich nicht nur aus der Enteignung der lebendigen Arbeit, sondern aus der Enteignung anderer Kapitale. Und dies um so mehr, je größer die Masse des renditehungrigen Kapital und desto kleiner die kauffähige Nachfrage der Massen. In der globalisierten Wirtschaft tritt dieses überakkumulierte Kapital nicht nur durch unausgelastete Produktionskapazitäten, sondern vor allem durch gewaltige Finanzmassen in Erscheinung, die wie Heuschreckenschwärme über profitträchtige Märkte herfallen und die sie eben so schnell wieder verlassen, um sich nach ihrem Raubfraß auf andere Opfer zu stürzen. Wir brauchen also Regelmechanismen, die die Raubzüge der Finanzströme eindämmen und wir benötigen vor allem Umverteilungsmechanismen zum Abbau überschüssigen Kapitals.

Die zweite Deformation betrifft die Rücksichtslosigkeit der kapitalistischen Akkumulation gegenüber ihren natürlichen Voraussetzungen: Der Natur und der menschlichen Arbeit. In seiner betriebswirtschaftlich eingeengten Logik geht das einzelne Kapital mit den eingekauften Ressourcen äußerst sparsam um, aber es betreibt hemmungslosen Raubbau mit allem was es sich kostenlos aneignen kann. Es käme also darauf an, das Kostenbewusstsein und die Nachhaltigkeit, mit der das Kapital seine eigenen Ressourcen pflegt, auf alle Güter auszudehnen, die das Leben auf diesem Globus möglich machen.

Die dritte Deformation betrifft die Tendenz des Kapitals alles zur Ware zu machen, auch wenn das, was da als Ware gehandelt wird, keine Wareneigenschaften hat. Das ist natürlich in erster Linie der Mensch selbst, aber auch alles andere, was die kapitalistische Produktion nicht selber herstellen kann. Das ist zum Beispiel die Natur, die menschliche Kultur oder die Fülle der zivilisatorischen Errungenschaften, die nicht als Tauschobjekt, sondern als sinnvolle Einrichtungen gesellschaftlicher Daseinsvorsorge geschaffen wurden.

Alle drei Deformationen sind logische aber nicht zwingende Erscheinungen der Moderne. Sie entspringen aus menschheitsgeschichtlichen Fortschritten, die durch Vereinseitigung und Verabsolutierung entstehen. Marx hat einmal dazu gesagt, dass im Kapitalismus jedes Ding mit seinem Gegenteil schwanger geht. Also gehen auch die kapitalistischen Prinzipen mit ihrem Gegenteil schwanger, weshalb man sie nicht schlichtweg zurückdrängen, sondern von ihren Vereinseitigungen und Verabsolutierungen befreien muss. Vielleicht lohnt es sich, das zwar alltäglich eingängige aber irreführende „Zurückdrängen“ und „Überwinden“ durch das ebenso alltägliche aber theoretisch inhaltsreiche Wort„Aufheben“ zu ersetzen.