Publikation International / Transnational - Europa Polens Linke vor den Wahlen

Obwohl eine konservative Mehrheit erwartet wird, erholt sich die seit 2003 kriselnde SLD wieder. 10 Tage vor den Parlamentswahlen aktualisiert Holger Politt seine Analyse zur Situation in Polen.

Information

Reihe

Online-Publ.

Autor

Holger Politt,

Erschienen

September 2005

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Nur online verfügbar

(mit Übersicht zu einzelnen Parteien)

Stand 14. September 2005

Am 25. September wählen die Bürger Polens das neue Parlament, zwei Wochen später findet die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Aktuelle Umfragen zeigen den politischen Wechselwillen der Wählerschaft an. Das deutliche Zwischenhoch der lange Zeit vollkommen in den Keller abgerutschten größten Regierungspartei SLD ist spürbar abgeflacht. Unterdessen ist von der anderen politischen Seite her wieder Bewegung in das Stimmungsbarometer gekommen. Die beiden sich konservativ verstehenden Rechtsparteien PO und PiS können zusammengenommen augenblicklich sogar mit einer Zweidrittelmehrheit rechnen, für die nach Ansichten der Wahlforscher vor allem der vor einigen Wochen kaum vorhersehbare kräftige Stimmungsaufschwung des Präsidentschaftskandidaten der PO (Donald Tusk) sorgt. Insofern hat die zeitnah stattfindende Präsidentschaftswahl für den Ausgang der politisch wichtigeren Parlamentswahlen wieder entscheidende Bedeutung bekommen.

Parlamentswahlen:

Gewählt werden zwei Kammern: Sejm (Unterhaus) und Senat (Oberhaus). In den 100-köpfigen Senat ziehen jeweils die Kandidaten mit den meisten Stimmen in den einzelnen Wahlkreisen ein, weshalb hier Absprachen innerhalb der politischen Lager keine Seltenheit sind. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die linken politischen Kräften bei den Wahlen zum Senat sich unter der Formel „Lewica razem“ (Die Linke zusammen) auf einen gemeinsamen Start jeweils nur eines Kandidaten pro Wahlkreis einigen könnten.
Anders sieht es bei den politisch sehr viel wichtigeren Wahlen für den Sejm aus. Hier treten Parteilisten (5%-Hürde) oder Listen von Parteienbündnissen (8%-Hürde) an. Aus dem linken Spektrum werden drei Listen antreten: die SLD, die SdPl und die PPP. Alle drei Parteien haben ihre Listen für Kandidaten anderer Parteien geöffnet, ohne dass dabei aber an Parteienbündnisse gedacht ist, wie etwa die SLD bis zur Parteigründung 1999 oder die SLD-UP im Jahre 2001. Die dann obligatorische 8%-Hürde schreckt alle ab. Die SLD kooperiert mit der UL, mit kleineren Parteien der politischen Mitte und mit der Gewerkschaftszentrale OPZZ. Die SdPl hat als erste klare Wahlaussagen getroffen und marschiert zusammen mit der UP und Zieloni2004 in Richtung Wahlurnen. Ein Erfolg der PPP-Liste ist durchaus fraglich, auch wenn das angekündigte Zusammengehen mit der PPS, der APP „Racja“ und der KPP erfolgreich umgesetzt wurde.
Polens politische Linke leidet noch immer unter der tiefen politischen Krise, in die sie seit 2002/03 geraten ist. Wie immer man die Haltung der polnischen Linken in den zurückliegenden 15 Jahren auch bewerten mag, sie bestach in den Augen der Anhänger wie politischen Gegner vor allem durch ihre demonstrierte Einigkeit, die vor allem ein Zusammenrücken vor dem politischen Gegner auf der rechten Seite war. Programmatisch wurde da vieles vertagt oder gar ganz beiseite geschoben, was vor allem nach dem haushohen Sieg bei den Parlamentswahlen 2001 (SLD-UP über 41%) sich zu rächen begann. Allheilmittel gegen die dramatische soziale Situation im Lande sollten nach Ansicht der als moderne Sozialdemokraten sich zu begreifen versuchenden Miller-Truppe ein hohes Wirtschaftswachstum und der EU-Beitritt sein. Die Regierungsarbeit aber führte das gesamte SLD-UP-Lager in die berühmt-berüchtigte TINA-Situation hinein. Gegenwehr ergab sich erst spät und immer nur vereinzelt. Das mag mit dem EU-Beitritt zusammenhängen, für den Polens Linke manches Opfer bringen musste – etwa „gesunde“ Haushaltsdisziplin und atmosphärisches Stillhalteabkommen mit der katholischen Kirche in sittlichen Grundsatzfragen. Zu einem programmatisch verstandenen Aufbruch und der Suche nach Alternativen kam es dann tatsächlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2004 und Anfang 2005. Dass davon einstweilen wenig zu spüren ist, hängt mit der spezifischen politischen Situation im Lande vor den jetzigen Wahlen zusammen. Zusammenfassend könnte gesagt werden, dass es den politischen Kräften, die wesentlich für die strategische Orientierung nach 2001 verantwortlich waren, noch einmal gelungen ist, das linke politische Lager zu domestizieren. Der damit erhoffte landesweite und bis zu den Wahlen haltende Aufbruch ist nach einem kurzen, aber kräftigen Zwischenhoch in den ersten beiden Sommermonaten ausgeblieben. Die politische Linke Polens wird sich nach den Wahlen mit einer vergleichsweise bescheidenen parlamentarischen Oppositionsrolle abfinden müssen.
Im rechten politischen Lager waren lange Zeit drei politische Kräfte tonangebend – die sich als maßvoll konservativ verstehende Bürgerplattform PO, die als Partei der Ordnung (Recht und Gerechtigkeit) auftretende PiS und die national-katholisch geprägte LPR (Liga der Polnischen Familien). Mittlerweile ist die LPR in den Umfragen weit hinter den anderen zurückgefallen (etwa 8-10%). Laut Umfragen dürfen die anderen beiden Parteien indes mit einer komfortablen koalitionsfähigen Mehrheit rechnen. Die zusammenhaltende Klammer dürfte das bereits Anfang des Jahres geborene Konzept sein, die Wähler mit einem Programm der „moralischen Gesundung“ der Gesellschaft zu beglücken. Eine IV. Republik solle an die Stelle der III. (Kwaśniewski-)Republik treten. Politischen Kräften, die durch die Abmachungen des Runden Tisches von 1989 in eine bevorzugte Position geraten seien und sich oftmals und auf Kosten der übrigen Gesellschaft schamlos bereichert hätten, müssten nunmehr von der politischen Bühne verschwinden. Insonderheit bezieht sich dieser Wunsch auf alle „postkommunistischen“ Strukturen und Persönlichkeiten. Ein nicht ungefährliches politisches Unterfangen, gefährlich vor allem für die politische Stabilität des Landes. Der steigende Zuspruch in den Umfragen in diesem Frühjahr ließ das rechte Lager zeitig hoffen.
Präsident Aleksander Kwaśniewski machte den Kampf um Schadensbegrenzung aus Sicht der Verteidiger der III. Republik zur Chefsache und hat mittlerweile wohl alles verloren. Drei Eisen hatte er im Feuer. Zunächst unterstützte er beizeiten die Geburt eines neuen (alten) politischen Projekts. Das seit Jahren dahindümpelnde politische Flaggschiff der Liberalen in Polen, die UW (Freiheitsunion) wurde aufgetakelt und als Demokratische Partei (PD) neu ins Rennen geschickt. Mit an Bord nun prominente ehemalige Regierungslinke (z. B. der ehemalige Wirtschaftsminister Jerzy Hauser und der aktuelle Ministerpräsident Marek Belka), die vor allem mithelfen sollten, den Wählerzuspruch zu erweitern. Diese hatten nur einen einzigen Makel: Sie waren zumeist PVAP-Mitglieder. Auch hier versalzte Moral alsbald die Suppe. Der erhoffte Wählerzuspruch aus der Mitte heraus blieb aus und das Planspiel, die als moderat aufgefassten Konservativen der PO in einer Koalition mit der PD zu binden, platzte vorschnell. Des Präsidenten nächstes Eisen zog zunächst besser. Er besann sich seiner besonderen Verbindungen zur SLD und drückte auf Tempo. Personalveränderungen müssten deutlich vorankommen und dem Wählvolk signalisieren, dass in der SLD endlich aufgeräumt werde. Angesichts der von rechter politischer Seite lautstark proklamierten Notwendigkeit einer „Gesundung“ müsste aller ideologisch-programmatischer Streit der letzten Monate zurücktreten. Ziel müsse es sein, den Durchmarsch der „Gesundungs“-Parteien mit satter Mehrheit im Sejm und Präsidentenamt zu verhindern. Genau diese Botschaft schien zu wirken und verschaffte der unter in der linken Wählerschaft so in Misskredit geratenen SLD ein kräftiges Zwischenhoch. Was davon geblieben ist, wird endgültig der Wahlsonntag zeigen. Augenblicklich verheißen die Umfragen für die stärkste politische Linkskraft Werte von unter 10%.
Das dritte und letzte Eisen nun führt direkt zu den Präsidentschaftswahlen über. Doch auch hier ist das Kalkül aus dem Lager des amtierenden Präsidenten nicht aufgegangen.

Präsidentschaftswahlen

In Polen wird der Präsident direkt gewählt. Sollte es in der ersten Runde keinen Kandidaten geben, der die absolute Mehrheit gewonnen hat, kommt es zur Stichwahl.
Von linker Seite traten drei Kandidaten an: Marek Borowski (SdPl), der seinen Mantel als erster in den Ring geworfen hat, Włodzimierz Cimoszewicz (SLD), der erst in letzter Minute und auf Drängen des amtierenden Präsidenten seine Kandidatur verkündete, und Maria Szyszkowska, die als unabhängige, parteilose und pazifistische Kandidatin sich verstand. Alle drei sind weithin bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Polen. Borowski war von 2001-2004 Sejm-Marschall und wurde zudem bekannt durch seinen im Frühjahr erfolgten Auszug aus der SLD und der Neugründung SdPl. Cimoszewicz war 1995-1997 Ministerpräsident, von 2001-2005 Außenminister und ist seit Anfang 2005 Sejm-Marschall. Szyszkowska ist seit 2001 Senatorin und bekannt für ihr engagiertes öffentliches Eintreten etwa für die Rechte von Minderheitengruppen. Sie trat Ende 2004 aus der SLD aus. Im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen verurteilt sie von Anfang an den Irak-Krieg und insbesondere Polens Engagement an der Seite der US-Armee, hält die angespannte soziale Situation in Polen für einen ausgemachten politischen Skandal der sogenannten Transformationszeit.
Laut Umfragen hatte nur Cimoszewicz reale Aussichten auf das Erreichen der zweiten Runde. Borowski liegt weit abgeschlagen zurück, Szyszkowska ist mittlerweile ausgestiegen. Mitte September warf Cimoszewicz nach eher enttäuschenden Umfragewerten das Handtuch. Damit schein alles auf einen Zweikampf zwischen Warschaus Stadtpräsidenten Lech Kaczyński (PiS) und dem PO-Vertreter Donald Tusk hinauszulaufen. Letzterer aber führt die aktuellen Umfragen seit geraumer Zeit so deutlich an, dass sogar ein Wahlsieg in der ersten Runde nicht ausgeschlossen werden kann. Kaczyński stilisierte den Wahlkampf ganz als dramatische Auseinandersetzung zwischen dem moralischen Ethos-Lager („Solidarność“) und den Postkommunisten hoch. Diese Maskerade funktionierte ganz gut, wird aber nach dem Ausscheiden Cimoszewicz´ deutlich an Wirkung verlieren. Da scheint Kandidat Tusk vielen durchaus als moderate, sogar vernünftige Alternative. Kwaśniewskis Manöver der vordergründigen Ausrichtung der politischen Linkskräfte in Polen hin zum bloßen Verteidiger der als III. sich verstehenden Republik ist – so oder so – gescheitert.

politische Parteien, die sich der Linken zurechnen

SLD (Sojusz Lewicy Demokratycznej; Demokratisches Linksbündnis): Seit 1999 eigenständige Partei, davor Wahlbündnis aus mehreren (teilweise wechselnden) Parteien und Organisationen. Bis Sommer 2003 Mitgliedsstärkste Partei in Polen (etwa 130.000 Parteimitglieder). Nach einer Überprüfung der Mitglieder verlor die Partei Zehntausende Mitglieder und gibt heute eine Mitgliedsstärke von etwa 60.000 an. Sie ist damit die mit Abstand mitgliederstärkste linke Partei in Polen und nach wie vor einer der stärksten politischen Kräfte im Lande. Von 1993-1997 war sie in der Regierungsverantwortung und stellte mit Józef Oleksy und Włodzimierz Cimoszewicz zwei Ministerpräsidenten. Seit 2001 in der Regierungsverantwortung unter Leszek Miller (2001-2004) bzw. Marek Belka (2004-2005). 2003/2004 geriet die Partei unter ihrem damaligen Vorsitzenden Miller in eine schwere politische Krise, die nach Ansicht kenntnisreicher Beobachter sogar ihren Fortbestand gefährdete. Im Frühjahr 2005 traten mit Wojciech Olejniczak (Vorsitzender) und Grzegorz Napieralski (Generalsekretär) zwei jüngere Vertreter (Jahrgang 1974) an die Spitze der Partei. Beide haben sich unmissverständlich gegen „sozialistische Nostalgie“ ausgesprochen. Olejniczak hat angekündigt, sich für ein möglichst einheitliches Auftreten der Linken zu den Wahlen einzusetzen. Die Diskussion um eine mögliche „Linkswende“ der Partei beendete der neue Vorsitzende mit dem programmatisch gedachten Hinweis, es müsse vor allem nach „vorne“ gedacht werden. Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde ein großer Teil der bisherigen Wortführer in der Partei regelrecht kaltgestellt. So traf es vor allem die meisten der traditionell eine feste Hausmacht besitzenden Wojewodschaftsvorsitzenden und mit Oleksy (2004-2005), Miller (1999-2004) und Marek Dyduch zwei ehemalige Parteivorsitzende bzw. den ehemaligen Generalsekretär. Hinter der offiziellen Parteiführung haben sich Krzysztof Janik (2004 Vorsitzender) und Wirtschaftsminister Jacek Piechota starke Positionen gesichert. Sie stehen unmissverständlich für die Fortführung des 1999 eingeschlagenen Kurses, mit dem sich die Partei in erster Linie durch Verantwortung für ein starkes Wirtschaftswachstum und als Partei der Staatsräson empfiehlt.
Aktuelle Umfragen sehen die SLD um die 10%. Damit macht sich die Befürchtung breit, dass die auf Verfassungsänderung zielenden politischen Parteien die für solche Änderungen erforderliche Zweidrittelmehrheit erreichen könnten.
Die SLD wird mit einer eigenen Liste antreten, hat diese aber für Vertreter anderer politischer Kräfte geöffnet. So werden Kandidaten der UL, der Gewerkschaftszentrale OPPZ und kleinerer Parteien der politischen Mitte auf aussichtsreichen Positionen antreten.
Die Partei ist Mitglied der Sozialistischen Internationale und der PES.

SdPl (Socjaldemokracja Polska; Polnische Sozialdemokratie): Im März 2004 gegründet durch den aus der SLD ausscheidenden prominenten Politiker Marek Borowski. Weitere prominente Gründungsmitglieder kamen aus der SLD und der UP. Durch die bekannten Namen der Sejm-Abgeordneten hat sich die SdPl schnell einen Namen in den Medien machen können. Die Partei tritt öffentlich für eine „Entparteilichung“ des Staates, d h. für die Beschneidung der Möglichkeiten von politischen Parteien ein, große Teile des Staatsapparates den eigenen partikularen Interessen unterzuordnen. Führende Mitglieder der Partei werfen der ehemaligen SLD-Führung unter Miller vor, die Ausweitung dieser unheilvollen Tendenz im politischen Leben Polens zugelassen zu haben. Die SdPl tritt deshalb in erster Linie für die Professionalisierung von Politik ein. Die SdPl versteht sich als Teil der modernen europäischen Sozialdemokratie. Sollte ihr nicht der Einzug ins Parlament gelingen, droht der Partei der Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit.
Die SdPl tritt zu den Parlamentswahlen im Bunde mit der UP und Zieloni 2004 an, deren Vertreter auf Listen der SdPl kandidieren werden. In aktuellen Umfragen wird die SdPl-Liste unter 5% notiert. Nach dem Aufgeben des Präsidentschaftskandidaten Cimoszewicz könnte die SdPl allerdings mit neuem Zuspruch enttäuschter traditioneller SLD-Wähler rechnen.

kleinere Parteien, außerhalb von Bündnissen ohne Wahlchancen:

UP (Unia Pracy; Union der Arbeit): Kleine linke Partei, die 2001 trotz lediglich 3% der Wählerstimmen dank eines Wahlbündnisses mit der SLD in den Sejm und damit zugleich in die Regierung gekommen ist. Ursprünglich aus dem linken Flügel der „Solidarność“ entstanden. Durch das Bündnis mit der SLD erbrachte die Partei einen gewichtigen Beitrag zur Überwindung der politischen Spaltung der Gesellschaft in das „Ethos“-Lager auf der einen und die „Postkommunisten“ auf der anderen Seite. Da die UP in den Augen einer breiten Öffentlichkeit als treuer Partner der SLD wahrgenommen wurde, konnte sie vom dramatischen Abwärtstrend der SLD nicht profitieren. Im Gegenteil. Die UP befindet sich gegenwärtig in einer schweren existenziellen Krise.
Im April 2005 trat die bisherige Parteivorsitzende Izabela Jaruga-Nowacka (2004-2005) aus der UP mit der Begründung aus, sie lehne ein Bündnis mit der SLD kategorisch ab. Inzwischen steht sie als Vorsitzende der UL aber genau für ein solches Bündnis! Der neue Vorsitzende Andrzej Spychalski hat sich für ein Wahlbündnis mit der SdPl entschieden, wobei die UP-Vertreter lediglich auf Listen der SdPl kandidieren werden, um die für Wahlbündnisse obligatorische 8%-Hürde zu umgehen. Das Bündnis mit der SdPl ist in Teilen der Partei umstritten.
Die Partei ist Mitglied der Sozialistischen Internationale und der PES.  

UL (Unia Lewicy; Union der Linken): Anfang Mai 2005 gegründete kleine Partei, die sich sozialdemokratisch verstehen will. Die UL ist aus einer Initiative mehrerer kleinerer linker Parteien hervorgegangen, die im Dezember 2004 ursprünglich als ein pluralistisches linkes Sammelbecken sich verstand. Der Großteil der Mitglieder der neuen Partei stammt aus der Mitgliedschaft der UP bzw. der APP „Racja“. Die Parteivorsitzende Izabela Jaruga-Nowacka (zugleich stellvertretene Ministerpräsidentin und Ministerin für Soziales) hat eine drastische Kehrtwendung vollzogen und die Partei zu einem Wahlbündnis mit der lange Zeit von ihr verketzerten SLD geführt. Als Begründung reiche ihr der offensichtliche Verjüngungsprozess in der SLD und die Trennung von „politisch belasteten“ Politikern. Durch diesen Schritt hat sie sich deutlich distanziert von Ryszard Bugaj, dem Mitbegründer der UP, der aus Protest gegen das 2001 eingegangene Bündnis mit der SLD die Partei verließ. Auf dem Gründungskongress der UL hatte er erklärt, er stehe für ein politisches Engagement im Rahmen der UL dann zur Verfügung, wenn eine deutliche Absage an alle „postkommunistischen“ politischen Strukturen vorgenommen werde.

PPP (Polska Partia Pracy; Polnische Arbeiterpartei): Die PPP versteht sich als politischer Arm der Gewerkschaft „Sierpień 80“ (August 80). Parteivorsitzender Daniel Podrzycki ist zugleich Vorsitzender der sich als „frei“ verstehenden Gewerkschaft. Die Partei tritt in Erscheinung vor allem mit Aktionen im Bereich der Berg- und Industriearbeiterschaft. Sie spricht sich für einen „starken Sozialstaat“ aus, in dem die Arbeitnehmerrechte voll respektiert werden. Die PPP versteht sich als EU-kritische Partei, da im Rahmen der EU nationale Souveränitätsrechte aufgegeben werden. Bei seinen Auftritten nimmt der Parteivorsitzende rhetorisch häufig Anleihen aus dem globalisierungskritischen Diskurs. Dabei ist die Betonung der nationalen Komponente nicht zu übersehen. Eigentlich hat sich die Partei eine strikte Abgrenzung von der SLD und allen „postkommunistischen“ Strukturen verordnet.
In aktuellen Umfragen ohne Notierungen. Die PPP wird bei den Parlamentswahlen mit einer auch für Vertreter der PPS, der APP „Racja“, der KPP und einer kleineren ökologischen Partei offene Liste antreten. In Umfragen wird das PPP-Bündnis meistens nicht registriert.

PPS (Polska Partia Socjalistyczna; Polnische Sozialistische Partei): Älteste politische Partei Polens. Die traditionsreiche Partei durchlebt seit mehreren Jahren eine schwere innerparteiliche Krise. Piotr Ikonowicz (Vorsitzender 1998-2001) hatte nach der Umbildung der SLD zur Partei (1999) versucht, die PPS deutlich links von der SLD zu positionieren, ihr ein ausgesprochen antikapitalistisches Profil zu geben. Im Zweifelsfalle sollte auf parlamentarische Präsenz verzichtet werden. Andrzej Ziemski (Vorsitzender 2003-2005) war bestrebt, die PPS als soziales Korrektiv zur oder neben der SLD zu profilieren, hielt parlamentarische Präsenz für ein wichtiges Ziel der Partei. Er verstand die PPS als eine „europäische linke Kraft“, konnte sich im innerparteilichen Streit mit seiner Position nicht durchsetzen. Neuer Parteivorsitzender ist seit Juli 2005 Marian Peters.
Bei Umfragen ohne Notierungen. Die PPS hat augenblicklich kein politisches Potential, um selbständig in den Wahlkampf zu ziehen. Einzelne Vertreter der Partei werden auf Listen der PPP kandidieren.

Nowa Lewica (Neue Linke): Kleine, 2002 gegründete Linkspartei mit antikapitalistischem Profil. In der Öffentlichkeit wesentlich mit der Person des Parteigründers und Vorsitzenden Piotr Ikonowicz verbunden. Die Partei bemüht sich um enge Kontakte zu den neuen sozialen Bewegungen und versteht sich als tatkräftiger Anwalt der sozial benachteiligten bzw. marginalisierten Gruppen der Gesellschaft. Die Nowa Lewica strebt eine enge Zusammenarbeit mit Strukturen einer Europäischen Antikapitalistischen Linken an. Eine Zusammenarbeit mit Parteien, die der parlamentarischen Arbeit den Vorrang geben, wird strikt ausgeschlossen. Bei Umfragen ohne Notierungen. Die Partei tritt zu den Parlamentswahlen nicht an und wird sich auch keinem Bündnis anschließen.

APP „Racja“ (Antyklerikalna Partia Postępu „Racja“; Antiklerikale Fortschrittspartei „Racja“ – etwa im Sinne von „Der richtige Standpunkt“): Kleine Partei mit ausgewählten, vor allem weltanschaulich relevanten politischen Themen. Tritt für die strikte Trennung von Staat und Kirche ein. In ihren Reihen arbeiten auch zahlreiche Kirchenleute mit. Tritt in der Öffentlichkeit vor allem mit der Wochenzeitung „Fakty i mity“ (Tatsachen und Mythen) in Erscheinung. Nach Personalquerelen und dem Übertritt großer Teile der Mitgliedschaft in die UL befindet sich die Partei im Prozess einer schwierigen Konsolidierung.
Bei Umfragen ohne Notierungen. Vertreter der Partei kandidieren auf Listen der PPP.

DPL (Demokratyczna Partia Lewicy; Demokratische Linkspartei): Kleine Partei, die 2002 durch enttäuschte SLD-Mitglieder aus regionalen Gliederungen gegründet wurde. Die DPL tritt für Änderungen der Verfassung im Sinne der Verpflichtung zum Prinzip des Sozialstaats ein.
Bei den Parlamentswahlen wollten Vertreter der DPL ursprünglich auf Listen der dem bauernpolitischen Spektrum zugehörenden Partei „Samoobrona“ antreten. Im August zog sich aber die Partei aus personalpolitischen Gründen von diesem Vorhaben zurück. Sie tritt auch nicht einzeln an.

Rentnerpartei (KPEiR; Landespartei der Pensionäre und Rentner): Gilt vor allem als Partei einer Altersgruppe, orientiert sich politisch aber eher links. Parteivorsitzender Tadeusz Mamiński ist fraktionsloser Sejm-Abgeordneter. Mamiński, selbst ein überdurchschnittlich wohlhabender Mann, hebt das Gespür für die sozialen Probleme als ein wesentliches Markenzeichen seiner Partei hervor.
In einzelnen Umfragen 2-3%. Vertreter der Partei sollten bei den Parlamentswahlen ursprünglich auf Listen der dem bauernpolitischen Spektrum zugehörenden Partei „Samoobrona“ antreten. Im August zog sich die Partei aus personalpolitischen Gründen aber von diesem Vorhaben zurück und wird auch nicht einzeln antreten.

Zieloni 2004 (Die Grünen 2004): Kleine und junge Partei, die als Teil der grünen Bewegung Europas sich versteht. Bisher wurden in Polen ökologische Themen politisch eher dem bauernpolitischen Lager zugeschlagen. In Polen versucht die Partei sich vor allem als politischer Vertreter emanzipatorische Bewegungen (Gender-Problematik, sexuelle Minderheiten) und als Verfechter nachhaltiger Entwicklung ins Gespräch zu bringen. Sieht sich als Teil der Antikriegsbewegung und des globalisierungskritischen Diskurses.
In Umfragen nicht notiert. Die Partei wird bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen den sogenannten Borowski-Block“ (SdPl) zu unterstützen und für den Sejm auf den Listen der SdPl mit einzelnen Vertretern kandidieren.

FPP (Forum Praca Polska; Forum Polnische Arbeit): Die FPP wurde im Juni 2005 durch den UP-Gründer und früheren Solidarność-Aktivisten Ryszard Bugaj gegründet. Die FPP soll sich als authentische Linkspartei verstehen und wendet sich ab von SLD, UP und SdPl, die sich vollständig kompromittiert hätten. Die FPP – so Bugaj - trete ein für eine möglichst weitgehende Marginalisierung aller „postkommunistischen“ Gruppierungen. Unter den Gründungsmitgliedern sind ehemalige UP-Aktivisten und aktive Gewerkschafter. Keine verlässlichen Wahlaussagen. Am naheliegendsten wäre die Unterstützung der liberalen DP.

KPP (Komunistyczna Partia Polski; Kommunistische Partei Polens): Kleine Partei mit einigen Dutzend Mitgliedern. Politisch eigentlich unbedeutend, der Name erinnert jedoch an die aufschlussreiche Tradition der 1918 gegründeten Partei, die 1938 auf Geheiß Stalins aufgelöst wurde. Die KPP strebt ein souveränes und freies Polen der Werktätigen an, in dem die Ausbeutung beseitigt wird. Die EU-Mitgliedschaft Polens wird abgelehnt.
Die KPP wird bei den Parlamentswahlen mit einzelnen Vertretern auf Listen der PPP kandidieren.