Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Deutsche / Europäische Geschichte - Wirtschafts- / Sozialpolitik Ohne Arbeit keine Freiheit! Warum junge Ostdeutsche rund 15 Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus noch nicht im gegenwärtigen Kapitalismus angekommen sind.

Die 18. Welle der „Sächsischen Längsschnittstudie“ des Jugendforschers Prof. Peter Förster hat die RLS am 5. April 2005 auf einer Pressekonferenz vorgestellt.

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April 2005

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Am 5. April 2005 hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung gemeinsam mit der PDS-Bundestagsabgeordneten Dr. Gesine Lötzsch eine Pressekonferenz veranstaltet, auf der Prof. Dr. sc. paed. Peter Förster, Leipzig, die nunmehr 18. Welle seiner „Sächsischen Längsschnittstudie“ vorgestellt hat. Diese 18. Welle erfasst die im Jahre 2004 gewonnenen Ergebnisse der Befragung einer 414 Teilnehmerinnen und Teilnehmer starken Gruppe von 1972/73 geborenen Ostdeutschen, die sich seit 1987 jährlich auf der Grundlage eines ausführlichen Fragespiegels zu ihren Lebenserfahrungen und Lebenseinstellungen geäußert haben. Eine Längsschnittstudie über einen so langen Zeitraum hinweg ist äußerst selten, es gibt für Deutschland unseres Wissens nichts annähernd Gleiches.

Die Studie von Prof. Förster (Jg. 1932), der von 1966 bis 1990 am Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig gearbeitet hat, danach in verschiedenen Forschungsprojekten zur ostdeutschen Jugend tätig war und seit 1999 im Ruhestand ist, wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert.

Die Zusammenfassung der Befragungsergebnisse 2004, die im Folgenden nachzulesen ist, trägt den Titel „Ohne Arbeit keine Freiheit! Warum junge Ostdeutsche rund 15 Jahre nach dem Zusammenbruch des Sozialismus noch nicht im gegenwärtigen Kapitalismus angekommen sind“.

Das Fazit der Studie:

„Die vorliegenden Trends führen alles in allem zu der Feststellung, dass der Zeitraum von anderthalb Jahrzehnten nicht ausgereicht hat, um einen größeren Teil der jetzt 31-Jährigen  politisch für das neue Gesellschaftssystem einzunehmen. Sie stehen ihm noch immer mehrheitlich skeptisch oder kritisch gegenüber, in jüngster Zeit sogar mit einer zunehmenden Tendenz. Nach ihrer Enttäuschung über die Herrschaft der SED in der Endzeit der DDR sind die meisten von ihnen trotz grundsätzlicher Bejahung von Wende und deutscher Einheit erneut enttäuscht vom jetzigen System, sehen es nicht als das „Ende der Geschichte“ an. Seine Zukunftsfähigkeit schätzen sie ebenso gering ein wie gegenwärtig eine Verwirklichung sozialistischer Ideale. Das gilt  für die jungen Frauen in erheblich stärkerem Maße als für die jungen Männer, Ausdruck ihrer deutlich stärkeren Betroffenheit von den negativen Vereinigungsfolgen.

Die Kehrseite davon ist, dass die meisten Panelmitglieder konstant an einer Doppelidentität festhalten, sich schon als Bundesbürger, aber zugleich noch als DDR-Bürger fühlen; dass sie sich in zunehmendem Maße mit sozialistischen Idealen identifizieren und eine reformsozialistische Alternative zum jetzigen System vorziehen würden. Die Mehrheit hält den Sozialismus für eine gute Idee, die nur schlecht ausgeführt wurde. 

Einer der entscheidenden Faktoren für diese systemkritische Haltung ist die Massenarbeitslosigkeit im Osten, von der immer mehr selbst betroffen sind und die viele als existenzielle Bedrohung und als Verlust an Freiheit erleben. Systemkritik erwächst zugleich aus dem erheblichen Defizit an erlebbarer Demokratie und an sozialer Gerechtigkeit.

Heute ist völlig offen, ob diese 31-Jährigen sich für das jetzige Gesellschaftssystem politisch engagieren werden oder ob sie sich Alternativen zuwenden und wenn ja – welchen? Das lässt sich gegenwärtig kaum voraussagen, zu ungewiss ist die Zukunft. Um so interessanter wird es sein,  ihren Weg langfristig weiter zu verfolgen und zu dokumentieren.“

Presseberichte zur Studie:

>>Die DDR spukt in den Köpfen weiter (Frankfurter Rundschau, 05.04.2005)

http://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/nachrichten_und_politik/nachrichten/?cnt=657053

>>Froh zu sein, bedarf es viel (Tagesspiegel, 06.04.2005)

>>Die Wossi-Generation (ND, 06.04.2005)