Publikation Demokratischer Sozialismus Mitregieren in Berlin

Die PDS auf dem Prüfstand. Texte 22 der Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Reihe

Texte (Archiv)

Autor

Rolf Reißig,

Erschienen

März 2005

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Wie sieht die Zwischenbilanz der rot-roten Landesregierung von Berlin aus? Reicht Berlin das Wasser bis zum Hals? Was steht auf der Haben-Seite in der Berliner Politik seit den Neuwahlen 2001? Wo gibt es Lücken, Nachzuholendes, Aufzuholendes? Was ist mit welcher Aussicht auf den Weg gebracht worden? Was hat die PDS für ihre Wähler erreicht?

In einer Studie, um die die Rosa-Luxemburg-Stiftung den bekannten Politikwissenschaftler und Politikkenner Rolf Reißig gebeten hatte, wird erstmals wissenschaftlich die augenblickliche Regierungspolitik im Land Berlin reflektiert.

Inhalt

Vorwort

1. Der Weg in die Regierungskoalition. Die Ausgangssituation

1.1. Der Weg in die Regierungskoalition

1.2. Akteurspotenziale und Akteursdefizite

1.3. Ein Resümee: Vier Thesen

2. Das Agieren der PDS in der Berliner Koalition. Gestaltungsziele, Gestaltungsansätze, Gestaltungseffekte

2.1. Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsblockaden

2.2. Rot-Rot als Kurs- und Politikwechsel?

2.3. Gestaltungsziele und Gestaltungseffekte

2.3.1. Haushalt: konsolidieren und gestalten

2.3.2. Wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung

2.3.3. Berlin – Soziale Stadt

2.3.4. Zukunftspotenziale Wissenschaft, Forschung, Kultur

2.3.5. Toleranz, Demokratie und Bürgerrechte

2.4. Die Bilanz: Gestaltungseffekte und strategische Schlussfolgerungen für die zweite Halbzeit

3. Die Folgewirkungen von Rot-Rot und der PDS-Regierungsbeteiligung.

3.1. Die Frage der »Messbarkeit«

3.2. Die Folgen für das Land und seine BürgerInnen

3.3. Die Folgen für die Gesellschaft und die zivilen Akteure

3.4. Die Folgen für die rot-rote Koalition und ihre Träger

3.5. Die Folgen für die PDS

4. Linkssozialistische Politik in Regierungsverantwortung: Erfahrungswerte und Anregungspotenziale

5. Anhang

Vorwort

Linkssozialistische Parteien und Politik in Regierungsverantwortung sind für die Bundesrepublik Deutschland eine neue Erscheinung und ein einmaliger gesellschaftlicher Test. Sie erfahren damit im hohen Maße öffentliche Aufmerksamkeit und öffentliche Kritik. Die mit Rot-Rot im allgemeinen und der PDS-Regierungsbeteiligung im besonderen verbundenen Probleme und Erfahrungen stellen auch der wissenschaftlichen Beobachtung und Forschung neue Aufgaben. Im Gegensatz zur Betrachtung der PDS als »Ganzem« ist das Handeln rot-roter Landesregierungen und das Agieren der PDS in Koalitionsregierungen bislang kaum systematisch untersucht worden. Anknüpfungspunkte ergaben sich jedoch aus der von Frank Berg und Thomas Koch 2000/2001 erarbeiteten wissenschaftlichen Begleitstudie zur SPD-PDS-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern.

Gegenstand der vorliegenden Studie sollte die kritische Reflexion und Problematisierung von Erfahrungen der PDS als Regierungspartei in Berlin sein.

Es zeigte sich, dass dies eine knappe Rekonstruktion des Weges der Berliner PDS in die Koalition und vor allem eine Analyse des Handelns innerhalb dieser voraussetzte. Es konnte bei den Handlungsanalysen nicht um eine adäquate Evaluierung der verschiedenen Politikfelder, nicht um spezielle Policy Analysen gehen. Im Mittelpunkt jener Betrachtungen stand vielmehr die forschungsleitende Frage, welche spezifischen Gestaltungsziele die PDS formuliert, welche Handlungsräume sowie -möglichkeiten sie in der Koalition hat bzw. sich schafft und welche Effekte dieses politische Handeln erzeugt. Ein solches Vorgehen ist schon deshalb gerechtfertigt, da die Berliner PDS mit dem alternativ-reformerischen Anspruch antrat, den Regierungswechsel in einen Kurs- und Politikwechsel zu transformieren.

Eine sozialwissenschaftliche Analyse sollte dennoch nicht bei der Betrachtung des Handelns der Akteure in Regierungsverantwortung und ihrer unmittelbaren Ergebnisse stehen bleiben. Sie hat vor allem die intendierten und nichtintendierten Folgewirku??. Ô?ngen der Regierungsbeteiligung in den Blick zu nehmen. Die Frage war, wie sich diese Folgewirkungen objektivieren, messen lassen. Dafür wurden vier Ebenen – Folgen für das Land, für die Gesellschaft, für die rot-rote Koalition, für die PDS – mit jeweils spezifischen Indikatoren eingeführt.

Aus einer solchen Beobachtung und Analyse der Politik der Berliner PDS in Regierungsverantwortung konnten dann – unter Berücksichtigung des ehemaligen Tolerierungsmodells in Sachsen-Anhalt und der rot-roten Koalition in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch der Regierungsbeteiligung linkssozialistischer Parteien in West- und Nordeuropa – einige Erfahrungen abgeleitet und problematisiert sowie einige strategische Schlussfolgerungen formuliert werden. Diese spezifischen Erfahrungen und Anregungspotenziale können zugleich in den Rang grundlegender Erfahrungswerte »Linkssozialistischer Politik in Regierungsverantwortung« gehoben und zur Diskussion gestellt werden.

Die Studie ist damit nicht zuerst der traditionellen Parteienforschung zuzuordnen, sondern versteht sich eher als eine politikwissenschaftliche Handlungs-, Akteurs- und Erfahrungsanalyse, bezogen auf die PDS in der Berliner Koalition. Wissenschaftliche Beobachtung und Analyse bedeuten ganz selbstverständlich größt mögliche Objektivität und kritische Distanz zum Untersuchungsgegenstand.

Die Studie basiert auf vier Bausteinen:

- Dokumentenanalyse und kritische Auswertung vorhandener Texte, Informationen, Publikationen zur Politik der PDS und zum SPD-PDS-Senat seit 2001;

- Qualitative Interviews und Expertengespräche mit Akteuren der PDS, der SPD, Vertretern sozialer Bewegungen und Interessenverbänden sowie unabhängigen Beobachtern;

- Teilnehmende Beobachtung;

- Systematisierung und theoretisch-konzeptionelle Verarbeitung der Untersuchungsergebnisse.

In Anbetracht der eingeschränkten Ressourcen, des begrenzten Zeitrahmens konnten eine ganze Reihe relevanter Fragen, auf die der Verfasser der Studie bei seinen Untersuchungen stieß, hier nicht oder nicht explizit behandelt werden. Das betrifft u. a. eine systematische Aufarbeitung der Ergebnisse und Erfahrungen linkssozialistischer Parteien und Politik in Regierungsverantwortung in Vergangenheit und Gegenwart in verschiedenen Ländern West- und Nordeuropas sowie Lateinamerikas. Eine solche Vergleichsstudie steht noch aus.

An dieser Stelle sei allen Interview- und Gesprächspartnern gedankt, die durch ihre Kooperationsbereitschaft, ihre Offenheit, ihr Interesse an diesem Anliegen die Erarbeitung der Studie ermöglichten. Ich kann nur hoffen, mit vorliegenden Ergebnissen ein wenig dazu beitragen zu können, die kontroverse Diskussion um dieses Neuland beschreitende politische Projekt, das zugleich ein Projekt strategischen Lernens ist, und die kritische Selbstreflexion seitens der verschiedenen landes- und bundespolitischen Akteure zu qualifizieren.