Publikation Soziale Bewegungen / Organisierung Was kommt auf die PDS zu?

Wirtschaft, Arbeit, Bildung, Verwaltungsreform in ostdeutschen Ländern. von Frank Berg und Thomas Koch Manuskripte 30 der RLS

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Reihe

Manuskripte

Erschienen

Juni 2002

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Wirtschaft, Arbeit, Bildung, Verwaltungsreform in ostdeutschen Ländern. von Frank Berg und Thomas Koch

Manuskripte 30 der RLS

Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Wirtschaft

1.1 Vorbemerkung zu den wirtschaftspolitischen Debatten in den Ländern

1.2 Ausgangssituationen der öffentlichen Wirtschaftsförderung

1.3 Wirtschaftspolitische Orientierungen in den Ländern

1.4 Wirtschafts- und haushaltspolitisches Agieren der PDS in den Ländern

2. Arbeit

2.1 Dauerbrenner Arbeitslosigkeit – Streitfeld der „großen Politik“

2.2 Unterschiedliche Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik in den Ländern

2.3 Landesarbeitsämter und Landespolitiken

2.5 Politische Konzepte der PDS

3. Bildung (Schule)

3.1. Die erneute Karriere des Themas Bildung. Prämissen der Politikfeldanalyse

3.2. Positionsbewegungen schulpolitischer Akteure

3.3 Schulpolitische Positionen der PDS auf Landesebene 2000/2001

3.4 Würdigung der Befunde aus vergleichender Perspektive

4. Verwaltung

4.1 Diskussionshintergründe für Verwaltungsreform

4.2 Kurzüberblick über die Verwaltungsreformprozesse in den Vergleichsländern

4.3 PDS-Diskussion um Verwaltungsreformen

4.4 Sachsen-Anhaltinische PDS im Politikprozess der Verwaltungsreform

5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Autoren

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bruttoinlandsprodukt (2000) und Steuereinnahmen (2000) pro Einwohner nach Ländern

Tabelle 2: Haushaltsmittel des Bundes im Rahmen der GA für die ostdeutschen Länder

Tabelle 3: EU-Strukturfondsmittel (2000-2006) und Mittel der GA im Vergleich der ostdeutschen Flächenländer

Tabelle 4: Verbindliche Vorgaben durch den Rahmenplan der GA und Varianzmöglichkeiten durch die Länder (Auswahl; typische Beispiele für ostdeutsche Länder)

Tabelle 5: Bisher geplantes Verhältnis von gewerblicher Investitionsförderung und wirtschaftsnaher Infrastrukturförderung im Rahmen der GA

Tabelle 6: Fördertatbestände im Vergleich der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt (Auswahl)

Tabelle 7: Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in ostdeutschen Flächenländern von 1998 bis 2001

Tabelle 8: Aufteilung der EU-Strukturfonds 2000-2006 in den ostdeutschen Ländern (in Prozent)

Tabelle 9: ESF-Mittel in den neuen Bundesländern pro potenziellem Leistungsempfänger

Tabelle 10: Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung in Prozent

Tabelle 11: Anteil der Personen in aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Arbeitsämter am Arbeitslosenpotenzial, Stand: Ende Dezember 2001

Tabelle 12: Anteil (in Prozent) der Personen in ABM-, SAM- und FbW-Maßnahmen der Arbeitsämter am Arbeitslosenpotenzial, Stand: Ende Dezember 2001

Tabelle 13: Rückgang der Teilnehmerzahlen in aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den ostdeutschen Flächenländern von 1998 bis 2001 (Angaben jahresdurchschnittlich)

Tabelle 14: Arbeitnehmer in ABM, SAM und FbW im Freistaat Sachsen von 1995-2001

Tabelle 15: Ausgewählte Merkmale der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt im Vergleich

Tabelle 16: Gewichtung der Fächergruppen in den Klassen 7-10 in der DDR (POS) und in den drei neuen Bundesländern M-V, Sa, S-A in den Klassen 7-10

(Angaben in Prozent)

Tabelle 17: Herausforderungen in Anlehnung an Abschnitt 3.1. – Antworten auf der 8. Bildungspolitischen Konferenz der PDS (2001)

Tabelle 18: Verschuldung der öffentlichen Haushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände in den ostdeutschen Flächenländern

Einleitung

Die vorliegende Studie knüpft an unsere Analysen zur Mitte-Links-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern an. Schon damals war uns bewusst, dass die Analyse  von landespolitischen Feldern, wie wir sie für Mecklenburg-Vorpommern mit unseren „Vorgängerstudien“ versucht hatten, in einem wichtigen Punkt beschränkt bleiben musste: Es fehlte ein systematischer Vergleich zu anderen Bundesländern, der die Wertung politischer Handlungsräume reflektieren, relativieren oder unter Umständen auch zuspitzen kann.

Diesem Anspruch wollen wir nunmehr mit der hier vorliegenden Studie näher kommen. Für den Politikfeldvergleich haben wir die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen gewählt. Die Auswahl gerade dieser Länder hat zumindest zwei Gründe: Zum einen verkörpern diese drei Länder recht unterschiedliche strukturelle Gebilde: hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen, sozio-ökonomischen, demographischen oder selbst ihrer Verwaltungsstrukturen.

Aus dieser Differenz, aus den jeweils spezifischen regionalen strukturellen Bedingungen ergibt sich eine Varianz von Politikansätzen, die für eine vergleichende Betrachtung gerade das „Salz in der Suppe“ ausmacht. Der Politikfeld-Vergleich muss jedoch auf die grundlegenden variablen Bedingungen, institutionellen Orientierungen, Mechanismen und Akteurskonstellationen beschränkt bleiben, interessiert uns doch letztlich eine andere Frage: Welche Position nimmt die in den ostdeutschen Landtagen vertretenen Partei PDS in zentralen Feldern der Landespolitik ein? Hat sich die PDS in den (drei untersuchten Ländern) zu einer politisch kompetenten regionalen Reformkraft entwickelt? Sind ihre Politikangebote der realen Lage auf den für die Landesentwicklung so wichtigen Feldern wie Wirtschaft, Arbeit, Bildung, Verwaltungsreform angemessen? Wie politikfähig und insbesondere: wie regierungsfähig ist die PDS in den ostdeutschen Ländern – das ist die zentrale Frage, zu der wir im Ergebnis dieser Studie eine Antwort suchen, zu der sich aber der Leser/die Leserin dieser Studie eine eigene Antwort finden mag. Der Kern jeder Politikfähigkeit und politischen Kompetenz ist politische Gestaltungsfähigkeit, also die Fähigkeit, die eigenen politischen Ansätze nicht auf das diabolische „Ich bin der Geist, der stets verneint“ zu reduzieren, sondern realistische Alternativen zu denken, zu fordern und zu gestalten.

Hier liegt der zweite Grund für die Auswahl gerade dieser drei Länder für einen Vergleich: Die PDS agiert in diesen Ländern in unterschiedlichen Rollen: als Mitregierungspartei in Mecklenburg-Vorpommern, als Tolerierungspartnerin gegenüber der sozialdemokratischen Regierung in Sachsen-Anhalt und als Oppositionspartei in Sachsen. In allen drei Rollen ist es möglich, politischen Einfluss auszuüben, wenngleich in unterschiedlichem Grade: als Oppositionspartei weniger, als Regierungspartei mehr. Aber hier wie da setzt dies voraus, in den Politikfeldern kompetent zu agieren, sich auf die Realitäten einzustellen, praktikable Lösungswege für die Probleme der Länder zu finden. Linksdemokratische Alternativen werden erst dann politikfähig, wenn sie den Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit überbrücken. Diesen Suchprozess wollen wir mit unserer Studie ein Stück begleiten.

Die PDS beansprucht für sich einen Politikansatz, in dem sich gesellschaftspolitische Oppositions- und Gestaltungsoptionen miteinander verbinden. Das ist leichter gesagt als getan. Werden hiermit nur die Sichtweisen unterschiedlicher Strömungen innerhalb der PDS bedient oder handelt es sich tatsächlich um den Versuch, einen derart kombinierten Politikansatz zu verwirklichen? – Und zwar sowohl in der landespolitischen Regierungs-, als auch in der Tolerierungs- und ähnlich in der Oppositionsfunktion.

Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn man deren Kern herausschält: Wie kompetent und wie berechenbar entwickelt die PDS tatsächlich in den einzelnen Politikfeldern realistische Gestaltungsvorstellungen? In dem Maße, wie die PDS nach Mecklenburg-Vorpommern und Berlin auch in anderen ostdeutschen Ländern eine Beteiligung an der landespolitischen Macht anstrebte bzw. anstrebt, wird die Frage nach der Gestaltungsfähigkeit der PDS-Politik immer wichtiger – nicht erst unter Bedingungen der tatsächlichen Regierungsbeteiligung, sondern auch unter Bedingungen der Opposition. Die Bildung der rot-roten Koalition in Berlin wäre nicht möglich gewesen, hätte die Berliner PDS nicht schon seit Jahren ihre Oppositionspolitik als Realpolitik betrieben und damit in einer Reihe von Politikfeldern den Willen und die Fähigkeit angezeigt, gestalten zu wollen und Verantwortung zu übernehmen.

So wird die Darstellungslogik der einzelnen Kapitel einem Faden folgen, der zunächst die Ausgangssituationen, die Orientierungen der Landesregierungen und die grundlegenden reformerischen Herausforderungen in den Politikfeldern der einzelnen Ländern beschreibt. So dann werden die Positionen und Aktivitäten der PDS unter dem Gesichtspunkt behandelt, welche Angebote für die Bewältigung dieser Herausforderungen unterbreitet werden. Hierbei kann weniger auf die in jeder politischen Partei und in besonderem Maße auch innerhalb der PDS virulenten unterschiedlichen Meinungen eingegangen werden – maßgebend sind für uns vor allem jene Ansätze, die sich als politikbestimmend erweisen. Neben den genannten drei Bundesländern, die die Achse unseres Vergleiches bilden, werden punktuell auch andere ostdeutsche Bundesländer in die Betrachtung einbezogen.

Wir „messen“ und bewerten damit die politischen Positionen in den Ländern weniger anhand der realen Ergebnissen etwa der Wirtschaftsentwicklung, der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung, nach dem Bildungsniveau in den Ländern oder dem Niveau der Verwaltungsoptimierung. Dies wäre auch kaum möglich, sind doch beispielweise die Ergebnisse der Wirtschaftentwicklung in den Ländern nur in sehr begrenztem Maße Resultat der Politik als vielmehr Resultat mitunter jahrzehnte- und Jahrhunderte langer gewachsener Strukturen. Wir bevorzugen deshalb einen Vergleich anhand von konkreten  Herausforderungen in den Ländern, anhand also der Frage, inwieweit die Politik sich den im jeweiligen Lande gestellten Herausforderungen zu stellen vermag. Der Nachteil eines solchen Herangehens besteht darin, dass in die Maßstäbe dessen, was denn diese „Herausforderungen“ sind, bestimmte theoretische und inhaltliche Leitorientierungen der untersuchenden Sozialwissenschaftler nicht ausbleiben können. Der Vorteil gegenüber einer Herangehensweise, die die  reformerischen Herausforderungen in ein Korsett von abstrakten Variablen presst, besteht jedoch darin, dass sich der Leser eine genauere Vorstellung darüber machen kann, was in den Ländern an realen Politikprozessen vor sich geht.

Insofern wählen wir bewusst einen anderen Ansatz als er etwa von der Bertelsmann-Stiftung mit der wissenschaftlichen Analyse „Die Bundesländer im Standortwettbewerb“ vorgenommen wird. Die Autoren dieses Buches gelangen auf Grund ihres methodischen Ansatzes zu einem ausdifferenzierten Set messbarer Variablen, anhand derer sie Erfolge der Länderpolitik („Erfolgsindex“) und deren Bestimmungsfaktoren („Aktivitätsindex“) messen. Welche Faktoren hierbei im einzelnen zu Grunde gelegt und wie sie untereinander gewichtet werden, ist dabei selbstverständlich ebenso diskussionswürdig wie unser Versuch einer qualitativen Beschreibung von politischen Positionen und Prozessen.

Beide Herangehensweisen haben u.E. im Ergebnis eines gemeinsam: Sie weisen darauf hin, dass es weniger bestimmte Regierungskonstellationen („schwarz“, „rot-rot“ oder andere) sind, die für erfolgreiche oder weniger erfolgreiche Landesentwicklungen zuständig sind, sondern dass die Bestimmungsfaktoren hierfür  viel langfristiger, tiefer und breiter in den Situationen der Länder verwurzelt sind. Gleichwohl hat Politik hierbei ihren Platz und ihre Verantwortung. Und gerade hierum geht es in dieser Studie.

Für die Kapitel 1, 2 und 4 zeichnet Frank Berg verantwortlich, für Kapitel 3 Thomas Koch.

Frank Berg & Thomas Koch