Publikation Geschlechterverhältnisse Thesen und Gliederung des Beitrags der RESPECT-Initiative Berlin

Beitrag zur Tagung: Arbeitsverhältnisse im Kontext von "Diaspora, Exil, Migration" vom 5. bis 7. April 2002 in Berlin

Information

Reihe

Online-Publ.

Autorin

Susanne Schultz,

Erschienen

März 2001

Bestellhinweis

Nur online verfügbar

  1. Kurze Darstellung der Gruppe und der politischen Hintergründe der Mitglieder: RESPECT Berlin ist (noch!) eine kleine Gruppe, die sich 1998 zusammengefunden hat. Die beteiligten Frauen sind/waren aber bereits in anderen Gruppen zum Thema bezahlte Hausarbeit von Migrantinnen (insbesondere die Situation von Frauen ohne Papiere) politisch aktiv - in MigrantInnenorganisationen, Beratungsstellen, feministischen Aktionsgruppen und Solidaritätsarbeit. Von diesen Vorgeschichten und unterschiedlichen Gründen, sich mit dem Thema zu befassen, soll kurz berichtet werden.
  2. Zum Einstieg können (je nach Zeitbudget) ein oder zwei Aktionsbeispiele gezeigt werden: Ein Kinoclip zum Thema Putzarbeit von Migrantinnen und ein Kurzvideo zu öffentlichen (Putz)Aktionen in Berlin
  3. Bericht vom bundesweiten RESPECT-Seminar im Februar 2000: 30 Frauen aus verschiedenen Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen tauschten sich erstmals zum Thema Arbeitssituation von Migrantinnen in der bezahlten Haus/Putzarbeit aus. Die beteiligten Gruppen und wichtigsten Themen/Ergebnisse des Treffens sollen kurz dargestellt werden.
  4. Einige Thesen zur besonderen Situation in Deutschland - und zur Schwierigkeit, sich zu organisieren
    a) Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern gibt es bis jetzt keinerlei rechtliche Perspektive für Migrantinnen ohne Papiere, eheunabhängig einen Aufenthaltsstatus zu bekommen - sei es über Arbeitsverträge oder Stichtagsregelungen. Dazu kommt die in Deutschland besonders ausgeprägte Omnipräsenz staatlicher Verfolgung - die Angst vor Abschiebung schränkt die (politische) Bewegungsfreiheit von Migrantinnen ohne Papiere extrem ein.
    b) Der Arbeitsmarkt Privathaushalt ist von einer Heterogenität von Arbeitsverhältnissen geprägt (Au-Pairs, Arbeit in nur einem Haushalt, stundenweise Jobs etc.). Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern herrschen stundenweise Beschäftigungen vor. Diese bedeuten zwar eine geringere Abhängigkeit von der einzelnen ArbeitgeberIn, machen aber gleichzeitig die Arbeitsverhältnisse auch noch unsichtbarer und Arbeitskämpfe in mancher Hinsicht schwieriger.
    c) Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern organisieren die deutschen Gewerkschaften auch die deutschen Frauen und Migrantinnen mit Aufenthaltsstatus in diesem Sektor so gut wie gar nicht und haben sich bisher kaum für die Interessenvertretung von informell Beschäftigten eingesetzt..
  5. Widersprüche, offene Fragen und Schwierigkeiten bei der Suche nach politischen Perspektiven
    a) Deregulierung des Arbeitsplatzes Privathaushalt als Problem oder Chance? Jeder politische Appell an den Staat, diesen Sektor zu reregulieren, kann schnell zu Lasten der Arbeiterinnen ohne Papiere gehen - denn Privathaushalte sind zwar einerseits Orte, an denen Migrantinnen meist weder Arbeitsrechte geltend machen können, noch sich gegen (sexualisierte, psychische oder physische) Gewalt effektiv schützen können. Gleichzeitig sind aber Privathaushalte - gerade weil weite Teile der Bevölkerung informelle Arbeitsverhältnisse dort für selbstverständlich halten - auch Orte, an denen Arbeiterinnen relativ sicher vor staatlicher Verfolgung durch die Ausländerbehörden arbeiten können.
    b) Inwiefern können politische Strategien mit/für alle Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit entwickelt werden? Einerseits geht es RESPECT um eine öffentliche Betonung der Arbeitsverhältnisse (ohne die Stigmatisierung "legal", "halblegal" oder "illegal"). Die Arbeitssituation vieler Migrantinnen ändert sich zudem oftmals kaum mit Erlangung eines Aufenthaltsstatus. Andererseits sind alle pragmatischen politischen Ansätze der Selbsthilfe und Unterstützung extrem vom aufenthaltsrechtlichen Status abhängig - weswegen sich die RESPECT- Initiative bis jetzt vor allem mit der besonderen Situation von Migrantinnen ohne Papiere beschäftigt hat.
    c) Viele Migrantinnen stehen einer Organisierung als "Hausarbeiterinnen" skeptisch gegenüber, da sie sich nicht mit dieser Arbeit identifizieren wollen und andere berufliche Tätigkeitsfelder anstreben. Jede politische Organisierung von Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit muß deswegen gleichzeitig eine Kritik der Ghettoisierung von Migrantinnen in diesem Sektor formulieren - und etwas gegen die restriktiven Praktiken der Anerkennung von Berufs- und Universitätsabschlüssen tun.
    d) Damit zusammenhängend stellt sich heute die Frage, wie wir auf Möglichkeiten spezifischer Arbeitsgenehmigungen in dem Sektor Praivhaushalte - wie sie die neue einwanderungspolitische Diskussion in Deutschland nahelegen könnte - reagieren sollten? Geht die politisch zweifellos richtige Kritik eines solchen Niedriglohnsektors für Migrantinnen an den konkreten Interessen von denen vorbei, die heute ohne Papiere in diesem Sektor arbeiten?
    e) In Deutschland (und inzwischen auch immer mehr auf europäischer Ebene) ist der Begriff "Frauenhandel" das vorherrschende Modell, um die Arbeitsverhältnisse von Migrantinnen in Privathaushalten politisch zu kritisieren. Unseres Erachtens ist diese politische Strategie jedoch irreführend, da sie zum einen die alltägliche Realität der Arbeitsmigration von Frauen nicht erfassen kann, sondern Einzelfälle skandalisiert und Arbeitsmigrantinnen als passive Opfer von "Menschenhandel" darstellt. Zu anderen kann dieser Diskurs von staatlicher Seite zur Legitimation strafrechtlicher Verfolgung und migrationspolitischer Restriktionen genutzt werden.
  6. Politische Ziele und Forderungen der RESPECT-Initiative
    a) Arbeitsrechte unabhängig vom Aufenthaltsstatus: Wir halten es für eine wichtige politische Perspektive, uns für die Arbeitsrechte von Hausarbeiterinnen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus einzusetzen. In Fällen von Lohnbetrug gab es einzelne Erfolge vor Arbeitsgerichten. Wir halten es sowohl für wichtig, praktisches Wissen über solche rechtlichen Möglichkeiten zu verbreiten, als auch politisch etwa für die "UN-Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und ihren Familienangehörigen" einzutreten - und Gewerkschaften darauf zu verpflichten, die Arbeitsrechte aller Arbeiterinnen eines Sektors zu vertreten.
    b) Selbsthilfe und Austausch von Migrantinnen in der bezahlten Hausarbeit: Auch ohne rechtliche Möglichkeiten gibt es viele Erfahrungen und Ideen, wie sich Hausarbeiterinnen gegen schlechte oder ausbleibende Bezahlung, diskriminierende Behandlung und harte Arbeitsbedingungen zur Wehr setzen und gegenseitig - etwa bei der Jobsuche - beraten können. Die RESPECT-Gruppe sammelt und verbreitet solche Tips, möchte auf lokaler Ebene solchen Selbsthilfe-Initiativen unterstützen und auf bundesweiter Ebene einen Austausch über verschiedene Formen der Selbstorganisierung ermöglichen.
    c) Unterstützung von Kampagnen für eheunabhängige Aufenthaltsrechte von Migrantinnen: Ein mangelnder Aufenthaltsstatus schränkt Hausarbeiterinnen in vieler Hinsicht extrem ein - weder Gesundheitsversorgung, noch soziale Dienstleistungen stehen ihnen offen und die Möglichkeiten politischer Organisierung sind extrem begrenzt. Bei der Unterstützung antirassistsicher Kampagnen für das Bleiberecht möchten wir besonders darauf hinweisen, daß der Arbeitsplatz Haushalt wohl mit Abstand der wichtigste für Migrantinnen ohne Papier in Deutschland ist. Dies wird in der flüchtlingsunterstützenden und antirassistischen Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen, wohl weil die "Privatheit " dieser Arbeitsverhältnisse und die zugrundliegende geschlechtliche Arbeitsteilung auch hier zu Wahrnehmungsstörungen führt.
    d) Kritik des Arbeitsplatzes Privathaushalt aus einer feministischen Perspektive: Die Besonderheiten des Arbeitsplatzes Privathaushalt (etwa:Unsichtbarkeit, Nichtanerkennung eines komplexen und qualifizierten Tätigkeitfeldes, Mangel an klaren Abgrenzungen der Arbeitsinhalte/Arbeitszeiten/persönlichen Beziehungen usw.) lassen sich nur im Rahmen einer feministischen Ökonomiekritik verstehen und kritisieren. Die radikale Kritik der Organisation der "Reproduktionsverhältnisse" und die Suche nach anderen kollektiven oder öffentlichen Modellen von Kochen, Waschen, Kinderbetreuen usw. muß deswegen der politische Hintergrund der Arbeit von RESPECT sein. Un(ter)bezahlte Hausarbeit kann also nur kritisiert werden, wenn Hausarbeit als Frauenarbeit in Frage gestellt wird. Die beiden Pole in der feministischen Diskussion um Arbeitsverhältnisse im Privathaushalt - nämlich einerseits das "Zusammentreffen zweier struktureller Notlagen von Frauen", andererseits die "Internationale Arbeitsteilung zwischen Frauen" - bergen die Gefahr, hinter diesem Anspruch zurückzubleiben und das Verhältnis zwischen Hausherrin und Hausarbeiterin nur unter entgegengesetzten moralischen Prämissen zu analysieren.