Publikation Gesellschaftstheorie Mitbestimmung in Kommunen

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Erschienen

April 2002

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Konfernz: Kommen und bleiben. Migration und interkulturelles Leben in Deutschland. am 24./25. Mai 2002 in Köln, in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrhein-Westfalen.

 

Im Zusammenhang mit den derzeitigen Diskussionen über Globalisierung und Migration, über Interkulturalität und Partizipation, möchte ich zunächst einige persönliche Gedanken formulieren, die vielleicht utopisch erscheinen, an denen man aber m.E. schon mittelfristig in einer demokratischen Gesellschaft nicht vorbeigehen kann. Wenn in der Bundesrepublik Deutschland die Idee der Gleichstellung aller in diesem Lande lebenden Menschen verwirklicht werden soll, muß sie sich stärker als bisher an den Ideen der "offenen Republik" orientieren. Denn nur die Prinzipien der offenen Republik, nämlich volle politische und soziale Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit, Beteiligung an der Kontrolle der staatlichen Gewalt, eröffnen die Chance zum Schutz der hier lebenden Migrantinnen und Migranten mit ihrer kulturellen Vielfalt.

Dass dies derzeit noch nicht der Fall ist, zeigt der Blick in das Grundgesetz. Denn das Grundgesetz unterscheidet im Katalog der Grundrechte durchaus zwischen solchen, die für alle Menschen gelten und solchen, die grundsätzlich nur für Deutsche gelten. Daneben ist natürlich noch das Asylrecht zu erwähnen, das nur für Ausländer gilt.

 

  • die Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG
  • die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Artikel 9 GG
  • die Freizügigkeit gemäß Artikel 11 GG
  • die Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG und
  • das Auslieferungsverbot gemäß Artikel 16 GG.

 

Die Tatsache, daß gerade Versammlungs-, Koalitions- und Vereinigungsfreiheit vom Grundgesetz her Deutschen vorbehalten ist, stellt eine wesentliche Einschränkung der politischen Partizipationsmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten dar. Eine Untersuchung von mehr als 100 Verfassungen weltweit hat ergeben, daß solche Grundrechtsvorbehalte für "eigene" Staatsangehörige durchaus nicht die Regel sind.

Spätestens in den frühen 70er Jahren, als klar wurde, daß die "Gastarbeiter" nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren, wäre eine Änderung dieser Regelungen des Grundgesetzes nötig gewesen, wie dies ja auch vom ersten Ausländerbeauftragten der Bundesregierung Heinz Kühn angedacht wurde.

Obwohl dies nicht geschah, haben Gesetzgeber und Rechtsprechung unterhalb des Grundrechtsschutzes dafür gesorgt, daß Benachteiligungen in den genannten Bereichen gemildert werden konnten. Außerdem wurde klar, daß auch Ausländer sich auf den für jeden Menschen geltenden Artikel 2, das Recht zur Entfaltung der Persönlichkeit, und den Artikel 3, den Gleichheitsgrundsatz, berufen können, die mit den genannten Einschränkungen konkurrieren.

Das für die Frage der Mitbestimmung besonders wichtige Thema Wahlrecht habe ich bisher nicht erwähnt. Im Gegensatz zu den anderen bereits genannten Grundrechten mit "Deutschen-Vorbehalt" ergibt sich dieser für die politische Partizipation besonders wichtige Punkt nicht direkt aus dem Grundgesetz. Dieser Vorbehalt wird vielmehr aus Artikel 20 GG hergeleitet, wonach "alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht" und "vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt" wird. Nach Ansicht der meisten Verfassungsjuristen ist damit das "Deutsche Volk" gemeint, wobei sich der Begriff des Deutschen aus Artikel 116 GG ableitet.

Wollte man der eingangs geschilderten Praxis folgen und unterhalb des Verfassungsrangs die politischen Partizipationsmöglichkeiten von Migrantinnen und Migranten mit langjährigem Aufenthalt zumindest auf kommunaler Ebene erhöhen, läge es auf der Hand, dies durch ein einfaches Gesetz zu tun.

Eine entsprechende Initiative aus Hamburg ist vor nunmehr schon über 10 Jahren beim Bundesverfassungsgericht gescheitert. Ich bin kein Jurist und möchte mich dazu nicht in juristischem Sinne äußern. Wichtig scheinen mir aber zwei Dinge. Erstens wurde damals vom Gericht deutlich gemacht, daß die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Migrantinnen und Migranten durch Verfassungsänderung möglich ist. Zweitens ist festzustellen, dass durch die Einführung des Kommunalwahlrechts für Migrantinnen und Migranten aus EU-Ländern bereits Fakten geschaffen wurden. Warum das, was für EU-Bürger und Bürgerinnen möglich ist, für andere lange hier lebende Menschen nicht möglich sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. So entsteht eine Mehrklassengesellschaft. Dann darf man sich auch nicht wundern, wenn sich Migrantinnen und Migranten von dieser Gesellschaft abwenden und sich in die eigene Ethnie zurückziehen. Das müssen wir verhindern.

Daraus, dass nunmehr endlich von allen politischen Parteien mehr oder weniger offen mit der Behauptung, Deutschland sei kein Einwanderungsland, gebrochen wird, schöpfe ich die Hoffnung, daß sich eine fraktions- und parteiübergreifende Initiative findet, die endlich die in einem demokratischen Staat nicht hinnehmbare Tatsache beseitigt, daß in großen Städten bis zu 25 % der Bevölkerung von der politischen Beteiligung ausgeschlossen sind. Entsprechende Aktivitäten laufen, so glaube ich an ein Signal aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen, getragen von allen Fraktionen in kürzester Zeit.

Darüber, in welchem Umfang das kommunale Wahlrecht von den EU-Bürgerinnen in Anspruch genommen wird, gibt es keine verläßlichen Zahlen. Schätzungen liegen bei unter 10%. Der Hauptgrund hierfür dürfte darin liegen, daß kaum Migrantinnen und Migranten als Kandidaten auf sicheren Plätzen aufgestellt werden und sich Themen, die für sie von besonderer Bedeutung sind, in den Programmen kaum wiederfinden. Hier haben die Parteien noch einiges zu tun.

Gegner einer Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle Migrantinnen und Migranten führen gerne an, daß diese ja die Möglichkeit haben, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Dem möchte ich grundsätzlich nicht widersprechen, sind doch mit der deutschen Staatsangehörigkeit noch weitergehende Rechte als nur das kommunale Wahlrecht verbunden. Wie jedoch gegen das ursprünglich vorgesehene neue Staatsangehörigkeitsrecht Front gemacht wurde und was schließlich als sogenannter Kompromiß herauskam, ist nicht dazu geeignet, Migrantinnen und Migranten dazu zu ermuntern, von ihrem Recht auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auch Gebrauch zu machen.

Die massive Ablehnung der Hinnahme von Mehrstaatigkeit, Verschlechterungen für Migrantinnen und Migranten der ersten Generation und das Gefühl, daß Kultur und Traditionen des Herkunftslandes gering geachtet werden, haben dazu geführt, daß die Einbürgerungszahlen, bereinigt man sie um den sogenannten "Einbürgerungsstau", rückläufig sind.

Das neueste, in der Öffentlichkeit kaum beachtete Indiz dafür, daß Einbürgerungsanträge zumindest von Teilen der Politik nicht gewünscht werden, ist die Tatsache, daß ein Vorstoß der Bundesregierung, die Frist für die Einbürgerung von bis zu 10jährigen Kindern zu verlängern und die Gebühren zu senken, im Bundesrat gescheitert ist. Das zeigt für mich, daß das Klima in Deutschland, allen Beteuerungen zum Trotz, noch immer nicht integrationsfreundlich ist, immer noch Teile der Gesellschaft auf Abwehr bedacht sind.

Für alle Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer - sicherlich zum großen Teil aus den gerade genannten - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen und die auch nicht das Glück haben, Staatsangehörige eines EU-Landes zu sein, bleiben nur wenige Möglichkeiten zur politischen Mitbestimmung in der Kommune. Bevor ich zu den Ausländerbeiräten oder besser kommunalen Migrantenvertretungen komme, möchte ich noch beispielhaft andere Mitbestimmungsmöglichkeiten nennen, die zum großen Teil noch viel zu wenig von Migrantinnen und Migranten genutzt werden. Die Gründe dafür, warum das so ist, kann man sicherlich diskutieren.

Nah an meiner Thematik liegt die Frage der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten in Seniorenbeiräten. In meiner Heimatstadt Köln stehen in diesem Herbst wieder Seniorenbeiratswahlen an. Schon vor den letzten Wahlen war es dank einer Initiative des Ausländerbeirates möglich, dafür zu sorgen, daß Bewerber/innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit einen Minderheitenschutz genießen. Immerhin in vier Stadtbezirken sitzen dort jetzt ältere Migrantinnen und Migranten mit am Tisch, wenn über die Interessen der Seniorinnen und Senioren beraten wird.

Elternmitwirkung in Kindergarten und Schule ist ebenfalls ein überaus wichtiges Thema. Hier machen es sich diese Einrichtungen zu leicht, wenn es heißt, daß die gesetzlichen Regelungen zur Mitwirkung vorhanden sind, die Eltern diese aber nicht wahrnehmen. Aus meiner eigener Arbeit kann ich einschätzen, daß es möglich ist, z.B. türkische Eltern für schulische Themen zu interessieren und zur Mitarbeit zu motivieren. Denn ihnen liegt genauso wie allen anderen Eltern der Schulerfolg ihrer Kinder am Herzen. Doch man muß auf sie zugehen, sie ernst nehmen und akzeptieren.

Ein weiterer Aspekt ist die lokale Agenda 21, bei der es unter anderem um die umwelt- und menschenfreundliche Gestaltung unserer Städte geht. Kleinräumig soll die Zukunft der Stadtteile diskutiert werden. In Großstädten sind oft sanierungsbedürftige Wohnquartiere mit einem hohen Anteil von Migrantinnen und Migranten an der Wohnbevölkerung betroffen. Hier sollten sich Migranten und ihre Organisationen verstärkt einschalten.

Etwas außerhalb dieses Rahmens, aber durchaus mit kommunalem Bezug, sind die Mitwirkungsmöglichkeiten innerhalb der Gewerkschaften zu sehen. Der Organisationsgrad der Migrantinnen und Migranten in den Gewerkschaften ist höher als bei der deutschen Belegschaft. Die Beteiligung bei Betriebsratswahlen, die Tätigkeit als Vertrauensmann oder -frau bzw. als Betriebsratsmitglied ist eine Selbstverständlichkeit.

Was wir zur Mitbestimmung von Migrantinnen und Migranten in den Kommunen, und ich meine auch im Bund und in den Ländern, nicht brauchen, sind sogenannte Ausländerbeauftragte. Ich bin der festen Überzeugung, daß Migrationspolitik eine Querschnittsaufgabe ist, die entsprechend in den Regierungen bzw. in der Verwaltung angesiedelt sein muß. Da hat sich in den letzten Jahren einiges zum Positiven verändert, vielfach sind die Aufgaben in den Kommunen inzwischen im Bürgermeisterbüro gebündelt, das halte ich für gut und richtig. Doch Ausländerbeauftragte, die von wem auch immer beauftragt sind, bloß nicht von den Ausländern, sehen sich zu gerne als Interessenvertreter der Migrantinnen und Migranten.

Ich möchte hier aus einem Aufsatz eines Mitarbeiters der Berliner Ausländerbeauftragten zitieren, der schreibt: "Die Ausländerbeauftragte des Senats als Institution füllt u.a. drei Funktionen aus, die sich im Laufe der Jahre in sich und im Verhältnis zueinander verändert haben. Sie ist Interessenvertreterin für Ausländer (und Deutsche), sie ist Mittlerin zwischen Zuwanderern und Administration und sie ist Mittlerin zwischen Zuwanderern und Alteingesessenen." An anderer Stelle heißt es: "Die Organisationen der Zuwanderer brauchen nicht in allen Fällen mehr einen deutschen Stellvertreter. Da diese Organisationen aber nur einen geringen politischen Einfluß haben, bleibt die Funktion der Interessenvertretung durch die Ausländerbeauftragte noch einige Zeit und wenigstens zum Teil erhalten." Daraus spricht, es tut mir leid, dies so sagen zu müssen, eine Arroganz und ein Überlegenheitsgefühl, von dem ich geglaubt hatte, daß es überwunden sei. Warum Migrantinnen und Migranten und ihre Organisationen nur geringen politischen Einfluß haben, nämlich aufgrund fehlenden Wahlrechts und damit fehlender Lobby in den Parteien, wird nicht hinterfragt. Es ist so, und deshalb nehmen wir den Ausländer weiter an der Hand, vertreten seine Interessen. Daß der Autor an anderer Stelle demokratisch gewählte Ausländerbeiräte ablehnt, ist aus diesem Verständnis heraus logisch.

Dem möchte ich entgegenhalten, daß der weitaus überwiegende Teile der Migrantinnen und Migranten und ihrer Organisationen eine solche Stellvertreterregelung ablehnt und nicht mehr akzeptiert.

Was gefordert wird, aber leider viel zu wenig stattfindet, ist eine verstärkte Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst, und zwar in allen Bereichen. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund in allen Bereichen der Verwaltung würden sicherlich das Blickfeld von Bürgermeistern, Beigeordneten und Amtsleitern erweitern und auf ganz anderer Ebene einen Beitrag zur Mitbestimmung in Kommunen leisten. Doch die enorme interkulturelle Kompetenz gerade der jungen Menschen wird nicht erkannt. Einstellungen erfolgen nach althergebrachten Mustern, statt diesen Menschen zu helfen, eventuell vorhandene, meist sprachliche, Defizite aufzuarbeiten.

Ausländerbeiräte sind zur Zeit die einzigen durch Urwahlen zustande gekommenen Mitwirkungsgremien der Migrantinnen und Migranten in der Kommunalpolitik. Ob und wie solche Beiräte zustande kommen, wie sie zusammengesetzt sind, welche Kompetenzen sie haben, ist leider von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Gesetzlich geregelt ist die Möglichkeit zur Einrichtung von Ausländerbeiräten unter bestimmten Voraussetzungen im Saarland, in Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Nur in Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist die Einrichtung ab einer bestimmten Anzahl von Einwohner/innen ohne deutschen Paß zwingend vorgeschrieben. In den anderen Bundesländern gibt es keine gesetzliche Vorschrift, gleichwohl aber, zumindest in den Flächenstaaten, Ausländerbeiräte.

Da ich aus Nordrhein-Westfalen komme, möchte ich mich auf Aussagen zu diesem Bundesland beschränken und kurz die Aufgaben beschreiben und einen Ausblick auf die Zukunft der Beiräte wagen.

In NRW sind Ausländerbeiräte in Gemeinden mit mindestens 5.000 ausländischen Einwohnern einzurichten. In kleineren Kommunen kann ein solcher Beirat eingerichtet werden. Er besteht aus mindestens 5 und höchstens 29 Mitgliedern, die nach den üblichen Wahlgrundsätzen in zeitlicher Nähe zur Kommunalwahl gewählt werden. Der Ausländerbeirat kann sich mit allen Angelegenheiten der Gemeinde befassen. Auf Antrag des Ausländerbeirates ist eine Anregung oder Stellungnahme dem Rat oder einem Ausschuß vorzulegen. Der Vorsitzende ist berechtigt, bei der Beratung dieser Angelegenheit an der Sitzung teilzunehmen und dazu zu reden. Im Gegenzug soll der Ausländerbeirat zu Fragen, die ihm vom Rat, einem Ausschuß oder dem Bürgermeister vorgelegt werden, Stellung nehmen. Ihm sind die zur Erledigung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Soweit, etwas verkürzt, die gesetzlichen Regelungen zum Ausländerbeirat in NRW.

Wie diese Arbeit funktioniert, wie der Beirat seine Aufgaben wahrnehmen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die entscheidend dafür sind, ob eine tatsächliche Mitbestimmung oder zumindest Mitbeteiligung der Migrantinnen und Migranten vor Ort an den kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen stattfindet.

Bei der doch sehr vagen Aufgabenstellung, "der Ausländerbeirat kann sich mit allen Angelegenheiten der Gemeinde befassen", stand die richtige Erkenntnis im Hintergrund, daß es im Prinzip keine Angelegenheiten in der Kommune gibt, auf die ein Beirat in seiner Arbeit beschränkt sein soll. Migrantinnen und Migranten sind genau so sehr oder genau so wenig von bestimmten Angelegenheiten betroffen wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger. In dieser all umfassenden Aufgabenstellung steckt aber auch die Gefahr, sich zu übernehmen, zu viele Themen aufzugreifen. Eine gewisse Selbstbeschränkung aufgrund einer abgestimmten Planung ist hier sinnvoll.

Mindestens genau so wichtig ist die Verbindung zu den Ratsfraktionen, zu den demokratischen Parteien, zum Bürgermeister und den Parteien. Nur wenn hier eine vertrauensvolle, ernsthafte Zusammenarbeit besteht, kann der weite Rahmen der Einflußnahme ausgeschöpft werden. Das funktioniert teilweise sehr gut, teilweise aber auch leider überhaupt nicht. Die LAGA NRW hat schon vor Jahren die Migrantinnen und Migranten insgesamt, speziell aber die Ausländerbeiratsmitglieder aufgefordert, in die demokratischen Parteien einzutreten und dort mitzuarbeiten. So wird das Interesse in den Parteien geweckt, so entsteht Vertrauen und gegenseitige Akzeptanz.

Die Formulierung, "dem Ausländerbeirat sind die zur Erledigung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen", lässt dem Bürgermeister alle Möglichkeiten offen, die Arbeit des Ausländerbeirates entweder zu unterstützen oder zu behindern.

Schließlich ist es wichtig, daß die Ausländerbeiratsmitglieder aus den verschiedenen Städten sich über ihre Arbeit austauschen und gute Ideen übernehmen. Wichtig ist, daß sie sich fortbilden und gemeinsame Arbeitsansätze entwickeln. Dazu ist die LAGA NRW da, die vom Land NRW finanziell gefördert wird, aber in ihrer Arbeit unabhängig ist. Ein für eine so kleine Organisation mit drei Mitarbeitern sehr umfangreiches Bildungsprogramm, Fachtagungen mit anschließender Dokumentation, eine regelmäßig erscheinende Informationsschrift und ein Internetauftritt sollen die Arbeit vor Ort unterstützen.

Die Arbeit der Beiräte kann nicht statisch sein, sie müssen sich fortentwickeln. Das fängt schon mit dem Namen an. So hat sich die LAGA NRW von Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte NRW in Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen NRW umbenannt. Diese Umbenennung sollte auch auf kommunaler Ebene in Angriff genommen werden.

Zur Zeit werden in zwei Städten Nordrhein-Westfalens, in Duisburg und Solingen, alternative Beteiligungsmodelle erprobt. Ihre Arbeit wird wissenschaftlich begleitet und wird in die Überlegungen zur Fortentwicklung kommunaler Beteiligungsmodelle einbezogen. Der Ausschuss für Integration und Zuwanderung in Solingen besteht aus zehn von den Ratsfraktionen entsandten Mitgliedern und neun von den Migrantinnen und Migranten in Urwahl gewählten Vertreter/innen. Dieser Ausschuss funktioniert nach Aussagen von Vorsitzendem und Verwaltung nach den gleichen Regularien wie jeder andere Ratsauschuß, er hat in gewissem Rahmen Entscheidungsbefugnis. Der Beirat für Integration und Zuwanderung in Duisburg ist besetzt mit 17 gewählten Migrantenvertretern und 8 Ratsmitgliedern und entspricht in seinen Kompetenzen einem Ausländerbeirat.

Die LAGA NRW beobachtet beide Modelle mit großem Interesse. Schon jetzt möchte ich aber eine Forderung an den Gesetzgeber richten: In künftigen kommunalen Migrantenvertretungen müssen die gewählten Migrantenvertreter/Innen deutlich in der Mehrheit sein und die Gremien müssen mit eindeutigen Entscheidungskompetenzen ausgestattet werden.

Ich habe 1984, als ich zum ersten Mal in den Ausländerbeirat der Stadt Köln gewählt wurde, in der konstituierenden Sitzung erklärt, daß für mich die Integration mit der politischen Gleichberechtigung beginnt. Dieser Satz ist vielfach falsch verstanden worden - soll sich "der Ausländer" doch erst einmal integrieren, bevor ihm Rechte zugestanden werden. Doch diese Haltung ist entlarvend. "Der Ausländer" soll "sich" integrieren. Das ist eine sehr einseitige Sichtweise.

Integration ist ein wechselseitiger Prozeß von gleich zu gleich, nicht von oben nach unten oder umgekehrt. Dazu, dass man von gleich zu gleich miteinander umgehen kann, gehören aber gleiche Rechte. In diesem Sinne beginnt die Integration mit der politischen Gleichberechtigung. Die kommunalen Migrantenvertretungen sind ein Schritt auf diesem Weg. Dass solche Gremien auch nach Einführung des kommunalen Wahlrechtes für alle Migrantinnen und Migranten eine Existenzberechtigung haben, liegt in einem Einwanderungsland auf der Hand.

 

Tayfun Keltek ist Vorsitzender der LAGA NRW, (Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen in Nordrhein-Westfalen)

 

(Von Lutz Kirschner geringfügig redaktionell bearbeitet.)