Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe Red & Blue oder: es gibt kein Zentrum mehr

Notizen zu den Wahlen in den USA. Text der Woche 46/2004

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Autor

Rainer Rilling,

Erschienen

November 2004

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Notizen zu den Wahlen in den USA

The Colour of Money

Beginnen wir mit dem Geld.

Die Wahlen kosteten ca. 3,9 Mrd $, ein Zuwachs von 30 % gegenüber den 3 Mrd vor vier Jahren. Der Präsidentschaftswahlkampf kostete 1,2 Mrd. Individuelle Beiträge liegen bei 2,5 Mrd $, in 2000 waren es 1,5 Mrd. Die Ausgaben von Political Action Committees (PAC`s) stiegen von 288 auf 384 Mio $, die sog. 527er Gruppen wie Moveon.org etc. gaben 386 Mio $ aus. Die Kandidaten Bush und Kerry sammelten 360 bzw. 317 Mio $ ein.

Neunzig Prozent der Gelder für den Präsidentschaftswahlkampf 2004 stammte von Adressen, die gemeinhin als «reichste Postleitzahlen» der USA bekannt sind. Vom restlichen Amerika unterscheiden sie sich insbesondere durch ihre demographische Uniformität. Weder Latinos noch Asiaten noch Schwarze bevölkern diese Quartiere, es sei denn, sie arbeiteten als Dienstboten oder als Kindermädchen. Ein Beispiel ist die Postleitzahl 10021, Manhattans Upper East Side. Deren 91 514 steuerzahlende Bewohner sind zu 86 Prozent Weisse und rund 40 % von ihnen verdienen jährlich mindestens 100 000 Dollar. Sie spendeten 4,2 Mio. $. Der Bezirk 10035 ist nur ein paar Kilometer entfernt in Harlem – er spendete 3.750 $.

Jede/r dritte erwachsende Amerikaner/in ist farbig.

Auch das Geld hat eine Farbe, doch sie ist weiss. In den letzten acht Jahren stellte diese Elite des Manhattanbezirks 10021 ihren bevorzugten Kandidaten 84-mal mehr Geld zur Verfügung, als dies die Summe der 377 der amerikanischen Gemeinden mit dem höchsten Anteil an schwarzen Bewohnern zu tun vermochte (das sind insgesamt 6,9 Millionen Personen). Noch ausgeprägter zeigt sich die Disparität beim Vergleich mit den Latinos. Die 365 Latino-dominierten Gemeinden im Land, Heimstatt von 8 Millionen Steuerzahlern, spendete 89mal weniger als Manhattans Upper East Side. Schwarze leisteten nur gerade 2,8 Prozent aller politischen Beiträge der letzten acht Jahre, Latinos 1,8 Prozent und Asiaten 0,6 Prozent. George Bush erhielt nur 8,3 % seines Wahlkampfgeldes aus Gemeinden, die eine farbige Majorität haben.

Immerhin gibt es in vier Bundesstaaten — Maine, Arizona, Vermont und North Carolina — mittlerweile die Option der öffentlichen Wahkampffinanzierung für einige staatliche Ämter. New Jersey will 2005 und New Mexico 2006 nachziehen. In Maine wiesen fast 80 % der Parlamentsbewerber in diesem Jahr privates Geld zurück. Dort wie in Arizona untersagen Gesetze den Kandidaten seit zwei Jahren jede traditionelle Wahlkampffinanzierungs-Aktivität. In beiden Staaten hatte die Neuerung zur Folge, dass im ersten Jahr dreimal mehr Angehörige von Minderheiten und 25 Prozent mehr Frauen kandidierten.

Seitdem Kerry im Senat ist (1984) war er konventionell. Er fiel nicht auf. Außer dass er 1990 schon 8 Mio $ für seine Wiederwahl ausgeben konnte, 2002 waren es 10 Mio und er hatte 15 Mio gesammelt, das Dreifache von dem, was damals Amtsinhaber sammelten. Zum Acquisitionsmilieu ein Blick auf die Sponsoren für die Konvention der Demokraten in diesem Jahr: hier wurden unterschieden nach: Plantin Plus (über 2 Mio $), Platin (über 2 Mio), Gold (über 500 000) und Silber (über 250 000). Der größte Sponsor aus den Reihen von Labor kamen eben mal auf Bronze. Die größten Sponsoren kamen aus Rechtsanwaltsfirmen; Rentner; Versicherungswesen; Gesundheit, Immobilien; Hollywood; Publikationswesen; Beamte. An der Spitze der individuellen Sponsoren standen: Spender der University of California; Harvard; Goldman Sachs; Skadden Arps; Time Warner; Citigroup; UBS America; Microsoft; Morgan Stanley; Viacom; Bank of America; JP Morgan; Standford; IBM.

Am 6.August, eine Woche nach dem Parteitag der Demokraten, gab es in den Rocky Mountains, im Aspen Institute, ein heimliches und geheimnisvolles Gipfeltreffen. Dazu gehörten ein halbes Dutzend liberaler Führer. Dazu gehörten weiter fünf Milliardäre: Peter B. Lewis, der Vorsitzende der Versicherungsfirma Progressive Corporation; John Sperling aus Arizona, der 1976 die Phönix Universität gegründet hatte; Herb und Marion Sandler, welche die Golden West Financial Corporation gegründet hatten, die 17 Mrd Dollar wert ist; und endlich ein gewisser George Soros, der von Forbes auf den Platz 24 der reichsten Amerikaner gesetzt wird und 7,2 Mrd $ wert ist. In den 90ern investierte der money man in seine Stiftungen und Philantropien 4 Mrd $ - eine Größenordnung der Carnegie und Rockefeller. Bis zum Oktober 2004 war Soros einer der größten Spender in Amerikas Geschichte politischer Kampagnen geworden – doch freilich: die fast 20 Millionen Dollar, die er innerhalb weniger Wochen in die Niederlage Bush`s investierte, sind ein Peanuts angesichts der rund 400 Mio $, die er ansonsten jährlich ausgibt, und der über 3 Milliarden, die insgesamt in den Präsidentenwahlkampf 2004 gesteckt wurden.

Zu den politischen Powerplayers [s. Lisa Getter: With 527s, New Power Players Take Position, in: Los Angeles Times vom 1.11.2004 ] aus dem Lager der Millionäre und Milliardäre, die an die Vorfeldorganisationen (“527”er) der Parteien mindestens eine Million Dollar spendeten, gehörten Ende Oktober 2004 45 Personen oder Ehepaare, von denen 17 auf der Forbes-Liste der 400 reichsten Amerikaner genannt werden, von denen elf in Kalifornien leben und die gemeinsam rund 167 Millionen Dollar in den Wahlkampf investierten. Dazu gehörten:

George Soros; New York; Philanthropist; $23.7 Mio; America Coming Together, Media Fund, Joint Victory Campaign 2004, MoveOn.org Voter Fund and others;

Peter B. Lewis; Cleveland; Progressive Corp. (insurance); 23.1; America Coming Together, Media Fund, Joint Victory Campaign 2004, MoveOn.org Voter Fund and others;

Stephen L. Bing; Los Angeles; Film producer; 14.0; Joint Victory Campaign 2004, MoveOn.org Voter Fund and others;

Herb & Marion Sandler; Oakland; Golden West Financial (banking); 12.5; MoveOn.org Voter Fund, Citizens for a Strong Senate, Joint Victory Campaign 2004 and others;

Bob J. & Doylene Perry; Houston; Home construction ; 6.6; Progress for America Voter Fund, Swift Boat Vets and POWs for Truth, Club for Growth and others;

Roland E. & Dawn Arnall; Beverly Hills; Ameriquest Mortgage; 5.0; Progress for America Voter Fund;

T. Boone Pickens; Dallas; Investor; 5.0; Progress for America Voter Fund, Swift Boat Vets and POWs for Truth, and others;

Alex G. Spanos; Stockton; Real estate, NFL team owner; 5.0; Progress for America Voter Fund;

Andrew S. & Deborah Rappaport; Woodside, Calif.; August Capital, venture capital firm; 4.3; New Democrat Network, Music for America, Compare Decide Vote, Punk Voter Inc. and others;

A. Jerrold Perenchio; Los Angeles; CEO, Univision; 4.0; Progress for America Voter Fund;

Harold Simmons; Dallas; Investor, waste companies; 3.7; Swift Boat Vets and POWs for Truth, Progress for America Voter Fund, Club for Growth;

Jeffrey & Jeanne Levy-Hinte; New York; Antidote Films; 3.2; America Coming Together, New Democrat Network, MoveOn.org Voter Fund and others;

John McHale & Christine Mattsson; Austin, Texas; TippingPoint Technologies ; 3.1; Media Fund;

Terry & Susan Ragon; Cambridge, Mass.; InterSystems Management; 3.0; America Coming Together.

Was geschah am Wahldienstag?

Erdrutsch oder was?

Für das us-amerikanische Zentralorgan der Necons, den “Weekly Standard” ist die Sache erfreulich klar: „ THE SIXTIES ended on September 11, 2001, but they were interred on the morning of November 3, 2004, when a senator from Massachusetts played the reverse role of another senator from Massachusetts 44 years earlier. When the first JFK won, it set in motion events that would pummel America and its politics right through this just-completed campaign. The triumph of Jack Kennedy elevated style, new money, and a new elitism into the mainstream. It launched a war that would divide the country as none before--excepting the Civil War--had. It led to the credentialing of a media elite just now beginning a long overdue mass retirement. And it set in motion a swirl of cultural change that would culminate in the bipolarization of the political world into red and blue.” Eine Epoche wurde zu Grabe getragen und es musste natürlich gleich ein Erdrutsch sein, der die Beerdigung exekutierte - sozusagen ein gröfazlandslide :„ George W. Bush dwarfs in potential importance the 49-state "lonely landslides" achieved by Richard Nixon in 1972 and Ronald Reagan in 1984.“ Der NachwahlSPIEGEL vom 9.11.204 will hinter dem nicht zurückstehen: Bush „räumte ab“. Für den SPIEGEL gab es am Wahldienstag in den USA eine „rechte Revolution“(S.128). Und nicht nur ein Richard Sennett redet vom „sanften Faschismus“, der nun auf dem Weg sei.

Stärkung der Repubs

Nun scheint ein erster Blick auf die Ergebnisse diese Thesen zu bestätigen - die Republikaner-Macht wurde vierfach gestärkt.

  • Im Unterschied zur Wahl 2000 kann nun die Kontrolle der gesamten nationalen Regierung, der Mehrheit der Parlamente und Regierungen der Bundesstaaten durch die Republikaner als legitim gelten. In einem Weblog am morgen nach der Wahl ist zu lesen: „The depressing thing for me about this election wasn't just losing--I've always voted for the loser in presidential elections, beginning in 1992--but the new understanding I have of my country. We've had four years to observe what I believe is the worst performance of a chief executive in the 20th century, but the majority of my fellow citizens--to say nothing of the vast majority of my co-religionists--decided that they liked what they had seen so far, and wanted more, and more of it in our government (to judge by the Senate results).” Und, an anderm Ort: “Progressives and even radicals have been acting as if the Bush administration was an historical accident, the result of an illegitimate power grab on the part of a Right Wing minority.The Right Wing of this country has proven itself stronger and more organized than most of us had acknowledged, and conservative social agendas appear more popular than previously realized.”
  • Die politische Rechte stärkte ihre Position im Parlament, wobei die gewonnenen Sitze im Senat (die Mehrheit liegt nun bei 55:45) allesamt an Südstaatenvertreter gingen, die sich der christlichen Rechten zurechnen.
  • Die Wahl war auch eine Abstimmung über die Politik der Legislaturperiode, einschließlich des Krieges in Afghanistan, im Irak, „gegen den Terror“ – und die Bush-Administration entschied sie für sich.
  • Und endlich gewann die Rechte überzeugend eine Reihe von Abstimmungen in Bundesstaaten z.B. über die Heirat Gleichgeschlechtlicher.

War die Wahl 2004 daher nun das Ende der Äre der linken 68er, wie die „Weekley Standard“ resümiert? Ein Triumpf der Rechten? Ein Erdrutsch gar, vergleichbar mit jenen Nixons und Reagans, die fast alle Staaten für sich gewannen? Oder Ausdruck eines langandauernden Realignment, einer historisch langfristigen Umschichtung des Wählerpotentials und der Macht? Was waren die Motive der Wähler und Wählrinnen?

”Mr. Bush did not win in a landslide” beschwört Paul Krugman in seinem ersten Kommentar nach den Wahlen die Leser der New York Times und verabschiedet sich anschließend offenbar doch deutlich genervt bis nächsten Januar, um sein ökonomisches Lehrbuch fertig zu schreiben. Und anderswo tröstet man sich damit, dass noch nie ein amtierender Präsident so viele Gegenstimmen – immerhin 49 % - erhalten habe. Was war es denn aber dann, was da geschah? Wieder ein Weblog dazu: „It was not a landslide, or a re-alignment, or even a seismic shock. But it was decisive, and it is impossible to read President Bush's re-election with larger Republican majorities in both houses of Congress as anything other than the clearest confirmation yet that this is a center-right country - divided yes, but with an undisputed majority united behind his leadership."

Stabilität und wenig Veränderung

Tatsächlich ist auf den zweiten Blick das Frappierende an der Wahl nicht die revolutionäre Veränderung, sondern die Stabilität des Wahlergebnisses verglichen mit den Wahlen 2000.

* Die Zusammensetzung der Wahl”männer”schaft blieb fast vollständig gleich; die Wahlergebnisse des Repräsentantenhauses waren fast eingefroren. Sogar die Gewinne der Republikaner im Senat fügen sich in dieses Bild, denn sie ereigneten sich nur dort, wo die Republikaner schon im Jahr 2000 starke Positionen hatten.

* Seit 1954 hat das Repräsentantenhaus erst einmal die Farbe gewechselt. Mittlerweile ist für dieses Parlament, das Repräsentantenhaus, ein geradezu atemberaubender Mangel an Konkurrenz charakteristisch geworden. 95,6 % der Sitze (416 von 435) wurden mit Abständen von mehr als 10 % gewonnen – ein Rekord, 369 Sitze (84,8%) wurden mit Abständen von bis zu 20 % und mehr gewonnen. Mehr als 99 % der Amtsinhaber außerhalb von Texas behielten ihr Mandat, nur drei – ein Demokrat und zwei Republikaner – verloren es. Dagegen verloren in Texas allein vier Amtsinhaber hier Mandat durch massive Manipulation der Wahlbezirksgrenzen. Außerhalb von Texas gewannen die Republikaner nur zwei Sitze im House und verloren vier. Sie schlugen nur einen Amtsinhaber der Demokraten mit 1,365 Stimmen in einem Distrikt, in dem Bush ca. 45 000 Stimmen Vorsprung einheimste; sie gewannen einen offenen Sitz mit 31 000 Stimmen in einem Bezirk, in dem Bush rund 70 000 Stimmen Vorsprung hatte. Alle Mandatsinhaber der Demokraten bis auf zwei gewannen ihre Abgeordnetensitze mit mindestens 10 % Vorsprung. Klarer können Verhältnisse der parlamentarischen Machtverteilung kaum sein.

* George Bush hat mit 3,5 Millionen Stimmen Vorsprung weit mehr zusätzliche Stimmen gewonnen, als es der wachsenden Wahlbeteiligung entsprach. Und vor allem: sein Stimmenanteil wuchs in den meisten Staaten um 2-3 %. Es gab einen landesweiten Zuwachs an Unterstützung für seine Präsidentschaft.

- In 48 von 51 Staaten gab es 2004 dieselben Volten wie 2000. Wenn in Iowa, New Mexico und New Hampshire gerade mal 35 000 Stimmen gewechselt hätten, wäre in allen 51 Staaten die Stimmabgabe für die Wahlmänner genauso ausgegangen wie in 2000. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Zahl der umkämpften Elektorate in 2008 weiter abnehmen wird; nicht unwahrscheinlich ist, dass der Kampf um die nächste Präsidentschaft in gerade mal zwei Bundesststaaten entschieden wird : Florida and Ohio.

- Daher scheint es schwer zu sein, die gegenwärtige Verteilung der Stimmen grundsätzlich zu durchbrechen; um 50 Staaten zu gewinnen, müsste ein Kandidat der Republikaner 63 % der Stimmen bekommen; damit ein Demokrat dasselbe Resultat erreicht, müsste er mehr als 70% der Stimmen erhalten – ein Indiz für die Polarisierung der Stimmen.

* Im U.S. Senat gewannen die Republikaner netto vier Sitze. Freilich: sie gewannen sie dort, wo sie bereits stark waren, und im Senat gewannen die Demokraten insgesamt ca. drei Millionen Stimmen mehr als die Republikaner. Wesentlich freilich der Gewinn des Sitzes von South Dakota, wo die Republikaner den rechten Fraktionsführer der Demokraten Tom Daschle abservierten.

* Auffällig ist weiter schließlich, dass sich der Frauenanteil kaum veränderte (rund 15 % im House), dass der Anteil der Schwarzen, Hispanos und Asiaten sich wenig veränderte und nunmehr weiße Männer und Frauen 49 der 50 Gouverneursposten und 95 der 100 Senatssitze halten.

- Dritte Parteien endlich verloren ihren Einfluss auf die Präsidentenwahl dramatisch – sie liegen unter 1 %. Sie steigerten allerdings andererseits die Anzahl ihrer Sitze auf der ebene der Bundesstaaten – vor allem im erfreulich linken Bundesstaat Vermont (der Heimat von Bernie Sanders!) halten die Progressiven nun sechs Sitze.

* Gouverneurswahlen und Wahlen in den Bundesstaaten: auf dieser Ebene gibt es noch Wettbewerb in rund der Hälfte aller Staaten – in den letzten vier Jahren wurde in rund der Hälfte aller Staaten ein Gouverneur von einer neuen Partei gewählt; bei dieser Wahl gewannen die Demokraten 76 Sitze in Länderparlamenten hinzu und gewannen insgesamt mehr Parlamente als die Republikaner.

Seit 2004 wurden die Twin Towers zerstört, ein Präemptivkrieg gestartet der verloren gehen wird, die Zahl der Jobs sinkt und das Standing der USA in der Welt ist nicht mehr, was es fast fünf Jahrzehnte war; und die Auswirkungen auf die Wahlen? In New Hampshire wanderten 17 000 Stimmen von Rot nach Blau und in New Mexiko wanderten 12 0000 Stimmen von Blau nach Rot. Offenbar sind die Kampflinien des cultural divide, die es schon in den Wahlen 20000 gab. Daher ist Stabilität das eine Merkmal der Wahl, das unmittelbare politische Resultat allerdings ist: die Erfolge der Demokraten im Northeast, dem upper Midwest, und dem Westen konnten den Erfolg der Republikaner im Süden, den Border States, dem Südwesten und den Great Plains nicht konterkarieren. Dies hat – wieder auf den zweiten Blick – damit zu tun, dass die Rechte ihren Anteil an der Wählerschaft ausdehnen und besser mobilisieren konnte: Während „Gemässigte“ (darunter Demokraten) in 2000 nach ihrer Selbsteinschätzung noch 50 % der Wähler ausmachten und „Konservative“ 29 %, sind es nun 45 % und 34 %. Damit einher ging zugleich eine innere Verschiebung (Radikalisierung) im Milieu der „moral majority“ der Konservativen – für deren radikale Kernzone war Kerry kein Amerikaner, sondern ein Alien. Was also ist „Red“ and „Blue“ America?

Red and Blue

Im zweiten Blick also: Machtzuwachs der politischen Rechten (ein Prozess, der auf diese oder jene Weise seit der Carter-Administration in den 70ern anhielt) und faktisch ein Plebiszit, das die Regierung Bush für sich entschied. Das politische Ergebnis der US-Wahlen ist eine klare Stärkung der global mächtigsten Fraktion der politischen Rechten - und dies beim Verlust nur eines Staates (New Hampshire) und Gewinn von gerade Mal zweier anderer (Iowa und New Mexico).

Aber wie ist die erstaunlich stabile Verteilung des WählerInnenpotentials zu erklären? Ein political Divide in der Wählerschaft also dennoch? Die politisch-programmatischen Differenzen der „zwei Amerikas“, die nicht nur der SPIEGEL titelte, sind bemerkenswert gering. Ein Blick auf die zahllosen Programmäußerungen und Grundsatzreden auf den Parteitagen zeigt: es gibt eine Fülle von Übereinstimmungen. Paul Cockburn hat in einem wunderbar polemischen Artikel gegen den Illusionismus der Demokraten in „New Left Review“ eine Liste dieser Übereinstimmungen aufgeführt. Dazu gehören:

  • Die Rolle des Schatzamtes
  • Die Handelspolitik
  • Die Umverteilung von unten nach oben
  • Die Rolle und das Budget der CIA und anderer Intelligence
  • Nukleare Abrüstung
  • Militärpolitik
  • Die Besetzung des Iraks
  • Die Rolle von Weltbank, IWF, WTO
  • Kriminalität und Ausbau des privaten Gefängniskomplexes
  • Der Krieg gegen Drogen
  • Corporate Welfare
  • Energiepolitik
  • Forstpolitik
  • Israel
  • Korruption

Gibt es grundlegenden Dissens im Parlament? Cockburn zählte durch: Im House gibt es etwa 30 Parlamentarier, die bereit sind, zuweilen in Kernfragen abzuweichen. Am 14.9.2002, als die gemeinsame Resultion des Kongresses den Präsidenten weitgehende Vollmacht in Sachen 9/11-Krieg gab, stimmte nur eine Person, Barbara Lee, eine Demokratin aus Oakland, dagegen. Offenbar also gibt nicht nur in der parlamentarisch-politisch-programmatischen Konkurrenz in der Substanz weiterhin keine wesentlichen Differenzen; diese politische Struktur ist zudem weitgehend institutionalisiert und verfestigt. Dann fragt sich freilich, weshalb die Wahl 2004 eine solche Schärfe erreichte? Wie ist in einer Situation des politisch-programmatischen Konsens eine solche Zuspitzung erklärbar? Die Antwort: offenbar gibt es einerseits einen weitgehenden politischen Elitenkonsens, andererseits stabile politisch-kulturelle Lagerdifferenzen: „red versus blue“ .

Farbenlehre

Daraus ergibt sich die Frage, ob die lange Phase der „unterpolarized“ Parteienpolitik in den USA, welche das American Empire seit Ende des zweiten Weltkriegs prägte, nicht allmählich zuende geht. Diese Phase prägte auch eine Form des Parlamentarismus, in dem der einzelne Parlamentarier relativ wenig Parteibindung aufwies. Da mittlerweile die Demokraten ihren klassisch konservativen, traditionell auch weitgehend rassistischen Flügel im Süden („Southern Democrats“ – „Reagan Democrats“) verloren haben und andererseits die Republikaner insbesondere unter Bush sich ihrer liberalen Richtungen („Rockefeller Republicans“) weitgehend entledigten und trotz der Ausdifferenzierung verschiedener Strömungen und Orientierungen (Neokonservative, Neoliberale, christliche Fundamentalisten, Militaristen, Sozialkonservative, Nationalisten) imstande waren, sich als Koalitionspartei verschiedener, dabei dann weit mehr rechter Strömungen zu stabilisieren, scheint die Parteipolitik der USA auf dem Weg zu einer neuen Polarisierung zu sein, in der sich unterschiedliche Parteiformationen homogener als bisher konfrontieren und sich unterschiedliche große politisch-kulturell divergierende Lager relativ kohärent in den zwei großen Parteiformationen gegenüberstehen. Dabei ist ganz offensichtlich, dass hier eine große Differenz zwischen „red“ und „blue“ existiert, auch wenn jene 450 000 Menschen, die in New York gegen den republikanischen Parteitag protestierten, nur gegen Bush, aber keineswegs für Kerry stimmten. Dies zeigte sich übrigens auch bei der Wahl: Mehr als 80 % der Bush-Wähler erklärten, dass sie für den Präsidenten stimmen wollten, nur einer von sechs erklärte, aktiv gegen Kerry stimmen zu wollen; bei den Wählern Kerrys dagegen erklärte fast die Hälfte, dass sie in erster Linie gegen Bush stimmen wollte. Die Republikaner haben es demgegenüber weitaus besser geschafft, als Stimme ihres Lagers zu sprechen. Die Demokraten sind davon weit entfernt.

Beide Parteien aber repräsentieren aktiv-positiv oder gutteils notgedrungen politisch-kulturelle Lager, die – so eine zunehmend verbreitete Annahme – divergieren: zwei Amerikas. Dabei geht es nicht um Nord versus Süd, Land gegen Stadt, Populismus versus Elitismus, Arbeit gegen Kapital, Farbige gegen Weiße, Religion versus Säkularismus. Die Nachwahlbearbeitung hat zu einer neuen Popularität der Farbenlehre in Sachen "Red-Blue America" geführt. Hans Noel, Politikwissenschaftler der Universität von Kalifornien in Los Angeles publizierte ein Papier "The Road to Red and Blue America" und erklärte dazu: "Most people say they are 'moderate,' but in fact the country is polarized around strong conservative and liberal positions…It has taken 40 or 50 years to work itself out, but the ideological division in America -- which is not new -- is now lined up with the party division". James Gimpel von der Universität Maryland ergänzte diesen Hinweis mit dem Argument, dass eine "patchwork nation" entstehe, in der sich die politisch-kulturell und religiös verwandten Seelen gegenseitig anziehen und “same-thinking islands“ bilden. Eine Analyse der Wahlen von 1976 und 2000 – die beide gleichermaßen knapp ausgingen – zeigt, dass gegenwärtig doppelt so viele Wähler in Counties wohnen, in denen ein Kandidat mit großem Vorsprung („landslide“) die Wahlen gewann. Anders gesagt: „Person by person, family by family, America is engaging in voluntary political segregation”. Betrachtet man die übergeordnete Ebene der Staaten ist es, als gebe es zwei Länder in den Vereinigten Staaten, dessen Einwohner nicht mehr miteinander sprechen.

Die Bewohner von red America (“Bush-Country”) sind älter und männlich, weniger großstädtisch, eher verheiratet, weitaus geringer gewerkschaftlich organisiert, weitaus häufiger dagegen Kirchgänger, haben meist einen geringeren Ausbildungsstand und sind ganz anders als die Bewohner von New York, New England oder Kalifornien keine Kosmopoliten. Boston ist der Ground Zero des postmodernen blauen Amerika genauso wie Texas („Faith in God and faith in entrepreneurs“) das Zentrum des roten Amerika. Die Demokraten kontrollieren die Küsten und den oberen Mittleren Westen, die Republikaner demgegenüber den Süden, die Mountain States und die Klein- und Mittelstädte, erst Recht das Land: jeder Ort, in dem eine Kuh existierte, ging an Bush. Die Rede von der polarisierten Parität zwischen Red und Blue unterstellt, dass nicht die Ökonomie, sondern die Kultur als Spaltungselement wirkt. Die Frequenz der Kirchgänge ist ein besserer Indikator für das Wahlverhalten der Weissen als das Einkommen und ebenso ist der Waffenbesitz aussagekräftiger als der Aktienbesitz – schon 2000 wählten 60 %, die eine Knarre hatten, Bush (allerdings war der Zuwachs der Knarrenbesitzwähler dieses mal unterdurchschnittlich…).

Strategien

Bush's Strategie

Bei aller notwendiger Relativierung: es existiert eine relativ stabile politisch-kulturelle, auch moralische und religiöse Differenz, die sich als eigenständiger Faktor in den politikstrategischen Ansätzen der Parteien reflektiert. Den Republikanern war es seit den 70ern gelungen, der Dominanz des New Deal der Demokraten statt einer rechtsgewirkten Imitation ein eigenes Konzept entgegenzusetzen: sie vermochten traditionell demokratisch optierende weisse Wählergruppen aus der Arbeiterklasse gegen die Strategie der Demokraten zur Eroberung einer neuen Mittelklasse zu mobilisieren, die für civil rights, Feminismus und friedliche Koexistenz mit der Sowjetunion empfänglich war. Als Kandidat des aggressiven Antikommunismus, Rassismus und breitbandigen Kulturkonservatismus gewann Reagan Erdrutschsiege. Zwar gewann der rechte Zentrismus der „Neuen Demokraten“ unter Clinton Wähler zurück und eroberte im New Economy Boom breite und neue Schichten der Professisonals – so dass gewichtige Staaten wie Kalifornien, New Jersey und Illinois ins demokratische Lager wechselten; doch der tiefe Süden wurde republikanisch.

Bush knüpfte an die Strategie Reagans an und verschob sie deutlich nach rechts; an die Stelle des vehementen Rassismus setzte er eine oft auch rassistisch unterlegte fundamentalistisch-religiös operierende Minoritätenpolitik und nach 9/11 rehabilitierte er den Ruf der Republikaner als Partei der nationalen Sicherheit. Er attrahierte mit seinen radikalen Steuersenkungsplänen das Business. Der middle und lower class machte er andererseits ziemlich glaubhaft, dass Jesus sein Lieblingsphilosoph sei. Und er fand das operativ wirksame moralpolitische Äquivalent zum Reaganrassismus: campaigning gegen „gay marriage“ und Abtreibung einerseits, Nationalismus („Patriotismus“) andererseits. So gelang es ihm, ein Bündnis zwischen der upper class und der lower middle class zu etablieren.

Er gewann erstens mit 63 zu 35 % die ziemlich reichen Wähler (die über 200 000 Dollar machen) – und es waren in der Gruppe der reichen Wähler (über 100 000 Dollar) nicht mehr 11 % (2000) sondern 17 % (58 : 41). „Some people call you the elite“, erklärte Bush in der Szene von Fahrenheit 9/11, bei der er über die „haves“ und die „have-mores“ witzelte, und fuhr fort: „I call you my base.“ Diese Zunahme allein machte ca. 2 Punkte des Stimmenzuwaches von Bush aus (s. Phil Klinker`s Blog Polysigh). Zweitens gewann Bush mit 53 zu 47 Prozent die Wähler ohne Collegeabschluss – wobei sein Vorsprung bei der weissen Arbeiterklasse schlicht dramatisch war. Dies ist sicherlich einer der größten politischen Erfolge der Republikanischen Partei: die Armen massenhaft dazu zu bringen, Steuersenkungen für Milliardäre zu befürworten. Und es gelang ihm drittens, sein massenpolitisches Zentrum zu mobilisieren – die “christliche“ Rechte . Welche Sorte rechter Parlamentarier da nun neu das Volk repräsentiert, schilderte in der New York Times Maureen Dowd: „Tom Coburn, the new senator from Oklahoma, has advocated the death penalty for doctors who perform abortions and warned that "the gay agenda" would undermine the country. He also characterized his race as a choice between "good and evil" and said he had heard there was "rampant lesbianism" in Oklahoma schools. Jim DeMint, the new senator from South Carolina, said during his campaign that he supported a state G.O.P. platform plank banning gays from teaching in public schools. He explained, "I would have given the same answer when asked if a single woman who was pregnant and living with her boyfriend should be hired to teach my third-grade children." John Thune, who toppled Tom Daschle, is an anti-abortion Christian conservative - or "servant leader," as he was hailed in a campaign ad - who supports constitutional amendments banning flag burning and gay marriage. “

Ein wesentlicher Punkt bei der Konstruktion der Wahlkoalition war die Moralpolitik, deren harter Kern der Missonarismus der christlichen Rechten war. Glaubte man den Nachrichten, hörte man die Präsidentendebatten und las das Web, schienen der Irak, der Krieg gegen den Terror oder der Zustand der US-Ökonomie die wichtigsten Issues für die Wähler zu sein. Ungefähr um 22 Uhr am Wahlabend änderte sich dies. Plötzlich war die Rede von den moral values. CNN berichtete dass 80 % der WählerInnen, die "moral values" als ihr wichtigstes Wahlanliegen formulierten (und dies waren widerum 22 % aller WählerInnen), Bush wählten; 19 % sagten “Terrorism” und von denen wählten 85 % Bush. 20 % der WählerInnen sagten demgegenüber, es sei der Zustand der Wirtschaft und 15 % sagten “Irak”. Von diesen wählten 75 % Kerry.

Die USA sind ein sehr religiöses Land - eine Umfrage der Universität Chicago aus dem Jahr 2002 ergab, dass sich 53 % der Erwachsenen als Protestanten, 25 % als Katholiken, 3 % als Christen anderen Glaubens, 3 % als Angehörige anderer Religionen, 2 % als Juden und nur 14 % als “religionslos” bezeichneten. Bush gelang es, diese Eigenschaft der Wählerpopulation zu nutzen – bei seinen Kampagnen wurde er regelmässig als jemand vorgestellt, der für „the right God“ stünde. Bush als Vertreter Gottes auf Erden klingt eher komisch. Doch zu dieser Deklaration gehört nicht nur ein religious private welfare state sondern auch ein Feindbild: im September 2004 versandte das Wahlkampfzentrum der Republikanischen Partei an potentielle Wähler in Arkansas und West Virginia einen Flyer, der sie vor einem Sieg der Demokraten warnte. Ein Bild einer Bibel wurde dort abgebildet mit dem Label „BANNED“ und daneben das Bild eines Mannes, der einem anderen einen Hochzeitsring auf den Finger schob und daneben stand das Wort ALLOWED. Religiösen WählerInnen wurde angekündigt, dass die Demokraten ihnen ihre Bibel wegnehmen wollten oder das Martin Luther King ein Republikaner gewesen sei.

Bush gewann 60 % der wöchentlichen Kirchgänger (Kerry 39 %), 78 % der weissen Evangelikalen (die Evangelikalen machten ein Fünftel (23 %) aller WählerInnen aus!) und mit 58 % der Protestanten (Kerry 41 %) deutlich mehr als vor vier Jahren (56:42 %). Unter den kleineren Gruppen derjenigen, die nicht in die Kirche gingen gewann Kerry 64 % (Bush: 34 %), unter den Juden 74 % (Bush: 25 %) gegenüber 79:19 in 2000. Auch unter den Katholiken gewann Bush knapp (52 % zu 47 %). Allerdings scheint es auch so, dass die Mobilisierung der Evangelikalen – und dieser Stimmenblock ist das Zentrum der politischen Rechten - an ihre Grenzen gestoßen ist, es hat hier keine dramatische Steigerung gegenüber 2000 gegeben; es waren damals wie 2004 ein Viertel der „heavy churchgoers“, die Bush wählten und der Anteil derer, die zur Wahl gingen, hat nicht zugenommen. Es scheint, dass es nicht gelang, die vier Millionen Evangelikalen, die in 2000 zuhause geblieben waren, zur Wahlurne zu bringen. (Die Republikaner mobilisierten dieses Potential auch durch die Auseinandersetzung um die gay marriage, aber in den elf Staaten, in denen es Abstimmungen hierüber gab, konnte Bush seinen Stimmenanteil keineswegs dramatisch erhöhen - um 2,6 Prozentpunkte auf 58 % bei einer Steigerung insgesamt um 2,9 % von 48,1 auf 51 %. Weiter zu berücksichtigen ist, dass 25 % der WählerInnen die gay marriage befürworteten! – dieses issue stabilisierte die Kerngruppe der Bushwählerschaft, mehr nicht. 4 von 10 Wählern waren gegen eine Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren und von ihnen wählten 75 % Bush - unter Schwulen und Lesben sank der Anteil der Bush-Wähler um nur 2 Prozentpunkte.) Zuwächse bekam Bush in 45 von 50 Staaten, darunter auch in Staaten wie New York, Massachusetts oder Connecticut, die wohl kaum zum „Bible Belt“ gezählt werden können. Von einem niedrigen Niveau aus konnte Bush sogar seinen Stimmenanteil unter denen, die nie zur Kirche gehen, von 32 auf 36 % steigern, wogegen er seinen Stimmenanteil unter denen, die wöchentlich mehrfach oder mindestens einmal zur Kirche gehen, auf freilich sehr hohem Niveau nur um ein Prozent von 63 % auf 64 % ausweiten konnten. Eine zusätzliche Mobilisierung dieser Gruppe gelang den Republikanern nicht.

Bush gelang es weiter, seine regionale Basis zu festigen und auszuweiten – rund die Hälfte des Zugewinns von 4 Millionen Stimmen kam aus solide „roten“, also republikanischen Staaten, in denen Bush bereits 2000 6 Prozent und mehr Vorsprung hatten; rund die Hälfte dieses Zuwaches widerum (also ein Viertel des Gesamtzuwaches) kam aus nur vier Staaten: Texas, Tennessee, Alabama und Georgia. Rund ein Drittel des Zuwachses kann aus den „dunkelblauen“ Staaten, wo Gore in 2000 6 % und mehr erreicht hatte; hier gelang es Bush, seinen Rückstand zu verringern und er hat in nur zwei Bundesstaaten (nämlich New York und New Jersey) über 3/5 dieses Zuwachses realisiert. Rund ein Fünftel schließlich des Zugewinns kam aus den „purple states“ und die Hälfte hiervorn wieder aus einem einzigen: Florida, dem Land der Golfplätze. Bush gewann in den 14 Staaten mit hoher Dominanz der Demokraten 3,5 % hinzu (auf 40,7 % = 39 Mio von insgesamt 120 Mio. Stimmen für Bush), in den „purple“ oder „Swing States“ +1,7 % auf 49,8 % und in den 26 republikanischen Staaten + 3,0 % auf 60,4 % (44 Mio). Der Abstand zwischen den Republikanern und Demokraten ist 2004 gegenüber 2000 in den 14 demokratischen Staaten um 1,2 Mio geschrumpft, in den „Swing Staaten“ dagegen um 0,382 Mio und in den republikanischen Staaten um 2,4 Mio gewachsen. Insgesamt scheint Bush seine Anhängerschaft etwas besser mobilisiert zu haben (93 % wählten ihn) als Kerry (89 %).

Im Kern des Sieges stand freilich die Reaktualisierung des Angstfaktors (der „terroristischen Bedrohung“) rund anderthalb Wochen vor der Wahl bei zahlreichen weissen Demokraten vor allem im ländlichen Süden und bei der weissen, älteren und geringer qualifizierten Arbeiterklasse (so wählten die Senioren weisser Hautfarbe zu 59 % Bush und 58 % der weissen, älteren Frauen ohne College-Ausbildung – bei den über 60jährigen stieg der Stimmenanteil Bush`s um 7 Prozentpunkte). Diese Margen bildeten sich erst in den letzten Tagen vor der Wahl heraus und haben damit zu tun, dass die Relevanz des „Irak“ als „issue“ in den letzten Wochen von 19 auf 26 % anstieg und die Frage der Ökonomie und von Arbeitsplätzen von 35 auf 28 % absank (so Teixeira ). Mit Angst und Furcht und schlichtem Militarismus lassen sich immer noch ganz gut 9 Millionen zusätzliche Wähler und so die Wahlen gewinnen, erst recht in einem Land, in dem sich ein Drittel der Wähler als konservativ und nur ein Fünftel als liberal bezeichnen. „The fear vote is already there“ erklärte Karl Rove kurz vor der Wahl. Dass in den Tagen der Wahl eine auch in der Bundesrepublik weitgehend ignorierte Studie publiziert wurde, dass die Zahl der toten Zivilisten im Irak mittlerweile die 100 000 überschritten hat, zählt da dann kaum.

 Kerry`s Strategie

Die Wahlkampagne der Demokraten war weitaus besser, als man vor einem Jahr hätte glauben können. Doch sie war ziemlich miserabel. Sie war voller taktischer Winkelzüge, hatte keine große Vision und erklärbare Alternativen, ihr fehlte die medienfähige Disziplin einer zentralen Botschaft und sie war voller Fehleinschätzungen. Ihr zentrales politisches Defizit war, dass es keine radikale wirtschafts- und sozialpolitische Alternative gab und keine Aussicht auf ein politische Projekt des Rückzugs aus dem Irak. Zudem war sie ausserstande, den Lügen, grotesken Fälschungen und Irreführungen der effizient grob gestrickten Kampagne der Republikaner standzuhalten. Der Kampagne lag das klassische Wahlprojekt der Demokraten zugrunde und es scheint, dass dieses Projekt 2004 an seine Grenzen gestoßen ist.

Dieses Projekt ist eine Antwort auf jene republikanische Strategie, die 1969 Kevin Philipps in seinem Buch The Emerging Republican Majority entwickelt hatte. Philipps hatte damals argumentiert, dass die traditionelle Politik der Demokraten der Durchsetzung größerer ökonomischer und rassischer Gleichheit, der Aufnahme der Geschlechterfrage und der zunehmenden Positionierung gegen den Vietnamkrieg nicht nur die weißen Anhänger der Demokraten in den Südstaaten entfremden würde, sondern auch die Anhänger der Demokraten aus der weißen Arbeiterklasse im Norden. Zusammengenommen mit demografischen Veränderungen (Wanderungen in den Westen und in die Suburbs) ergebe sich daraus geradezu von selbst eine Siegstrategie für die Republikaner. Mit der Karte des Rassismus, die Reagan in den 80ern spielte, war dieses Projekt ein Erfolg. John B. Judis and Ruy Teixeira versuchten, mit “The Emerging Democratic Majority” einen progressiv-zentristischen Gegenentwurf zu entwickeln, der eine Siegstrategie für die Demokraten in einer Zeit der Postmoderne, des Postkeynesianismus und des Nachindustrialismus für die Phase nach dem alten New Deal formulierte. Die Zielgruppen waren hier zunehmend erwerbstätige und oft allein lebende Frauen, Minoritäten und „professionals“ ; die Core-Group sind hier die professionals, die in den Metropolen leben („ideopolies“), nicht zur Kirche gehen, fans der soft technology sind, sozialliberal und fiskalpolitisch gemässigt einherkommen, herzlose Unternehmen wirklich ablehnen und big unions mitsamt big government gleich dazu.

Dementsprechend bestand die Zielgruppenkoalition, welche auch die Wahlstrategie Kerry zusammenzuschieben suchte, aus den Minoritäten des Niedrigeinkommenssektors mitsamt Arbeitslosen einerseits, den Aufsteigergruppen der qualifizierten Professionals andererseits. Kerry erhielt auch tatsächlich 70 % der Stimmen der Nichtweissen. Er schlug auch Bush weit in der Gruppe derjenigen, die einen Collegeabschluß hatten oder Postgraduierte waren. Nur rund ein Viertel des Zuwachses an Stimmen, die Bush 2004 gegenüber 2000 erhielt, kamen aus den High-Tech-Zentren Amerikas („ideopolises“) – allerdings konnte Bush seinen Rückstand auch hier um 2,4 Punkte auf 55:44 verringern. Das sind alles auch Leute, für die Jobsicherung, Prekarität, Arbeitslosigkeit etc. eine wesentliche Frage darstellten. Kerry gewann daher nicht nur in den großen Städten, sondern in den großen metropolitanen Regionen der Professionals und Immigranten. Im Westen, Nordosten und in Teilen des Mittleren Westens, wo es metropolitane Hochtechnikregionen gab, schlug sich Kerry gut. Staaten wie Oregon, Washington, Minnesota oder New Hampshire, Illinois oder New York, Massachusetts oder Kalifornien sind nun wohl stabil demokratisch. Auch bei Erstwählern und jungen Wählern schlug sich Kerry offenbar achtbar, ebenso wie die früheren Kandidaten der Demokraten. Unter den Wählern „ohne Religion“ stieg die Unterstützung für ihn von 31 auf 36 Punkte Vorsprung.

Dennoch ist diese Strategie an ihre Grenzen gestoßen. Das betrifft die Frauen: es wählten 55 % der weissen Frauen Bush und nur 44 % Kerry – im Jahr 2000 waren es nur 49:48 % für Bush. Insgesamt fiel der Vorsprung der Demokraten bei weiblichen Wählern von 11 Prozentpunkten in 2000 auf nur noch drei (51 : 48 %). Das betrifft weiter die Minderheiten, deren Anteil an den Wählern dieses Jahr weiter stark an Gewicht gewonnen hat und gegenüber 19 % in 2000 nun bei 23 % lag. Doch nur noch 53 % gegenüber 62 % (in 2000) der Latinos (die nun bereits 8 % aller Wähler ausmachten) wählten die Demokraten. Und das betrifft endlich auch die „Professionals“: dummerweise gibt es in den USA weit mehr WählerInnen, die keinen Collegeabschluß haben – und unter diesen gewann Bush, zwar nicht dramatisch, aber mit 6 Punkten Vorsprung (53 : 47 %), wogegen Gore in 2000 nur zwei Punkte zurücklag. Die weisse Arbeiterklasse nahm zu Recht Kerry nicht ab, dass er auch nur die geringste Ahnung von ihren Problemen hätte und votierte in großen Mengen und zu Unrecht für Bush – ein Clinton hatte hier noch knapp geführt. Nach Umfragen, die Teixeira widergibt, hatte Bush in der Wählergruppe der weißen Arbeiterklasse ca. 24 Punkte Vorsprung vor Kerry – in 2000 waren es noch 19 Punkte. Diesen zusätzlichen Gewinn hatte Bush vermutlich bei den weissen Arbeiterfrauen. Während Gore noch mit 20 Punkten Vorsprung unter den High-School-Abbrechern gepunktet hatte, wählten sie nun nur noch äußerst knapp (50:49) für Kerry. Bush vergößerte den Vorsprung unter den weißen Wählern (die ja immer noch 77 % aller WählerInnen ausmachen) von 12 (54 : 42 %) auf 17 Punkte (58 : 41 %), davon die weissen Männer 62:37 % für Bush. Dies sollte man bei seinem nächsten Aufenthalt in den USA im Gedächtnis behalten – zwei von drei weissen Männern sind Bush-Wähler! Hier half nicht, dass die gewerkschaftlich organisierte Wählergruppe mehrheitlich Kerry wählte.

Nach Teixeira entfielen auf die ländlichen und technisch weniger hochentwickelten Gebiete der USA drei Viertel des Stimmenzuwachses von Bush, den er zwischen 2000 und 2004 erreichen konnte. In den Vorstädten, Klein- und Mittelstädten sowie auf dem Land gewann Bush beträchtlich dazu; rund 15 % dieses Stimmenzuwachses kam aus ländlichen Gegenden und rund 26 % aus den Mittelstädten (bis zu einer Million Einwohner). Insgesamt steigerte Bush den Anteil der Republikaner an den städtischen Stimmen gegenüber 2000 um 8 Punkte auf bereits 43 %.

Die akademische Linke, die ihre eigene Gewandtheit auf den Arbeitsmärkten hat, setzte ihre Werte (Antiwar, Antirepression) allem anderen voran und wählte Kerry – aber sie zählt kaum.

Der politische Effekt dieser geringen Verschiebungen in der Verteilung der Wählerstimmen – einer Verschiebung zudem, die großenteils erst in den letzten Tagen vor der Wahl stattfand - hat die einen zur Schlußfolgerung gebracht, dass die Schlußphase eines Wahlkampfes von kaum zu unterschätzender Bedeutung ist, dass die politische Strategie der Demokraten weitgehend richtig war und dass endlich nur taktische Fehler in der Schlußphase des Wahlkampfes die Demokraten um den Sieg brachten. Andere dagegen denken, dass die Strategie einer postmodernen Mehrheitsbildung gescheitert ist. In einem Weblog am Tag der der Wahl heisst es: “The old Democratic coalition got all of its people to the polls, it got all of its people mobilized, it got angry and motivated and had a razor-sharp focus on a single goal, and it lost. It will take a complete reconstruction of the demographics and nature of opposition, because—and I hope the left, such as it is, will recognize this—the old coalition of unions, minorities, urbanites, is done. It is finished. It cannot break through. The old hope has always been voter turnout, that there were many in that coalition who did not vote, and in not voting, gave the election to highly mobilized social groups on the right. That hope is broken. As many people voted as probably will ever vote in this election, and the old coalition was not enough. Not enough people, not enough general national resonance in its convictions. Some new alliance, with a new mix of issues and convictions, will have to be made by 2008 that can carry any candidate to victory, not just to the White House but the House and Senate as well. (…) It doesn’t matter if 49.5% of the national population are “blue staters” if they all live together in a few concentrated locations. As long as that’s so, the opponents of the current dominant faction of the Republican Party will face defeat again and again, because 49.5% of the population living in about 12% of the actual geographic space of the nation (mostly in cities) equals…This is where we arrive at the necessary end of the old Democratic coalition, which I would summarize as unions, racial minorities and educated cosmopolitan elites… Both parties combine potentially antagonistic social constituencies and use some larger narrative to cement them together. The economic interests of unions and some minority communities have frequently been in tension over the past two decades (and arguably far longer), and the terms of globalization and neoliberalism have basically benefited urban cosmopolitans enormously. The problem is that the Republicans stitch together a larger number of potentially antagonistic constituencies and more crucially, they do it across a larger range of geographic space. In its current form, the Democratic coalition can capture no new major constituencies. That’s what 2004 proved. The youth are not coming: they didn’t vote much, and split evenly when they did. The white suburbanites are not coming: they stuck to the Republicans, seeing little in common with at least two of the three legs of the Democratic coalition (unions and minorities). The women are not coming. No one is coming. “ Wie sollte dies, wäre hinzuzufügen, auch so einfach geschehen – in 96 % der Wahlen zum Unterhaus und in 91 % der Wahlen zum Senat gewannen die Kandidaten, die das meiste Geld aufbringen konnten.

Bush und die Rechte

Bush ist Jahrgang 1946. Der Familiensitz ist in Greewich, Connecticut, einer der wohlhabendsten Städte des Landes. Sein Großvater Prescott Bush war ein Partner von Brown Brothers Harriman, einem Wallstreet Investment House, und Direktor von mindestens sechs Konzernen, darunter CBS und Prudential Insurance. Die Bushfamilie hatte eine generationenlange Verbindung zur Rockefeller Familie und zu den Harrimans, einer anderen Plutokratie. Es gab fast keinen wesentlichen Ort in der Politik oder im Geschäft in den USA oder in Europa, der außerhalb der Reichweite dieser Familie war. So war dann auch das Selbstverständnis der Bushfamily.

Bush geht es natürlich um die Sicherung der Dominanz der Republikaner in den USA genauso, wie es der Rechten (und nicht nur ihr) um die Dominanz der USA in der internationalen Politik geht. Die Strategie ist sehr einfach. Der einzige Konkurrenz der Partei der Republikaner ist die Partei der Demokraten. Sie gilt immer noch als die Partei der Regierung und des Staates. Sie zu schwächen heisst: die Fähigkeiten des Staates, Dienste zu liefern – vor allem seine Rolle, das Alter und die Gesundheit zu sichern - zu reduzieren. Kurz vor den Wahlen ging durch den Kongress noch ein Steuergesetz durch, das den Unternehmen runde 100 Mrd $ schenkt. (Slate). Im Haushaltsjahr 2004 nimmt der Bund ebensoviel ein wie 1999, gibt aber 34 % mehr aus. Die Verschuldung ist in den letzten vier Jahren um 30 % gestiegen. Bush verspricht nur noch, bis 2009 das Defizit zu halbieren. Und das ist natürlich absurd. Die Übertragung solcher öffentlicher bzw. staatlicher Funktionen auf das Privatkapital („ownership society“) wird wohl das wirtschaftliche und fiskalische Zentralprojekt von Bush 2/2 sein. Der Nebeneffekt dieser Politik wird – wie beim politischen Projekt des frühen Thatcherismus – die Zerstörung des politischen Konkurrenten (dort old Labour, hier die Demokraten) sein.

Die Fähigkeiten des Staates zu schwächen heisst weiter, den Staat umzubauen. In seiner ersten Amtszeit hat Bush 226 Juristen für die Bundesgerichtsbarkeit vorgeschlagen, von denen nur zwei keine Republikaner waren; 201 wurden bestätigt. In einer zweiten Amtsperiode wird er vermutlich drei, vielleicht auch vier Richter des obersten Gerichtshofs berufen können. Der Supreme Court wird bei weitem das rechteste oberste Gericht sein, das es jemals in den USA gab. Nie in ihrer 150jährigen Geschichte war die Republikanische Partei so rechts wie heute. Der Liberalismus – also etwa: das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und für die Rechte der Gays, Begeisterung für die Umweltsicherung und öffentliche Bildung, für ausreichende Staatsfinanzierung, internationales Recht, gegen militärisches Abenteurertum – ein solcher Liberalismus wurde im alten Parlament noch von vielleicht einem Senator und zwei Abgeordneten des Unterhauses vertreten. Gerade 8 Abgeordnete und 2 Senatoren waren für eine Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichtshof ICC.

Selbstverständlich geht es nicht einfach um eine Schwächung des Staates. Man kann natürlich von seinen Abteilungen für Ordnung, Repression und Ordnungsproduktion nicht absehen - Bush hat den Konservatismus der republikanischen Partei und Amerikas verändert. Er hat den „big Government conservatism“ durchgesetzt; unter ihm wuchs der Staat rascher an als unter Clinton. Er setzte durch, dass der Staat unmittelbar zur Durchsetzung der „Werte“ benutzt wird. Er setzte den Moralimperialismus in der auswärtigen Politik durch. Und er veränderte die Republikanische Partei. Schon in den 90ern und unter der Bushadministration setzte ein klares Revival der Parteien ein. Von einem Niedergang der Parteien in den USA (eine Rede, die in den 70er common sense war) spricht kaum noch jemand. Zugleich wurden sie verändert: sie wurden in den 80ern Zentren ideologisch profilierter Formationen – Partisanship ist angesagt. Während unter den republikanischen Präsidenten Eisenhower, Nixon und Ford gleichsam ein pragmatischer Zentrismus des kalten Krieges herrschte, änderte sich dies unter Reagan. Er gewann die religiösen Konservativen und die Kalten Krieger aus dem Lager der demokratischen Partei. Nach dem Zensus des Jahres 2000 entschieden die Parteien einen Zuschnitt der Wahlkreise, der rund 90 % der Sitze sicher der einen oder anderen Partei zuordnete, wodurch eine klare Mehrheit einer Partei verhindert wurde und die Entstehung oder Durchsetzung einer aussichtsreichen dritten Partei erschwert wurde.

Die Aussichten sind eigentlich recht trübe: “Bush will cause great harm elsewhere, as well: He will despoil the environment, stack the Supreme Court, redistribute wealth upwards, deregulate corporations, jeopardize a woman's right to choose, deny the right of marriage to gay couples and lesbian couples, and continue to trample on our civil liberties. Social Security will be undermined, and Medicare and Medicaid restricted. On foreign policy, Bush will lead us deeper into the Iraq quagmire and perhaps on to even more lethal adventurism in Iran or North Korea. This is a victory for reaction, for war, and for primitive capitalism.” (Matthew Rothschild im Progressive) oder Maureen Dowd in der New York Times: “The president got re-elected by dividing the country along fault lines of fear, intolerance, ignorance and religious rule. He doesn't want to heal rifts; he wants to bring any riffraff who disagree to heel. W. ran a jihad in America so he can fight one in Iraq - drawing a devoted flock of evangelicals, or "values voters," as they call themselves, to the polls by opposing abortion, suffocating stem cell research and supporting a constitutional amendment against gay marriage. Mr. Bush, whose administration drummed up fake evidence to trick us into war with Iraq, sticking our troops in an immoral position with no exit strategy, won on "moral issues."...He's creating the sort of "democracy" he likes. One party controls all power in the country. One network serves as state TV. One nation dominates the world as a hyperpower. One firm controls contracts in Iraq. …”

Paul Krugman dagegen, kurz vor seinem Urlaub und auch in der New York Times, wurde noch einmal pathetisch: “We will not surrender, and, more importantly, we will not compromise our moral values by catering to those who wish to persecute gays, end abortion rights, and end the New Deal President Bush isn't a conservative. He's a radical - the leader of a coalition that deeply dislikes America as it is. Part of that coalition wants to tear down the legacy of Franklin Roosevelt, eviscerating Social Security and, eventually, Medicare. Another part wants to break down the barriers between church and state.“

Schluss: es gibt kein Zentrum mehr

Tatsächlich sollte die enorme Anti-Bush-Welle nicht vergessen werden, auch wenn sie keinen unmittelbaren parlamentarischen Wahlsieg brachte. Im Unterschied etwa zu 1972, als die Demokraten in den Wahlen geradezu ausgelöscht wurden, scheint dieses Mal eine stabilere Infrastruktur entstanden zu sein. Auch wenn die dominierende Gruppe in der Demokratischen Partei für eine Wende nach rechts plädiert, um in den „roten“ Südstaaten wieder konkurrenzfähig zu werden – auch mit einer anderen Politik kann die Rechte geschlagen werden, wie das Beispiel des US Senators Russ Feingold aus Wisconsin zeigt, der gegen den Patriot Act und gegen die Kriegsermächtigung für Bush stimmte – und mit 55 : 44 % gegen einen republikanischen Millionär seinen Senatssitz verteidigte. Die Linke, auch soweit sie in die Partei der Demokraten hineinreicht, wird nur dann einen Wahlsieg erreichen, wenn sie in ihren politischen Projekten den politischen Ansatz der Strategie der politischen Rechten reflektiert, den Alan Wolfe in der FAZ so beschrieben hat: „Nicht die Tatsache, daß Bush gewonnen hat, ist wichtig, sondern wie er es tat. Der eigentliche Radikalismus der Regierung Bush liegt in den Annahmen, die sie über die amerikanische Wählerschaft macht – und in den Strategien und Taktiken, mit denen sie sich diese Annahmen zunutze macht. Anders als die meisten früheren Präsidentschaftskandidaten in der amerikanischen Geschichte hat Bush nicht versucht zu gewinnen, indem er an das „vitale Zentrum“ der Gemäßigten und Unabhängigen appellierte. Im Weltbild des politischen Hauptberaters von Bush, Karl Rove, gibt es kein Zentrum, an das man appellieren sollte. Nach Ansicht von Karl Rove sind die Vereinigten Staaten eine so stark polarisierte Nation, daß die einzig aussichtsreiche Strategie nur darin bestehen kann, die Basis der engagierten Wähler um den Kandidaten zu versammeln.“

Die neue Administration wird diese Politik fortsetzen – auch für sie wird es kein Zentrum mehr geben.