Publikation Parteien / Wahlanalysen - Staat / Demokratie - Soziale Bewegungen / Organisierung Grenzen der Mathematik: Lauter Sieger

Alle vier im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien haben gestern in Nordrhein-Westfalen gesiegt. Die Grünen und die FDP können dies bei Zugewinnen um 3,0 bzw. 2,5% bei stabiler (niedriger) Wahlbeteiligung von rund 55% mit einigem Recht behaupten, bei Christ- und Sozialdemokraten fällt dies angesichts von Verlusten von 6,9 bzw. 2,2% etwas schwerer. Text der Woche 38/2004

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Online-Publ.

Autor*in

RLS,

Erschienen

September 2004

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Anmerkungen zu den NRW-Kommunalwahlen

Alle vier im Bundestag in Fraktionsstärke vertretenen Parteien haben gestern in Nordrhein-Westfalen gesiegt. Die Grünen und die FDP können dies bei Zugewinnen um 3,0 bzw. 2,5% bei stabiler (niedriger) Wahlbeteiligung von rund 55% mit einigem Recht behaupten, bei Christ- und Sozialdemokraten fällt dies angesichts von Verlusten von 6,9 bzw. 2,2% etwas schwerer.

Die mehr oder weniger Großen: CDU und SPD

Die Christdemokraten können zwar durchaus darauf verweisen, dass sie 1999 ein sensationell gutes Ausnahmeergebnis erreichten und immer noch fast 13% Vorsprung zur SPD aufweisen, aber zum Jubeln gibt ihnen ihr Resultat nun wirklich keinen Anlass. Es reiht sich ein in die Stagnation bzw. Rückschritte, die die Unionsparteien spätestens seit den Europawahlen im Juni erleben: Europaparlament, Landtage von Thüringen, Brandenburg und Sachen mit Verlusten zwischen 4 und fast 16%. Selbst hinter dem Zugewinn im Saarland im September verbergen sich bei näherem Hinsehen deutliche absolute Stimmenverluste infolge der um 13% gesunkenen Wahlbeteiligung. Die nationalen Umfragewerte der Union sinken seit einem Hoch im späten Winter ebenfalls deutlich (siehe z.B. www.wahlrecht.de). Das fiel im Juni angesichts immer neuer SPD-Tiefststände noch nicht so auf, lässt sich aber seit dem 19. September nicht mehr übersehen. Die letzten wirklich fulminanten Unionssiege waren Niedersachsen (Februar 2003) und Hamburg (Februar 2004), mit Abstrichen noch Bayern (September 2003) und Saarland (September 2004). Daraus nun allerdings im Umkehrschluss abzuleiten, die SPD habe die Trendwende geschafft, ist einigermaßen gewagt. Das gestrige Kommunalwahlergebnis in NRW ist das schlechteste SPD-Resultat an Rhein und Ruhr seit der Befreiung vom Nationalsozialismus – schlechter noch als 1946 und 1999. Wenn das gestrige Ergebnis eine Trendwende für die SPD war, dann kann die PDS mit gleicher Berechtigung behaupten, ihre gestrigen moderaten Zuwächse stellten einen definitiven Durchbruch im Westen dar. Richtig ist allenfalls, dass sich die SPD bei verschiedenen Wahlen der letzten Monate (Hamburg, Saarland, Brandenburg, NRW) bei 30-32% einzupendeln scheint – freilich in Ländern, in denen sie vergleichsweise stark ist (oder war). Bayern, Thüringen und Sachsen sprechen mit Ergebnissen zwischen knapp 10 und knapp 20% eine andere Sprache. Die SPD stabilisiert sich nur insofern, als die Unionsparteien ebenfalls Probleme auf ihrem Weg zur zwischenzeitlich wahrscheinlich erscheinenden nahezu flächendeckenden Macht in Bund und Ländern bekommen haben. Möglich aber, dass die Autosuggestion der SPD in Verbindung mit dem Bedürfnis der Medien nach neuen Themen („Niedergang der SPD“ ist inzwischen abgenutzt), abflauenden Anti-Hartz-Protesten, einem Bedürfnis vieler Menschen nach Stabilität und schließlich einem zumindest verbalen Lagerwahlkampf (Kopfpauschale vs. BürgerInnenversicherung, evtl. Mindestlöhne, Tarifautonomie u.a. als Themen) seine Wirkung zeigt. Insofern ist die Landtagswahl in NRW im Mai 2005 tatsächlich noch nicht entschieden. Wenn die SPD allerdings auf die Erfahrungen von 1999/2000 verweist (Kommunalwahlen mit 50 zu 34% für die CDU, Landtagswahlen mit 43 zu 37% für die SPD), dann sollte nicht vergessen werden, dass im Winter 1999/2000 der Parteispendenskandal die Union in ein katastrophales Tief zog. Weitere „jüdische Vermächtnisse“ sind nicht unbedingt zu erwarten, so dass eine nahtlose Gleichsetzung von 1999/2000 zu 2004/2005 nicht sinnvoll ist. Dennoch ist ein knapper Wahlausgang zwischen SPD/Grünen und CDU/FDP im nächsten Mai möglich.

Eine gewisse Befriedigung mag die SPD aus dem Einbruch der CDU in einigen großen Städten ziehen. Vor allem in Köln, Essen und Bonn (jeweils rund 13%), aber auch in Dortmund, Münster, Oberhausen und Bochum verlor die CDU überproportional. Allerdings gelang es ihr in Düsseldorf, den ebenso wirkungsvollen wie umstrittenen Oberbürgermeister Joachim Erwin im ersten Wahlgang durchzubringen. Kölns OB Schramma stand zum Glück für die CDU nicht zur Wahl. In Bonn errang die SPD-Bürgermeisterin Barbara Dieckmann einen deutlichen Sieg – angesichts der knappen SPD-Personaldecke fragt sich, wie lange sie noch in Bonn bleiben (darf). In Dortmund schrammte der SPD-Kandidat nur knapp an der absoluten Mehrheit vorbei und muss so in eine Stichwahl, die auch in Duisburg und einer Reihe anderer Städte ansteht. In Wuppertal hingegen schlugen lokale Besonderheiten durch – SPD und CDU verloren stark, vor allem die Sozialdemokraten, deren affärengezeichneter OB Kremendahl nicht einmal mehr ein Drittel der Stimmen bekam (und die SPD weniger als 30%) – in der Stadt von Friedrich Engels und Johannes Rau. Nur in Oberhausen (und einigen wenigen anderen Städten) bleibt die alte SPD-Ruhrwelt so halbwegs in Ordnung – 50% der Stimmen bei der Ratswahl plus im ersten Wahlgang gewählter OB. Und auch für die PDS ist Oberhausen auf einmal eine Stadt, die man kennen sollte – 6% der Stimmen, eine Verdoppelung gegenüber 1999 und das beste Resultat in einer Großstadt in NRW (rund 200.000 Einwohner).

Grüne als neue Großstadtpartei? Zum Beispiel: Köln

Verallgemeinernd kann vorläufig festgestellt werden, dass die CDU in den meisten Großstädten stärker als auf Kreistags- und Gemeindebene verloren hat, während die Gewinne der Grünen, an die wir uns seit 2002 nach Beendigung einer mehr als vier Jahre währenden Niederlagenserie ja gewöhnt haben, im ländlichen Raum ebenso ausgeprägt zu sein scheinen wie in ihren großstädtischen Hochburgen (besondere Zuwächse gab es in u.a. Münster, Düsseldorf, Aachen).

Dazu im Gegensatz steht das das Abschneiden der Partei in Köln mit 16,6%, einem mageren Prozentpunkt Zuwachs. Hier hatten sich die Grünen im Sommer nach ihren spektakulären Erfolgen bei den Europawahlen (Resultate zwischen 22 und 25% in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Bremen) bereits Hoffnungen gemacht, als neue Großstadtpartei mit einem Viertel Stimmenanteil noch vor der SPD zu rangieren. Zu Unrecht, denn offenbar hat die schwarz-grüne Klüngelvariante doch nicht nur Begeisterung im (post-) alternativen Milieu ausgelöst. Angesichts der Wohnungsprivatisierungen, der Posse um den Kulturdezernenten und der Hochhausgigantonomie in der Innenstadt (zum Ärger der UNESCO und bei Gefährdung des Weltkulturerbe-Status) ist das Ergebnis aber noch ziemlich gut.

Farbentechnisch wäre nun die „schwarze Ampel“ (CDU, Grüne, FDP) denkbar, oder die richtige Ampel (SPD, Grüne, FDP), oder mal wieder CDU-SPD – irgendetwas wird sich schon finden. Im neuen Stadtrat tummeln sich 9 Parteien und Listen. Besonders ärgerlich sind dabei „Pro Köln“ mit 4,7% und die „Republikaner“ mit 0,9% (die NPD kam bei soviel rechter Konkurrenz nur auf 0,3%). Auf der Linken kam die PDS auf 3% (immerhin ein Anstieg von knapp 7.000 auf über 10.000 Stimmen) und errang 3 Mandate. Selbst das linksradikal-traditionelle Bündnis „Gemeinsam gegen Sozialraub“ zog mit einem Vertreter in den Rat ein, trotz gerade einmal 0,64% der Stimmen. Gleiches gelang der von Jutta Dittfurth unterstützen Ökologischen Linken mit 0,44% nicht. Das „Kölner Bürgerbündnis“ zog mit 1,7% und 2 Mandaten ebenfalls in den Rat ein.

PDS, linke Listen und WASG

Die PDS hat landesweit 1,4% der Stimmen errungen, ein Zuwachs um 0,6% bzw. um knapp 40.000 auf 100.000 Stimmen. Dieser Zuwachs erklärt sich sowohl aus realen Zugewinnen in (fast) allen Städten und Kreisen, in denen die PDS wieder kandidiert, wie aus einer größeren Zahl von Kandidaturen. Zum Vergleich: 2002 erreichte die PDS bei einer Wahlbeteiligung von 80% 125.000 Stimmen in NRW (=1,2%), bei den Europawahlen 2004 112.000 Stimmen =2,1%). Die leicht unterschiedliche Zusammensetzung der Wahlberechtigten[ii] ist dabei zu vernachlässigen. Da die PDS nach wie vor nur in einem Teil der kreisfreien Städte und nur in wenigen Kreisen kandidierte, ist ihr aktuelles Landespotenzial höher anzusetzen; andererseits handelt es sich bei den Kandidaturorten natürlich um (relative) „Hochburgen“.

Aus den PDS-Ergebnissen in den Großstädten ragt Oberhausen (gut 200.000 Einwohner) heraus: 6,0%, fast eine Verdoppelung gegenüber 1999. An zweiter Stelle rangiert Duisburg (gut 500.000 Einwohner), wo die PDS 5,2% (plus 1,0) erreichte. Ein Sonderfall ist das kleine Wülfrath (22.000 Einwohner), wo die „Demokratische Linke“ (mit PDS-Beteiligung) um Klaus Jann 16,8% (plus 5,9%) erreichte[iii]. In den Großstädten über 100.000 Einwohnern kam die PDS vielfach auf Ergebnisse zwischen 3 und 4% (Moers, Wuppertal, Recklinghausen, Herne, Bochum, Gelsenkirchen, Neuss, Mönchengladbach), mit unterschiedlich deutlichen Zuwächsen. In den vier größten Städten des Landes erreichte die PDS jeweils rund 3%: Köln (2,96 – plus 0,9), Dortmund (2,8%, erstmalige Kandidatur), Essen (3,1%, plus 0,6), Düsseldorf (2,9%, plus 0,6). Zwischen 2 und 3% erhielt die PDS u.a. in Bielefeld, Hagen, Aachen und Witten, wobei nur in Bielefeld ein geringer Rückgang (von 2,8 auf 2,7) zu verzeichnen war. Bemerkenswert ist das relativ gute Kreistagsergebnis in Düren (2,9%), während in Bonn und Münster (1,8 bzw. 1,5%, plus 0,3/0,1) sowie im Rhein-Sieg-Kreis (1,6%) Ergebnisse von weniger als 2% erreicht wurden. Insgesamt erreichten die PDS und von ihr unterstützte Listen (wie in Wülfrath) rund 120 Mandate, eine Verdoppelung gegenüber 1999. In 7 Städten und einem Kreis haben die PDS bzw. von ihr unterstützte Listen nun Fraktionsstatus (Bochum, Kreistag Düren, Duisburg, Moers, Oberhausen, Velbert, Wülfrath, Wuppertal) – 1999 waren es nur 2 (Duisburg, Wülfrath).

Eine seriöse Antwort auf die Frage, ob in der PDS-WählerInnenschaft im Westen eine Verschiebung hin zu benachteiligten, sozial bedrohten Stadtteilen bzw. traditionelleren Milieus und damit bedingt weg von alternativ-bildungsbürgerlichen Wählergruppen stattfindet, ist angesichts der geringen Stimmenanteile und folglich schmalen Datenbasis kaum zu geben. Die leichten Verschiebungen bei den Europawahlen (z.B. deutlichere Zugewinne im Ruhrgebiet, Stagnation oder leichte Rückgänge in Hamburg) und die Zuwächse am 26.9. in Oberhausen und Bochum (bei mäßigen Resultaten etwa in Bonn und Münster) könnten darauf hindeuten. Doch handelt es sich allenfalls um minimale Verschiebungen, die erforderlichenfalls der genaueren Untersuchung bedürfen.

Das NRW-Ergebnis der PDS bestätigt den bescheidenen Aufwärtstrend der PDS im Westen, der schon bei der Europawahl (1,6%), den Kommunalwahlen (1,9%) und den Landtagswahlen im Saarland (2,3%) seit dem Juni festzustellen war. Auch wenn das Ergebnis Ausdruck eines allgemeinen Trends der Stabilisierung der PDS wie auch die beharrliche Arbeit der ParteivertreterInnen „vor Ort“ ist, unterstreicht es, dass das grundlegende Problem der PDS als einer vorwiegend ostdeutschen Regionalpartei nicht überwunden ist. Für die Bundestagswahlen 2006 sind die Resultate aus dem Juni und September allerdings insofern ermutigend, als ein Zuwachs im Westen (nach 1,1% 2002, 1,2% 1998 und 0,9% 1994) möglich ist. Die PDS hat im Westen bei fast allen Wahlen (Ausnahme: Saarland 2004) bei nationalen Wahlen besser als bei regionalen abgeschnitten. Die PDS wird die Weststimmen wahrscheinlich auch brauchen, denn ein Einzug alleine auf Ostdeutschland gestützt (wozu rund 27% notwendig wären) mag im Augenblick möglich erscheinen, ist aber sehr ungewiss.

Das Problem der PDS im Westen sind dabei nur in Ausnahmefällen traditionelle linke Konkurrenzlisten. Der Erfolg der DKP in Bottrop (6,5% nach 4,4%) oder etwa in Püttlingen im Saarland hat mit starker lokaler Tradition und solider Kommunalpolitik, weniger mit einem Aufschwung der DKP zu tun (wie etwa die Europawahlen oder die Landtagswahlen in Brandenburg zeigten), genauso wenig wie die KPÖ nach ihrem Erfolg in Graz nun auf dem Weg in den österreichischen Nationalrat ist. Entsprechend ist es auch richtig, dass die PDS, wenn sie selbst lokal nicht so gut verankert ist, keine ideologisch motivierten Konkurrenzsituationen schafft. Auch die MLPD dürfte, obwohl die von ihr mitgetragene Liste AUF (Schalke?) in ihrem Stammsitz Gelsenkirchen 3,0% erreichte, kaum zur Speerspitze der neuen Volksbewegung werden. In Köln schaffte „Gemeinsam gegen Sozialraub“ zwar den Einzug in den Stadtrat, 0,6% sind aber auch kein Aufsehen erregendes Resultat. Das Problem der PDS besteht also nicht darin, dass andere, sich weiter links verstehende Parteien sie im Westen überflügeln könnten. Ihr Problem besteht zum einen darin, dass sie nach wie vor eine nur mäßige Anziehungskraft auf das links-alternative und undogmatisch-linksradikale Milieu ausübt. Wahlpolitisch ist dieses Spektrum zwar nur noch begrenzt relevant, zur kulturellen, programmatischen und organisationspolitischen (Weiter)Entwicklung einer innovativen, bewegungsoffenen Partei ist die geringe Bezugnahme dieses Spektrums auf die PDS aber ein Handicap. Ausbaufähig, wenngleich die PDS hier durchaus schon eine gewisse Verankerung hat, ist auch die Orientierung auf migrantische Akteure, eine Schlüsselgruppe in Großstädten sowohl aus inhaltlichen wie aus taktischen Gründen. Das Hauptproblem der PDS aber liegt darin, dass es die PDS im Westen nur in geringem Maße schafft, in der wachsenden Gruppe der „neuen“ NichtwählerInnen bzw. bei den bisherigen SPD-WählerInnen Fuß zu fassen.

Die Wahlbeteiligungen vom 19. und 26. September signalisieren zwar relative Stabilität im Vergleich zu 1999 (rund 55-59%) und deuten zusammen mit den Ergebnissen im Saarland und Bayern (September 2003) auf einen möglichen neuen Normalbereich von 54-60% auf kommunaler und Länderebene hin. Bei verschiedenen Kommunalwahlen und bei den Europawahlen haben wir aber in letzter Zeit auch eine Spanne von knapp 40 bis knapp 50% erlebt. Der Hinweis, dass der Trend zu niedrigen Wahlbeteiligungen auch in entwickelten parlamentarischen Demokratien ein genereller ist, darf kein Trost sein, es sei denn, man nähme gefährlicher Weise an, daraus entstünde eine radikalere, direkte Beteiligungsform. Eine gelegentliche Nichtwahl aus bewussten Gründen kann sicherlich eine sinnvolle politische Ausdrucksweise sein, aber der stetige und massenhafte Rückgang der Wahlbeteiligung drückt in vielen Fällen wohl auch generelle Resignation und Rückzug aus. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, das müsse die herrschende Politik erschrecken – das Beispiel USA spricht dagegen.

Es bleibt also die Frage nach der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG). Bei den Kommunalwahlen trat sie nicht an, und auch medial ist es seit Anfang September wieder ruhig um sie geworden. Es gab einige lokale Listen mit einem z.T. sozialdemokratischen Hintergrund: In Mühlheim an der Ruhr schaffte die „Mühlheimer Bürgerinitiativen“ (MBI) gut 10% der Stimmen, sie kandidierte aber bereits 1999 mit gut 5% erfolgreich. In Herne, wo die PDS 3,4% und 2 Sitze bekam, schaffte es die „Alternative Liste“ (mit vielen Ex- und Noch-Sozialdemokraten) auf 4,3% (3 Sitze). In der Stadt Recklinghausen bekam „Basta“, eine SPD-kritische Reformliste, einen von 56 Sitzen, die PDS trat nur auf Kreisebene an, wo sie 3,5% der Stimmen bekam. Die Liste „AUF“ in Essen schaffte nur 0,8% gegenüber 3,1% für die PDS (und 0,8% der DKP). Weitere lokale Listen könnten als AnsprechpartnerInnen der WASG dienen, im ganzen erlauben diese Kommunalwahlen aber nur wenige Rückschlüsse für die WASG.

Auf der Basis der Mitgliedschaftszahlen am 30.9. (derzeit etwa 4.500 Mitglieder) erfolgen im Oktober die Wahlen für WASG-Landesvorstände und für Delegierte zur Bundesversammlung, die Ende November oder Anfang Dezember stattfinden soll. Die Frage, ob sich die WASG und die PDS an der Landtagswahl in NRW im Mai 2005 beteiligen, ist gegenwärtig offen. Das Resultat der Kommunalwahlen bringt für die WASG keine Klärung, weder als Bestärkung (da sie selbst nicht antrat und vereinzelte SPD-Abspaltungen unterschiedlich erfolgreich waren, die PDS passabel abschnitt und die SPD ihre Talfahrt leicht bremsen konnte), noch als Abschreckung (von einer Trendwende der SPD kann noch keine Rede sein, und die PDS auch keinen großen Durchbruch schaffte). Tendenziell werden die Rahmenbedingungen für die WASG, die bisher von einer sehr großen und keineswegs durchweg negativen Berichterstattung profitierte, in den nächsten Monaten nicht besser werden. Das Gefühl des Bruchs mit der sozialdemokratischen Tradition geht tief, so dass die WASG nach wie vor Chancen besitzt. Sie müsste aber die PDS stärker als Faktor in ihre Überlegungen einbeziehen, als dies im Frühjahr der Fall war. Wie die PDS, deren Stärke im Osten neben vielen Vorteilen auch das Problem einschließt, dauerhaft nur als ostdeutsche Regionalpartei wahrgenommen und also im Westen schwer akzeptiert zu werden, hat auch die WASG ein objektives Dilemma: Programmatisch und taktisch liegt eine Kooperation mit der PDS nahe, doch würde diese gleichzeitig die Ausschöpfung des vage erkennbaren WASG-Potenzials im Westen erschweren.

Insofern haben die Kommunalwahlen für die Entwicklung der WASG keinerlei, für die Zukunft der PDS ansatzweise eine Klärung mit sich gebracht. Wirklich neu war nur die Erkenntnis, dass es auch ohne Steigerung der WählerInnengesamtzahl oder neue mathematische Regeln lauter Sieger und keine Verlierer bei einer Wahl geben kann.

 

 

[i] Ergebnisübersichten finden sich unter www.wdr.de und www.wahlen.lds.nrw.de/kommunalwahlen/2004/index.html. Allerdings sind diese z.T. ungenau (v.a. beim WDR) bzw. handeln kleinere Parteien und Wählergruppen recht pauschal ab (Statistisches Landesamt), so dass sich der Blick auf die jeweiligen Gemeinde-Websites lohnt. Zu den Ergebnissen der PDS siehe auch: www.pds-nrw.de/KWK.htm. Auf statistische Einzelbelege wird im Folgenden verzichtet.

[ii] Bei den Kommunalwahlen sind auch 16- und 17-Jährige sowie EU-BürgerInnen, bei der Europawahl EU-BürgerInnen wahlberechtigt, die Beteiligung in beiden Gruppen ist aber unterdurchschnittlich, so dass die Gesamtzahl und damit der Einfluss auf das Gesamtergebnis nicht entscheidend sind

[iii] Erwähnenswert auch die PDS-Ergebnisse in Velbert (rund 90.000 Einwohner) mit 4,3% und Windeck (21.000 Einwohner) mit 3,7%.