UTOPIE kreativ, H. 112 (Februar 2000), S. 144-148
Roland Claus – Jg. 1954, Diplomingenieur-ökonom; nach Studium an der TH Leuna-Merseburg von 1978 bis 1989 in verschiedenen FDJ-Wahlfunktionen tätig (u.a. 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Halle); von 1990 bis 1997 Landesvorsitzender der PDS Sachsen-Anhalt und bis 1998 Mitglied des Landtages; seit Okt. 1998 Mitglied des Bundestages, Parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion. |
Dieser Text ist die nach dem Mitschnitt der freien Rede entstandene Druckfassung eines Beitrags, den der Autor auf der Konferenz der Bundesstiftung Rosa Luxemburg »Die PDS im Parteiensystem« am 4. Dezember 1999 in Berlin hielt. |
Die PDS ist eine, zumindest in Teilen, extremistische und modernisierte kommunistische Partei. Eine ›Erneuerung‹ jenseits der Anpassung der PDS ist nicht erkennbar, noch weniger ihre Demokratisierung. Auch nach der Bundestagswahl 1994 führt sie ihren Angriff auf die Demokratie in Deutschland fort. Die Tarnung ist fast perfekt: Mit peppigem Image und einem scheinbar moderaten Programm versucht die PDS, ihre wahren Absichten vor den Augen der Öffentlichkeit zu verstecken. Jürgen P. Lang, Patrick Moreau, Viola Neu: Auferstanden aus Ruinen …? Die PDS nach dem Super-Wahljahr 1994. Interne Studien Nr. 111/1995, herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, Dezember 1995 (im folgenden: KAS-Studie 1995), S. 206 |
Insgesamt scheint es wahrscheinlich, daß die PDS den Höhepunkt ihrer Wählermobilisierung erreicht hat. Sie hat sich an einer fest umreißbaren politischen Konfliktlinie – Einigungsgewinner vs. -verlierer – formiert. Im Prozeß des deutsch-deutschen Zusammenwachsens wird diese Konfliktlinie auf Dauer an Bedeutung verlieren, wodurch die Wählermobilisierung entlang dieses Konfliktes schwieriger wird. Die PDS als Partei des Status quo ante wird mittelfristig ihre Stammklientel gewinnen können, daß sie den bisherigen Wählerstamm noch weiter ausbauen kann, erscheint als eher unwahrscheinlich. KAS-Studie 1995, S. 205. Die PDS ist in den neuen Ländern zu einem unübersehbaren Machtfaktor geworden. Sie hat seit 1990 ihr Wählerpotential konstant erweitert und ihren Platz im politischen System der Bundesrepublik nicht nur behauptet, sondern auch ausgebaut. … Auch das Wahljahr 1999 bestätigte auf der Wählerebene den beständigen sanften Aufstieg der PDS. … In Ostberlin ist sie mit großem Abstand die stärkste politische Kraft. Viola Neu: Die PDS 10 Jahre nach dem Fall der Mauer. Analysen und Positionen, herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung, St. Augustin, Oktober 1999 (im folgenden: KAS-Studie 1999), S. 1. |
Die CDU und die PDS besetzen gegensätzliche politische Pole. Daher weist das Parteiensystem in den neuen Ländern eine Tendenz zur Bipolarität auf. FDP und Bündnis 90/Die Grünen sind in die politische Bedeutungslosigkeit gefallen, die SPD hat ihren Anspruch, linke Volkspartei im Osten zu sein, nicht umsetzen können. In der Konkurrenz mit der PDS verliert die SPD die Zustimmung der Wähler; profitieren können hiervon – aus unterschiedlichen Gründen – CDU und PDS. KAS-Studie 1999, S. 2. |
Verkürzt man die Wahlmotive, wird die PDS aus einer Mischung von ›Wir-Gefühl‹ und Protest heraus gewählt; die CDU, weil sie die zukunftsfähigen (sach)politischen Konzepte anbietet. Daraus ergibt sich auch, daß eine pauschale Ablehnung der PDS nicht trägt und eine inhaltliche Auseinandersetzung um die besten Lösungsansätze in der politischen Realität notwendig ist. KAS-Studie 1999, S. 7. |
Blickt man auf zehn Jahre parlamentarischer Arbeit der PDS zurück, so können Erfolge konstatiert werden, die wir uns am Beginn vielleicht auch selbst gar nicht zugetraut hätten. Diese haben natürlich viele ›Väter‹ und ›Mütter‹. Auch – und nicht zu knapp – äußere.
Zu nennen wäre da zunächst die Strategie der Sozialdemokraten von 1989/90, mit dieser SED nichts, aber auch gar nichts zu tun haben zu wollen. Seitdem ist die SPD in einer Situation, daß sie jegliche Kooperation mit der PDS immer nur in dem Maße gestaltet, wie es ihr von der CDU/CSU erlaubt wird. Das ist ein ernstes Problem. Wir waren dort bereits ein ganzes Stück weiter. Insbesondere in der Binnenkooperation – in internen Absprachen – waren wir bis zum Abgang von Lafontaine in einer qualitativ spannenden Phase, die später ziemlich jäh unterbrochen wurde. Wir arbeiten an diesen ›Background-Kontakten‹ zwar intensiv, aber mühselig und bisher weitgehend erfolglos weiter. Was die CDU im zu Ende gehenden ›System Kohl‹ gegenüber der PDS veranstaltet, läuft auf eine duale Strategie hinaus. Auf der einen Seite öffentliche Ab- und Ausgrenzung, auf der anderen Seite die Benutzung der PDS als Keule in der Hand der CDU gegenüber der SPD.
Spannend ist für mich eine (noch ziemliche neue) Erkenntnis: daß der Antikommunismus für die westdeutschen Bundesländer – also auch für die ›einfachen‹ Bürgerinnen und Bürger – ein offenbar viel größeres identitätsstiftendes Moment war, als ich bisher dachte. Bisher hielt ich immer die positive Beziehung auf das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung für das in dieser Beziehung Entscheidende. Davon mag eine Menge ausgehen, aber welche wichtige Rolle dabei der Antikommunismus spielt, das hätte ich so nicht erwartet.
Auch die Bürgerbewegung hat ihren Teil zur Stärkung der PDS beigetragen, indem sie ihre PDS-Kritik auf die Formel reduziert hat: »Jagt die SED!« Damit hat sie sich sehr schnell einen ›Anti-Ost-Bonus‹ verschafft. Infolgedessen ist sie schließlich im Osten so eingebrochen, daß selbst die Parteizentrale der Bündnisgrünen den Wahlkämpfen im Osten kaum noch Bedeutung beimißt.
Natürlich hat auch die PDS selbst etwas zum eigenen Erfolg beigetragen. Sie hat vielleicht mehr Chancen genutzt, als sie selbst hatte. Der Drang der PDS in die Parlamente war für sie mit dem Zwang verbunden, sich gegenüber der Gesellschaft zu öffnen. Es wäre mit der PDS sicherlich nichts geworden, wenn man uns mit uns selbst in Ruhe gelassen hätte. Dies allein reicht natürlich noch nicht für Zukunft, aber es spricht für unsere Resistenz – und auch für die Fähigkeit, die Strategien der anderen gegenüber der PDS zum eigenen Vorteil auszunutzen. Und wie die Situation sich gegenwärtig darstellt, können wir uns wohl auf unsere Konkurrenten dahingehend verlassen, daß sie auch zukünftig Strategien entwickeln werden, die der PDS eher nutzen als schaden.
Auf allen Ebenen der parlamentarischen Arbeit gibt es heute sowohl Ausgrenzung und Wettbewerb als auch – zumindest in Ansätzen – Akzeptanz und Kooperation. Aber auch hier genügt natürlich nicht »die einfache Wahrheit« (Volker Braun). Wenn man es sich einfach machen wollte, könnte man sagen: Kooperation findet vor allem in Schwerin und Magdeburg statt (wobei in der Öffentlichkeit bemerkenswerterweise kaum noch zwischen den beiden unterschiedlichen Kooperationsformen differenziert wird); Wettbewerb hätten wir dann in Dresden und Erfurt, wo die PDS nach den letzten Landtagswahlen nicht nur den Listenplatz mit der SPD getauscht hat, sondern in eine neue ›Spielklasse‹ aufgestiegen ist; und Ausgrenzung findet in Berlin statt – auf Landes- wie auf Bundesebene.
Es lohnt aber, sich der Problematik noch etwas differenzierter zu nähern. Die PDS hat sich sicherlich seit 1989/90 häufig geirrt. Mehr als sie selbst geirrt aber haben sich ihre Kritiker, Beobachter und Begleiter. Dafür gibt es eine Reihe von Indizien. So habe ich zum Beispiel am 17. Januar 1994 – das ist das historisch exakte Datum – auf einer Landespressekonferenz in Magdeburg erklärt, daß gegen die drohende ›Große Koalition‹ in Sachsen-Anhalt auch ein Tolerierungsmodell denkbar wäre. Darauf reagierten dann die akademischen Politikwissenschaftler aus Halle mit längeren Abhandlungen, in denen sie – bis zum Wahltag und darüber hinaus – unablässig ihre Studentinnen und Studenten belehrten, warum es völlig unmöglich sei, daß es je in Deutschland zu einer solchen Tolerierung kommen könne. Das wären lediglich Ausnahmeerscheinungen in skandinavischen Ländern. Dieselben Herren Professoren lassen heute Dissertationen über das »Magdeburger Modell« schreiben. Ein anderes Beispiel ist der persönliche Phantasieverzicht von Reinhard Höppner, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, der seit dem ersten Zustandekommen einer Tolerierung bei allen Gelegenheiten erklärt, daß er sich deren Wiederholung nicht vorstellen könne. Kürzlich hat er nun erklärt, daß für ihn eine Situation nicht vorstellbar ist, in der die PDS als stärkerer Partner mit einer SPD in Juniorposition koaliert. Aber seit wann ist Mangel an Phantasie ein politisches Argument?
Die PDS hat sicherlich viele Brüche, Irrungen und Wirrungen hinter sich. Und sie hat sich dabei erheblich gewandelt. Noch größer als der Wandel der Partei selbst waren jedoch die Wandlungen in der Kritik der PDS. Man vergleiche nur die jüngste Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung über die PDS vom Oktober 1999 mit entsprechenden früheren Arbeiten (siehe Marginalien – d. Red.).
Auch die Situation im Bundestag stellt sich differenziert dar. Da ist zunächst die harte Ausgrenzung. So wurden zum Beispiel Ende 1999 vier Enquête-Kommissionen eingesetzt. Der Beschluß über deren Einsetzung wird formell durch alle anderen Fraktionen, aber nicht durch die PDS getragen – jedoch nicht, weil die PDS etwas gegen diese Kommissionen hätte, sondern weil ihr das Recht auf Mitwirkung durch die andern Fraktionen verweigert wird. Ähnliches hat vor kurzem auch bezüglich eines Antrags im Bereich der Entwicklungspolitik stattgefunden, als es darum ging, einen fraktionsübergreifenden Beschluß zur Unterstützung der Opfer einer Sturmkatastrophe in Lateinamerika zu fassen. Dieser Antrag ist am Widerstand der CSU und derjenigen Ost-Bürgerrechtler, die heute in der CDU sind, gescheitert, weil diese um jeden Preis gemeinsame Beschlüsse zusammen mit der PDS vermeiden wollen. Daß dies für die CDU selbst allmählich zum Problem werden könnte, hat zumindest der Parteivorsitzende Schäuble bereits erkannt, aber bisher konnte auch er sich nicht gegen die ›hardliner‹ in den eigenen Reihen durchsetzen.
Die aggressivste Konfrontation mit der PDS betreibt allerdings die Fraktion der Bündnisgrünen. Das hängt insbesondere mit der Situation um den Kosovo-Krieg zusammen.
Inzwischen findet im Bundestag aber auch ein Wettbewerb zwischen den Parteien unter Einschluß der PDS statt. Das wäre noch vor zwei Jahren nahezu undenkbar gewesen. Die CDU analysiert zum Beispiel inzwischen ziemlich genau die Positionen der PDS, und zwar insbesondere dann, wenn es um Ost-Fragen geht. So wird die PDS in den Debatten immer öfter mit Aussagen ihrer Landtagsabgeordneten – zum Beispiel zum Braunkohleabbau – konfrontiert, weil die CDU erkannt hat, daß Braunkohle für die PDS ein ›schwieriges‹ Thema ist. Das kann durchaus als eine Form von Wettbewerb angesehen werden – die aber nicht mit einer Anerkennung der PDS verwechselt werden darf. Immer noch geht es in erster Linie darum, die PDS ›zu erledigen‹. Und dennoch darf von dieser gleichen PDS inzwischen sogar ›gelernt‹ werden. Das hat zumindest Angela Merkel in bezug auf eine bessere Verankerung ihrer Partei im öffentlichen Leben, in Institutionen und Verbänden usw. eingefordert. Und das wird auch tatsächlich gemacht.
Im Verhältnis zur SPD bezieht sich der Wettbewerb insbesondere auf alles, was im Zusammenhang mit dem Thema ›soziale Gerechtigkeit‹ steht. Hier kann die PDS sicherlich auch noch einiges erreichen. Neu ist, daß erstmals eine größere Anzahl von Anträgen im Haushaltsausschuß Berücksichtigung gefunden hat – von ca. 100 waren es bisher etwa 20. Das geschah zwar nicht immer im Alleingang, oft auch im Zusammenwirken mit ähnlichen Anträgen der SPD, aber das stellt doch einen qualitativen Sprung dar. Allerdings meiden bisher noch alle Minister der Koalition unsere Fraktion, obwohl entsprechende Einladungen bereits vor einiger Zeit intern übermittelt wurden. Das wäre zweifellos ein wichtiger Durchbruch, den wir unbedingt erreichen wollen. Wenn zum Beispiel Minister Riester die Fraktion besuchen würde, wäre bereits das Ereignis – unabhängig vom Ergebnis der Beratungen – ein Wert an sich.
Kooperation findet zumeist nur punktuell statt. Vor dem Kosovo-Krieg waren wir allerdings schon etwas weiter. Grundsätzlich halten wir bei allen parlamentarischen Initiativen die Mitte-Links-Option offen, und wir denken, daß langfristig auch die SPD an einer solchen Zusammenarbeit interessiert sein sollte. Dieses Interesse müßte sich vor allem darauf gründen, daß die SPD bisher der PDS faktisch kampflos den ›Ost-Bonus‹ überlassen hat. In bezug auf eine ganze Reihe von Fragen wäre es durchaus vorstellbar, daß einzelne Forderungen der PDS in die Politik der SPD Eingang finden – schon weil die SPD dann darauf hoffen könnte, die PDS für bestimmte Beschlüsse, die zum Beispiel den Osten betreffen, mit haftbar zu machen. Wir würden uns einem solchen Konzept natürlich prinzipiell verweigern, aber es wäre die Basis für Verhandlungen über eine partielle Kooperation. An diesem Punkt sind wir zwar noch lange nicht, aber wir werden dahin kommen. Solche ›Durchbrüche‹ sind nicht planbar. Sie ereignen sich eher zufällig – immer dort, wo Politik gezwungen ist, Neuland zu betreten.
Unsere Strategie wird es auch weiterhin sein, inhaltlich Anschluß zum linken Rand der SPD zu halten. Wir können kein Interesse daran haben, daß sich zwischen uns und der SPD eine neue Gruppierung – etwa eine Art ›USPD‹ – formiert. Aus meiner Sicht ist es auch wenig wahrscheinlich, daß die PDS durch größeren Pragmatismus bei politischen Entscheidungen, was manche vielleicht auch als Bewegung nach ›rechts‹ interpretieren, insgesamt ihren Status verliert. Viele dieser Bewegungen sind im Falle der PDS eher Schritte vom Jenseits ins Diesseits.
Eine strategische Herausforderung erwächst uns allerdings aus der Tatsache, daß die SPD die Regierungsformen in Magdeburg und Schwerin auf Bundesebene völlig ausblendet. Am Anfang haben wir das mit einiger Nachsicht behandelt, weil wir vermeiden wollten, daß die SPD dadurch ständig der Kritik von CDU und CSU ausgesetzt wird. Aber inzwischen mußten wir einsehen, daß die unterschiedlichen Formen des Zusammenwirkens der PDS mit der SPD beim Regieren auf Landesebene von vielen SPD-Genossen als eine Art ›Sündenfall im Ausland‹ angesehen werden. Damit wird im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten ein deutsches Spezifikum kenntlich. Die Schwelle zwischen Land und Bund ist – für die PDS als dezidiert linke Partei – übernatürlich hoch. Ansonsten läuft im Bundestag auch zwischen CDU und PDS viel mehr, als öffentlich wahrnehmbar wird. Das hat vor allem auch damit zu tun, daß sich die beiden großen Fraktionen inzwischen in einem Maße zerstritten haben, daß sie auch in Verfahrensfragen kaum noch aufeinander zugehen können. Faktisch werden 99 Prozent aller Energie darauf verwandt, die jeweils andere Seite selbst bei simpelsten Dingen möglichst zu behindern. Die Bündnisgrünen gehen in diesem Hickhack nahezu vollständig unter, so daß es oft an den kleinen Fraktionen von FDP und PDS ist, in festgefahrene Fragen des parlamentarischen Verfahrens wieder Bewegung zu bringen.
Bezüglich der von mir bereits erwähnten Mitte-Links-Option geht es der PDS nicht in erster Linie um eine Koalition auf Bundesebene etwa 2002. Eher geht es um ›Koalitionsfähigkeit‹ – was ein Unterschied ist, der allerdings im alltäglichen Medienrummel kaum vermittelbar ist. Koalitionsfähigkeit meint hier zuallererst, daß wir in der Lage sind, unsere politischen Zielstellungen – das, was demokratischer Sozialismus ist – möglichst genau umreißen zu können. Hier hat die PDS sicherlich deutliche Fortschritte gemacht. Dazu gehört auch, daß wir demnächst ein Rentenkonzept vorlegen können, das auch in bezug auf seine haushaltstechnischen Seiten den Vergleich mit anderen Vorschlägen nicht zu scheuen braucht und das im Zusammenhang mit einem Konzept für eine Wertschöpfungsabgabe präsentiert werden wird. Aber dazu gehört auch, daß die PDS zukünftig der Versuchung widerstehen muß, sich auf Parteitagen eine ›Wunschrepublik‹ zusammen zu beschließen, die dann am Montag danach mit dieser Welt nichts mehr zu tun hat. Und dazu gehört, den überkommenen oder neu kultivierten geistigen ›Avantgardismus‹ zu überwinden.
Die vordringlichste Aufgabe besteht für die PDS in den Jahren bis 2000/1 sicherlich darin, einen behutsamen Imagewechsel einzuleiten. ›Behutsam‹ sollte er vor allem deshalb sein, weil sich natürlich niemand gern von dem trennt, weswegen er gewählt wird. Ferner ist es ein Glücksfall für die PDS, daß die Politikfelder ›Ost‹, ›Soziales‹ und ›Frieden‹ sich als so zentral erwiesen haben. Man stelle sich nur vor, daß die ›innere Sicherheit‹ einen derartigen Stellenwert erlangt hätte – was von einigen CDU-Strategen durchaus beabsichtigt war –, dann hätte die PDS sicherlich größere Mühe. Jetzt kommt es darauf an, die bisher bewiesene Kompetenz auf mindestens zwei Feldern zu ergänzen: bei der ›Wirtschaftsförderung‹ und auf dem Gebiet der ›Zukunftsfragen‹, wo es insbesondere um Jugend und Bildung geht.
Insgesamt ist die PDS gut beraten, das Denken in den Dimensionen eines ›Juniorpartners‹ Schritt für Schritt abzulegen. Viele unserer Konzepte gehen zu stark von der Frage aus: Wieviel politischen Spielraum können wir einnehmen, den uns andere zubilligen? Das ist natürlich eine bedenkliche Form von geistiger Selbstbeschränkung. Was nicht heißen soll, daß die PDS demnächst über Koalitionen oder die Benennung von Ministerpräsidenten nachzudenken hätte – aber auch das wird irgendwann eine Rolle spielen. Zunächst müssen wir eine Art geistiger Selbstbefreiung erreichen. Dazu brauchen wir jene gesellschaftliche Reibung, der wir viel verdanken, auch wenn sie für uns nicht immer angenehm war. Die PDS wird von außen zu Vernunft und Einsicht gebracht oder gar nicht. Nach wie vor ist die Partei nicht in der Lage, die durchaus vorhandenen Entwicklungspotentiale durch eine Form innerer Selbstmobilisierung zu erschließen. Deshalb sollten wir vor allem unseren Kritikern ›danken‹.