Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Soziale Bewegungen / Organisierung Abschied vom <<Sofortausstieg>>

Die Grünen nach ihrem Karlsruher Parteitag. von Jochen Weichold

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Jochen Weichold,

Erschienen

Oktober 2000

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Die Grünen nach ihrem Karlsruher Parteitag

Trauermusik ertönte vor der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe. Aktivisten der Anti-Atom-Bewegung lagen – weiß maskiert – vor dem Eingang und hielten Tafeln mit den Namen bekannter Atomanlagen hoch. Transparente mit Aufschriften wie „Atomausstieg sofort!“ oder „Ausschalten statt Aussitzen!“ konterkarierten das offizielle Willkommensschild für den grünen Parteitag. Nur langsam konnten die rund 750 Delegierten, mühsam über die Leiber steigend, in die Halle gelangen.

Die Aktion Menschen-Teppich der Kernkraftgegner wies auf das brisante Hauptthema der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90 / Die Grünen Mitte März dieses Jahres: den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie. Ein grünes Ur-Thema, mit dem die Partei politisch groß geworden war. Der Karlsruher Gründungsparteitag 20 Jahre zuvor hatte mit dem Ruf geendet „Weg mit dem Atomprogramm!“.

Die Grünen forderten in ihrem Bundesprogramm von 1980 den sofortigen Ausstieg aus der Atomstromerzeugung und den Abbau der vorhandenen Nuklearanlagen. Ungezählte Anti-AKW-Demonstrationen, Bauplatzbesetzungen und Blockaden vor Kernkraftwerken folgten. Noch im Programm zur Bundestagswahl 1998 hieß es: „Bündnis 90 / Die Grünen wollen den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie.“ Ziel sei eine entschädigungsfreie Stilllegung, die jedoch nicht zur Bedingung für den Atomausstieg werden dürfe. Und im Koalitionsvertrag vereinbarten die Grünen mit der SPD, den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie innerhalb der Legislaturperiode „umfassend und unumkehrbar“ gesetzlich zu regeln. Für den Fall, dass die zu diesem Zweck geführten Konsens-Gespräche mit den Energieversorgungsunternehmen scheitern, verabredeten beide Partner die Einbringung eines Gesetzes, „mit dem der Ausstieg aus der Kernenergienutzung entschädigungsfrei geregelt wird“. Dazu sollten die Betriebsgenehmigungen zeitlich befristet werden.

Doch schon der Versuch des neuen Bundesumweltministers, im Sinne eines Ausstiegs aus der Atomenergie die Aufarbeitung bundesdeutscher Kernbrennstäbe im Ausland (Frankreich, Großbritannien) zu unterbinden, misslang. Offensichtlich hatten die Grünen die internationalen Implikationen des Problems unterschätzt oder gar nicht erkannt. Die Atomindustrie spielte in den Konsens-Gesprächen ihre Macht aus, nutzte die Widersprüche in der Koalition und blockierte bisher eine Lösung der Ausstiegsfrage. Im Vorfeld des Karlsruher Parteitags der Grünen bemühte sich Jürgen Trittin, die Delegierten mit einem Brief auf seine neue, mit dem Koalitionspartner ausgetüftelte Verhandlungslinie einzustimmen, für die Kernkraftwerke eine Gesamtlaufzeit von 30 Jahren festzulegen.

In einer langen Diskussion prallten auf der BDK die unterschiedlichen Standpunkte noch einmal mit Wucht aufeinander. Umweltminister Jürgen Trittin umriss den Zielkonflikt: „Die Notwendigkeit eines schnellen Ausstiegs und die Notwendigkeit, dafür als 7-Prozent-Partei eine politische Mehrheit in Gesellschaft und Parlament zu organisieren, reiben sich.“ So mancher Delegierte zeigte sich hin- und hergerissen zwischen hehren Grundsätzen und Regierungs-Pragmatismus. Sprecher von Anti-AKW-Initiativen wie der aus Lüchow-Dannenberg erklärten, „Atomkonsens ist Nonsens“, und verlangten: „Atomausstieg sofort!“ Eine Delegierte rief in den Saal: „Raus aus der Atomenergie! Koste es, was es wolle. Alles ist billiger als ein GAU.“

Aber letztlich unterstützte die BDK die Kompromiss-Position Trittins in der Regierungskoalition zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie mit 396 zu 339 Stimmen. Der Umweltminister erhielt Standing Ovations für seine rhetorisch perfekte Rede, in der er den Zirkel von der Parteigründung vor 20 Jahren als „Kampfansage an die Pro-Atompartei SPD“ zur Position als kleiner Koalitionspartner eben jener Sozialdemokratischen Partei schlug, „die eine der Hauptverantwortlichen für den Einstieg gewesen ist“. Und nach der Abstimmung über den entsprechenden Antrag schien Partei- und Fraktionsführung ein Stein vom Herzen zu fallen. Obwohl von den Delegierten einige verschärfende Formulierungen in das Papier hineingestimmt wurden, fällt der Beschluss teilweise recht verwaschen aus.

Angestrebt wird nun eine Begrenzung der Laufzeit für Kernkraftwerke (KKW) auf 30 Jahre, was deren endgültiges Aus im Jahre 2018 bedeuten würde. Es heißt, die Laufzeit von KKW sei „zum Zwecke des Allgemeinwohls gesetzlich entschädigungsfrei auf höchstens 30 Jahre nach der Genehmigung der Inbetriebnahme“ zu befristen. Ziel bleibe es weiterhin, erste Atom-Meiler noch in dieser Legislaturperiode vom Netz zu nehmen. „Falls der Konsens zu vertretbaren Bedingungen nicht möglich ist, lassen wir keinen Zweifel an der Bereitschaft, den Ausstieg auch im Dissens zu regeln, wie wir es im Koalitionsvertrag vorgesehen haben.“ Solange der Ausstieg nicht geregelt sei, wollen die Grünen „gegen jeden anstehenden Castor-Transport im Land mobilisieren“. Der Versuch eines Teils der Delegierten, die Frage des Ausstiegs aus der Atomenergie mit der des Verbleibs in der Koalition zu verbinden, scheiterte. Sie hatten gefordert, beim Ausstieg müsse „Glaubwürdigkeit wichtiger sein als die Koalition“.

Auch nach 20 Jahren sind die Grünen einem Ziel treu geblieben: Sie wollen nach wie vor (wenn auch nicht mehr sofort) den Ausstieg aus der Kernenergie. Davon waren auch die Belegschaften naher Atomanlagen überzeugt, die sich zur Eröffnung der BDK vor der Schwarzwaldhalle mit Trillerpfeifen und Signalhörnern gegen ein Ende der Kernenergienutzung stemmten.

Aber es gibt bei den Grünen in dieser Frage auch Veränderungen: In den letzten 10 Jahren fand ein gewaltiger personeller Umschlag in der Partei statt. Viele Mitglieder aus der Anfangsjahren haben ihr enttäuscht den Rücken gekehrt. Mehr als die Hälfte der heutigen Mitglieder sind erst nach 1990 in die Partei eingetreten. Für die Mehrheit der neuen Mitglieder hat der Atomausstieg nicht mehr den Symbolwert wie für die Gründergeneration der Grünen. Sie geht weit pragmatischer mit dem Thema um.

Nach dem Willen der Grünen soll nun in der Frage des Atomausstiegs eine Lösung gefunden werden – entweder im Konsens mit der Energiewirtschaft oder im Dissens. Wenn im Dissens, dann juristisch so, dass das Gesetz vor Gericht Bestand hat, dass die Regelung nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf und dass der Ausstieg entschädigungsfrei erfolgt. Mit ihrer weitgehend geschlossenen Haltung haben die Grünen in Karlsruhe den Druck gleichermaßen auf den Koalitionspartner wie auf die Industrie verstärkt, den Ausstieg aus der Kernenergie zügig zu regeln.

Auch das zweite Hauptthema, das in Karlsruhe auf der Tagesordnung stand, hat für die Grünen einen hohen Symbolwert, eine lange Geschichte und eine identitätsstiftende Wirkung: die Frage der Trennung von Amt und Mandat, die mit der von der Führung angestrebten Strukturreform auf das engste verknüpft ist. In ihrer Gründungsphase entwickelten die Grünen bewusst eine Organisationsverfassung, die sich als praktische Kritik des vorherrschenden Parteientyps mit seinen bürokratischen Apparaten und ambitionierten Berufspolitikern verstand. Basisdemokratische Prinzipien und Elemente wie imperatives Mandat, Rotationsprinzip, Quotierung bei der Besetzung von Partei-Ämtern und Abgeordnetenposten zwischen Männern und Frauen, Konsensprinzip, stärkere Rechte von Minderheiten innerhalb der Partei, die Betonung der Ehrenamtlichkeit, vor allem aber die Trennung von (Partei-)Amt und (Abgeordneten-)Mandat konstituierten das grüne Demokratieverständnis. Petra Kelly prägte damals das Wort von den Grünen als der Anti-Parteien-Partei.

Die Grünen zeigten sich entschlossen, „eine Parteiorganisation neuen Typs zu schaffen, deren Grundstrukturen in basisdemokratischer und dezentraler Art verfasst sind“. Dies sei nicht voneinander zu trennen, betonten sie in dem programmatischen Papier „Wer wir sind – was wir wollen“ von 1983, denn eine Partei, die diese Struktur nicht besitze, könne niemals in der Lage sein, „eine ökologische Politik im Rahmen der parlamentarischen Demokratie überzeugend zu betreiben. Kerngedanke ist dabei die ständige Kontrolle aller Amts- und Mandatsinhaber und Institutionen durch die Basis (Öffentlichkeit, zeitliche Begrenzung) und die jederzeitige Ablösbarkeit, um Organisation und Politik für alle durchschaubar zu machen und um der Loslösung einzelner von ihrer Basis entgegen zu wirken.“

In den vergangenen zwei Jahrzehnten korrigierten zum einen praktische Erfordernisse des Lebens manch überzogene Vorstellungen von Basisdemokratie wie die von einer Rotation bereits nach zwei Jahren Parlamentstätigkeit. Zum anderen strengten sich die Realos an, alles auf dem Weg zur Regierungsteilhabe Hinderliche über Bord zu werfen – grüne Politik-Inhalte ebenso wie basisdemokratische Prinzipien. Längst hat sich auch bei den Grünen der Typus des Berufspolitikers herausgebildet, ein Typus, der sich heute nicht nur bei den Realos, sondern gleichermaßen bei den Regierungslinken findet. Es waren allerdings die Realos, die auf dem Wege der Professionalisierung grüner Organisationsstrukturen immer wieder die Trennung von Amt und Mandat attackierten. Gegen den erbitterten Widerstand der Parteilinken und vieler Ur-Grüner, die sich keiner Strömung zuordnen lassen, gelang es ihnen schrittweise, dieses Prinzip zu lockern. So wurde mit der Umstrukturierung des Bundeshauptausschusses zum Länderrat 1991 de facto die Trennung von Amt und Mandat für dieses Gremium aufgehoben.

Auch bei der in Karlsruhe neuerlich diskutierten Strukturreform der Partei Bündnis 90 / Die Grünen erwies sich die Frage der Aufhebung der Trennung von Partei-Amt und Parlaments-Mandat als Knackpunkt. Partei- und Fraktionsführung, insbesondere Joschka Fischer und seine Realo-Riege, plädierten für die Aufhebung des geheiligten Prinzips nun auch für den Bundesvorstand. Im Unterschied zu früheren Jahren fand sich dafür mit knapp 60 Prozent auch eine Mehrheit der Delegierten selbst. Aber die für Satzungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde verfehlt. Und das, obwohl über einen Kompromiss-Antrag von Kerstin Müller und anderen abgestimmt wurde, der die ursprünglichen Vorstellungen von Partei- und Fraktionsführung schon kräftig aufgeweicht hatte. Bei Annahme des Kompromiss-Antrags hätten Mandatsträger aus den Ländern Parteivorsitzende auf Bundesebene werden können.

Die Befürworter einer Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat argumentierten, die Parteiarbeit müsse effektiver organisiert werden. Die Grünen seien keine Oppositionspartei mehr, sondern Regierungspartei. Ergebnis der bisherigen Trennung von Amt und Mandat sei ein Verschleiß von unwahrscheinlich vielen Leuten gewesen. Informelle Machtstrukturen seien an die Stelle eines personell schwachen Bundesvorstandes getreten. Diese informellen Machtstrukturen könnten nur durch die Strukturreform überwunden werden. Die bisherige Regelung schwäche die Führung der Bundespartei, weil sie zu viele fähige BewerberInnen mit parlamentarischer Erfahrung ausschließe, nämlich alle, die nicht auf ihr Mandat verzichten wollten.

Vorstandssprecherin Gunda Röstel betonte, der Bundesvorstand habe bisher nicht daran gelitten, dass er zu viel Macht auf sich konzentrierte, sondern daran, dass er zu wenig Macht gehabt hätte. Die Trennung von Amt und Mandat sei kein Selbstzweck gewesen, sondern ein Mittel, um Macht zu begrenzen. Und Joschka Fischer erinnerte die Delegierten, die Grünen hätten seit 1998 bei allen Wahlen Stimmenverluste eingefahren. Deshalb müssten sie schlagkräftigere Strukturen bekommen, mithin die Trennung von Partei-Amt und Mandat aufheben.

Eine Delegierte hielt dagegen: „Glaubt hier wirklich jemand, mit der Aufhebung von Amt und Mandat hätten wir eine Stimme mehr gewonnen?“ Es gehe vielmehr um die Inhalte grüner Politik, auf deren Klärung man die Arbeit konzentrieren müsse. Andere Redner betonten, der aktuelle CDU-Skandal belege, wie wichtig die Trennung von Amt und Mandat sei. Gerade als Konsequenz der CDU-Spenden-Affäre dürfe man keine Ämterhäufung in der Partei zulassen. Die Grünen hätten genug fähige Köpfe, die Ämter wahrnehmen könnten. „Wir wollen eine Parteistruktur behalten, die ein System Kohl unmöglich macht.“ Fischer habe der Partei eine Strukturdebatte aufgezwungen in einem Moment, in dem andere über die Trennung von Amt und Mandat nachdächten.

Der CDU-Parteispenden-Skandal belege, dass auch mit einer Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat informelle Machtstrukturen nicht überwunden bzw. verhindert werden könnten. Es sei völlig unklar, so der Parteilinke Christian Ströbele, wie das Amt des „virtuellen Vorsitzenden“ durch die Trennung von Amt und Mandat abgeschafft werden solle. Und: Die Grünen müssten auch „nach 20 Jahren anders bleiben als die anderen Parteien“.

Die nordrhein-westfälische Landessprecherin Barbara Steffens fragte mit dem Blick auf Fritz Kuhn (einer von Fischers Kandidaten für das Amt an der Parteispitze), wie ein Fraktionsvorsitzender im Stuttgarter Landtag gleichzeitig in Berlin das Amt eines Parteivorsitzenden wahrnehmen wolle, wenn beide Funktionen Vollzeit-Jobs sind und ihr Inhaber möglicherweise mehrmals in der Woche zwischen der Bundes- und der Landeshauptstadt pendeln müsste. Beide Jobs könnten nicht funktionsgerecht ausgeübt werden und würden letztlich den Inhaber überlasten.

Da die Interessen eines Mandatsträgers und eines Parteivorstandes nicht identisch sind, so viele Parteilinke, seien zudem Interessenkonflikte vorprogrammiert. Die Partei brauche eine offensive Vertretung ihrer Interessen nach außen, und zwar ohne eventuelle Rücksichten auf Fraktions- oder Koalitionsinteressen. Vielmehr sei eine kritische Begleitung der Arbeit von Bundes- und Landesregierungen unter grüner Beteiligung (im Sinne eines Korrektivs) erforderlich. Eine effizientere Arbeit des Bundesvorstandes, sei nicht durch eine personelle Konzentration von Ämtern und Mandaten zu erreichen, sondern durch das Verteilen der politischen Arbeit auf mehrere Schultern mit klaren Entscheidungsstrukturen.

Bei Lichte besehen, stellt sich die Strukturfrage eigentlich in mancher Hinsicht noch anders, als auf der BDK diskutiert. Der Bundesvorstand wird wohl so lange eine relativ schwache Position gegenüber der Bundestagsfraktion und den Landtagsfraktionen der Grünen haben, wie er mit der starken personellen und guten finanziellen Ausstattung dieser Gremien nicht mithalten kann. Nicht die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat, sondern bessere Rahmenbedingungen und damit ein größeres geistiges Potenzial könnten das politische Gewicht des Bundesvorstandes in der grünen Partei erhöhen.

Obwohl mit der Beibehaltung der Trennung von Amt und Mandat ein zentrales Element der Strukturreform scheiterte, gibt es nach Karlsruhe eine neu gestaltete Parteiführung. Der Bundesvorstand wurde von fünf auf sechs Mitglieder erweitert. Die zwei gleichberechtigten Sprecher heißen künftig Vorsitzende. Neben ihnen gehören der politische Bundesgeschäftsführer, der Schatzmeister und – anstelle früherer Beisitzer – zwei weitere vollwertige Mitglieder diesem Gremium an. Der Posten der frauenpolitischen Sprecherin fiel ohne viel Federlesens der Neuregelung zum Opfer.

Der erst vor einem guten Jahr geschaffene Parteirat wurde auf 16 Mitglieder halbiert und gegen den Widerstand eines Teils der Delegierten, die sich als Konsequenz aus der Parteien-Affäre gegen die Schaffung eines solchen Machtzentrums wandten, faktisch in ein Partei-Präsidium umgewandelt. Dieses, vom konsultativen zum beschließenden Organ aufgewertete Gremium soll die Arbeit zwischen Bundespartei, Fraktionen, Regierungsmitgliedern und Landesverbänden koordinieren und dazu einmal im Monat tagen. Geborene Mitglieder des Parteirats sind nun die beiden gleichberechtigten Vorsitzenden des Bundesvorstandes und der politische Bundesgeschäftsführer. Für die übrigen Mitglieder gibt es keinerlei Beschränkung mehr im Sinne einer Trennung von Amt und Mandat. Der Parteirat wird durch die BDK gewählt, wobei eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent einzuhalten ist. Eine Wiederwahl ist möglich. Bestrebungen, die Amtszeit auf acht Jahre zu begrenzen, scheiterten an der Hürde der dafür erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit, obwohl das Anliegen angesichts Kohl’scher Dauerpräsenz im Amt und seines patriarchalischen Systems in der CDU durchaus bei einer (einfachen) Mehrheit der Delegierten offene Ohren fand.

Insgesamt demonstrierte der Karlsruher Parteitag eine weitgehende Unterstützung der Delegierten für die Parteiführung, für die grünen Minister und für die Fraktionsführung. Realos und Regierungslinke hatten mehr als die Hälfte der BDK hinter sich. Die Grünen wollen ganz offensichtlich weiterregieren, ganz gleich, was auf sie zukommt. Das äußert sich besonders darin, dass alle Versuche einer Minderheit der Delegierten, das Einlösen konkreter Forderungen (ob den Atomausstieg oder die Verhinderung von Panzerlieferungen an die Türkei) mit dem Fortbestand der Regierungskoalition zu verbinden, abgelehnt wurden. Die Mehrheit hat jetzt auch mental die Rolle der ewigen Oppositionspartei abgelegt.

Dennoch drängt sich des öfteren der Eindruck auf, Partei- und Fraktionsführung, grüne Regierungsmitglieder auf Bundes- und Landesebene und nicht wenige Mandatsträger der Öko-Partei haben Positionsveränderungen so schnell vollzogen, dass zahlreiche Parteimitglieder mit dem Tempo nicht Schritt halten konnten oder wollten. Wenn die grüne Führungsriege den Abstand zur Parteibasis zu groß werden lässt, könnte sie eines Tages ohne Mitglieder und schließlich auch ohne Wähler dastehen.