Publikation Zeitgemäße sozialistische Programmatik oder brutalstmögliche Totalkritik

Text der Woche 23/2001. PDS-Programmdiskussion. von Dieter Klein

Information

Reihe

Online-Publ.

Autor

Dieter Klein,

Erschienen

Mai 2001

Bestellhinweis

Nur online verfügbar

Text der Woche 23/2001Plädoyer für sorgsames Bedenken

Die Autoren des von Gabi Zimmer der Partei und der Öffentlichkeit zur Diskussion übergebenen Entwurfs für ein Programm der PDS hatten sich ein klares Ziel gesetzt: das programmatische Profil der PDS als sozialistische Partei in Deutschland sollte geschärft werden. Die Identität der Partei war nach innen deutlicher herauszuarbeiten und ihr Selbstverständnis nach außen unverwechselbar darzustellen. Der Programmentwurf soll für etwa eine Dekade Prämissen und Grundorientierungen sozialistischer Politik begründen und damit dem Gebrauchswert eines Parteiprogramms entsprechen, Kriterien für politische Entscheidungen zu bieten.

Grundanliegen dieser Art in den ersten beiden Abschnitten des Programmentwurfs waren im dritten Abschnitt bruchlos zu nachvollziehbaren linken Reformalternativen auf entscheidenden Politikfeldern hinzuführen. Ein Programm muss der Politik gerichtete Impulse geben. Es ist nicht das Feld für theoretischen Grundsatzstreit. Es muss eine Politik fördern, die breite Teile der Öffentlichkeit zu erreichen vermag. Die ersten Auseinandersetzungen über den vorgelegten Entwurf sind Anlass, als Antwort auf grundsätzlich ablehnende Kritiken - nicht auf die notwendige Kritik zur Verbesserung und Veränderung des Entwurfs – zu erklären, welche Überlegungen wir unserem Entwurf zugrunde gelegt haben.

Ein sozialistischer Entwurf

Der von uns vorgelegte Entwurf hat einen eindeutig sozialistischen Charakter. Wir haben sowohl Überlegungen derer aufgenommen, die von einem Programm der PDS vorrangig deren Festhalten am Sozialismus als Ziel gesellschaftlicher Entwicklung erwarten, als auch Vorstellungen jener, die mit guten Gründen zugleich gestaltende Politik der PDS auf dem Weg zu diesem Ziel und das Geltendmachen sozialistischer Werte in der konkreten gegenwärtigen Politik besonders betonen.

„Der Neoliberalismus stellt eine Bedrohung der Menschheit dar.“ So heißt es im Entwurf. Eine härtere Beurteilung der gegenwärtig international vorherrschenden Politik als menschheitsgefährdend ist kaum möglich. Gleichwohl befand Sahra Wagenknecht in ihrem Interview für „Die Welt“ vom 28. April: „Dieser Entwurf soll ein deutliches Signal sein, dass die PDS den Kapitalismus nur noch gestalten, verwalten und regulieren, aber nicht mehr überwinden will.“ Das Gegenteil davon ist aus vielen Formulierungen des Entwurfs zu entnehmen: „Der moderne Kapitalismus, die Vorherrschaft des ‚Nordens’ über den ‚Süden’, das heutige Patriarchat, die exzessive Naturausbeutung und Degeneration der Lebensbedingungen heutiger und zukünftiger Generationen sind Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse, ... Wir wollen diese Verhältnisse verändern und letztlich überwinden.“ An anderer Stelle heißt es: Deshalb „lehnen wir die Vorherrschaft kapitalistischer Eigentumsverhältnisse ab ...“. Und: „Wir wollen, dass diese Herrschaftsstrukturen zurückgedrängt und schließlich überwunden werden, damit die Menschheit einen Ausweg aus ihrer bisherigen zerstörerischen Entwicklungslogik findet.“ Der Entwurf umreißt einer Anregung Hermann Klenners folgend unsere Vorstellungen über die Grundmerkmale einer künftigen sozialistischen Gesellschaft.

Zwei gegensätzliche Auffassungen von Partei, antikapitalistischer Kritik und Sozialismus

Wenn Grundaussagen mit eindeutig sozialistischem Charakter als bloßes „Vollabern“ bezeichnet werden (Winfried Wolf, junge Welt vom 2. Mai), wenn die Unterstellung weiter verbreitet wird, der Entwurf ziele auf ein bloßes Sich-Einrichten im Kapitalismus und auf einen Kniefall vor der SPD, muss dem bei einigen Kritikern eine grundsätzlich andere Auffassung von Partei, historischer Situation, antikapitalistischer Politik und Sozialismus zugrunde liegen als dem Entwurf.

Aus dem Gegenentwurf von Winfried Wolf, Ekkehard Lieberam und anderen ist das tatsächlich zu entnehmen. Ihr Maßstab ist brutalstmögliche Totalkritik der gesamten gegenwärtigen bürgerlichen Gesellschaft, berechtigte Kritik nicht allein der Kapitalverwertung und des Profits als entscheidender Maßstab in Wirtschaft und Gesellschaft und entsprechender Politik, sondern totale Kritik an ausnahmslos allen Seiten der Bundesrepublik und der internationalen gesellschaftlichen Verhältnisse. Buchstäblich alles wird als das Schlechte analysiert, das immer schlimmer wird.

Der Gegensatz zur Analyse der gegenwärtigen Welt in unserem Entwurf besteht nicht darin, dass in diesem die Anklage gegen die strukturellen Grundgebrechen des Kapitalismus fehlen würde. Es gibt unendlich viele Gründe für tiefe emotionale und für theoretisch begründete Ablehnung des Kapitalismus. Unsere prinzipielle Kritik gilt im Entwurf dem Ausschluss großer Teile der Weltbevölkerung von elementaren Lebensbedingungen, der Unterordnung der innerstaatlichen Demokratie in den kapitalistischen Hauptländern unter die nationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer großen Kapitale, der Degradation der Regierungen zu Ausführungsinstanzen der Institutionen des internationalen Kapitals, der imperialen militärischen und sicherheitspolitischen Hegemonie der USA und der NATO, der rücksichtslosen Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, einer verfehlten arbeitsmarktpolitischen Strategie der Ausweitung prekärer und niedrig entlohnter Beschäftigung, der skandalösen Chancen-ungleichheit beim Zugang zu Bildung und Kultur, der Tendenz zur Verwandlung von Sozialpolitik zu einem Instrument von Leistungserpressung, der Missachtung ostdeutscher Biographien und vieler wertvoller Erfahrungen der Ostdeutschen.

Nicht das Fehlen einer prinzipiell kritischen Gesellschaftsanalyse kann also eine bestimmte Gruppe von Gegnern des Entwurfs zu dem wenig qualifizierten Vorwurf der „Arschkriecherei“ (Winfried Wolf, Märkische Allgemeine vom 14. Mai) und zur Ablehnung des Entwurfs veranlassen. Als Grund dafür bleibt nur ein Grundverständnis von Opposition, Kapitalismuskritik und Sozialismus übrig, das unverträglich mit jeder noch so zurückhaltenden Anerkennung zivilisatorischer Qualitäten moderner bürgerlicher Gesellschaften ist, mit einer Analyse all jener von ihnen eben auch hervor gebrachten, meist gegen das Kapital erkämpften Möglichkeiten, die die Linke aufnehmen muss, die sie zu bewahren hat, die sie in ihre Alternativen hineinholen muss, damit diese nicht in einem lebensfernen Raum schweben.

Der Entwurf enthält die Warnung vor dem Bestreben der Herrschenden, „einen ungezügelten Kapitalismus mit den Mitteln der ökonomischen Diktatur, der neoliberalen Sachzwanglogik ..., mit dem Diktat der internationalen Finanzinstitutionen und einem militärischen Interventionismus durchzusetzen.“ Daran anschließend wird anders als nach dem Maßstab einer Absoluten Kritik konstatiert: „Der gewandelte Kapitalismus stellt eine Fessel für jene Potenziale dar, die er selbst hervorbringt: Gestaltungsspielräume durch ... Reichtumssteigerung, freie Zeit für selbstbestimmte Lebensweisen durch Produktivitätswachstum, Bedingungen bewusster Gesellschaftsgestaltung durch Zuwachs an Wissen und Information, Zugang zu anderen Kulturen durch Internationalisierung, libertäres Denken und gewachsene emanzipatorische Ansprüche durch Individualisierung, Chancen für Demokratisierung von unten durch Regionalisierung, erdumspannende Vernetzung alternativer Akteure durch das Internet und globale Aktionen. Diese Potenziale werden für sozialistische Politik und die Veränderung der Kräfteverhältnisse gebraucht.“

Wer derartige Seiten der Bundesrepublik nicht wahrnimmt, redet an der Mehrheit der Menschen vorbei. Wer aus dem Verweis auf die Janusköpfigkeit der bürgerlichen Gesellschaft auf Aufgabe sozialistischer Politik schließt, gerät auf Kriegsfuß mit der Marxschen Feststellung, dass in dieser Gesellschaft jedes Ding mit seinem Gegenteil schwanger geht. (Marx, MEW Bd. 12: 3/4)

Zwar halten fast die Hälfte der Westdeutschen und weit mehr Ostdeutsche den Zustand der bundesdeutschen Demokratie für unbefriedigend, zwar fürchtet eine große Mehrheit der Deutschen die zunehmende Gewalt auf den Straßen, ist die Angst um den eigenen Arbeitsplatz verbreitet und erwarten mehr als 60 Prozent der Befragten für die Zukunft noch mehr soziale Ungleichheit, mehr Rücksichtslosigkeit und Egoismus. Doch 93 Prozent der Westdeutschen und 79 Prozent der Ostdeutschen stimmen voll oder eher der Aussage zu, dass es sich in der Bundesrepublik sehr gut leben lässt. Eine Linke, die die realen Umstände negiert, die solcher Ambivalenz in der Befindlichkeit von Mehrheiten zugrunde liegen, ist politikunfähig.

Die Partei steht vor der Entscheidung, von welchem Grundverständnis sie sich künftig leiten lassen will. Sie kann viele Kompromisse suchen. Aber sie kann dieser Entscheidung nicht ausweichen.

Überwintern oder Chancen für transformatorischen Wandel

Nicht vielen berechtigten Kritiken, wohl aber der grundsätzlichen Ablehnung des Programmentwurfs liegt eine andere Einschätzung der Situation in der Welt und der Chancen alternativer Politik zugrunde als diesem Entwurf. Seine Totalkritiker, deren Auffassungen Uwe Jens Heuer durchaus nicht voll teilt, stützen sich auf eine von ihm auf den Punkt gebrachte Sicht. Sie gehen von einer 1990 begonnenen Epoche des Sieges des Kapitalismus aus, von einer fortschreitenden Offensive des Neoliberalismus, deren Ende nicht absehbar ist und die der Linken im Grunde nur eines erlaube: an antikapitalistischem Denken und an der Notwendigkeit einer sozialistischen Alternative festzuhalten und im übrigen Widerstand gegen die schlimmsten Verschlechterungen zu leisten (Heuer in: „Z.“, 2000: 88). Wo kein Funken Hoffnung in den gegenwärtigen Verhältnissen zu entdecken sei, wo große Teile der Bevölkerung Freude am Leben offenbar nur auf der Grundlage eines falschen Bewusstseins über ihre wahre Lage hätten, wäre nicht mehr drin als dies. Dass der Gegenentwurf Winfried Wolfs und Ekkehard Lieberams nach kahlschlagartiger Rundumkritik in einem jähen Bruch ohne Anschluss an die Analyse der Wirklichkeit doch noch ein 15-Punkte-Forderungsprogramm für alternative Reformen präsentiert, steht in striktem logischen Gegensatz zu ihrer Analyse, die dafür überhaupt keine Ansatzpunkte liefert. Entsprechend bruchstückhaft und oft weit entfernt von der veränderten Wirklichkeit und ihren neuen Herausforderungen geraten diese Punkte.

Unserem Entwurf liegt das im Leitantrag von Cottbus festgeschriebene zweipolige Selbstverständnis der PDS als sozialistische Opposition und gestaltende Reformkraft zugrunde, das im Gegenentwurf nicht mehr enthalten ist. Dieses Selbstverständnis ist die Schlussfolgerung aus einem Widerspruch, mit dem die Linke konstruktiv umgehen muss. Sie will den Kapitalismus überwinden, doch in absehbarer Zeit wird sie mit größter Wahrscheinlichkeit in den gegebenen Verhältnissen der Gesellschaft zu wirken haben. Sie wird sich nur dann mit anderen gesellschaftlichen Kräften für emanzipatorischen, sozialen und ökologischen Wandel verbinden können, wenn sie realisierbare Vorschläge verfolgt, für deren Verwirklichung Ansätze in der Wirklichkeit vorhanden sind, die anerkannt werden und die bei veränderten Kräfteverhältnissen erweitert werden können. Unser Entwurf umfasst vom Ansatz her und in Gestalt unserer alternativen Strategieangebote eine Spannweite von Erreichbarem in absehbarer Zeit bei entsprechender Vernetzung von Akteuren bis zu Forderungen, die über den Kapitalismus hinausweisen. Er begründet ein transformatorisches Projekt, das im Heute ansetzt und in einem Prozess, der tiefe Brüche auch in den Eigentumsverhältnissen einschließen wird, auf eine andere Gesellschaft zielt.

Sicher spricht vieles gegen allzu großen Optimismus bei der Beurteilung der Chancen sozial-ökologischen Wandels. Doch noch mehr spricht dagegen, sich weitgehend auf Antihaltungen zurückzuziehen. Selbst Widerstand ist nicht ohne konstruktive Alternativen möglich. Der Geist, der ewig nur verneint, ist insbesondere für die junge Generation kein Angebot. Empirische Untersuchungen weisen aus, dass die Mehrheit jener Bürgerinnen und Bürger, die ein selbstbestimmtes Handeln erstreben, dies mit Solidarität verbinden will. Der soziale und ökologische Problemdruck wird wachsen. In Befragungen haben viele, die sich bisher aus gesellschaftlichen Auseinandersetzungen heraushalten, erklärt, dass sie sich einmischen würden, wenn ihnen dies erfolgversprechend schiene. Es kommt also stark auf überzeugende Politikangebote an. Beteiligung an Projektarbeit vor Ort, die für realitätsnahe Visionen geöffnet werden könnte, wird zu einer erstrangigen Aufgabe.

Die PDS muss sich entscheiden – zwischen Überwintern und transformatorischem Handeln.

Freiheit – Gleichheit – Solidarität

Der Grundgedanke unseres Programmentwurfs ist die Überwindung zweier gesellschaftszerstörender Annahmen: dass Menschen entweder individuelle Freiheit und dann keine soziale Gleichheit und Sicherheit oder soziale Sicherheit und dann keine Freiheit haben können. Wir vertreten einen demokratischen Sozialismus, der zu Marx zurückfindet, zu seiner Forderung nach einer Assoziation, in der die Freiheit einer und eines jeden die Bedingung für die Freiheit aller ist. Wir stellen eine einfache, lebensnahe Frage: Was braucht der Mensch für ein selbstbestimmtes Leben in Würde? Als Antwort genügt eben nicht die verbreitete wohlfeile abstrakte Deklaration von Freiheit. Freie Entscheidung über das eigene Leben ist nur durch Teilhabe aller an gesellschaftlichen Entscheidungen zu haben, nur in Frieden und bei Sicherheit vor Gewalt im Innern, nur wenn unsere natürlichen Lebensgrundlagen gegen profitbestimmte Wachstumswütigkeit bewahrt werden. Individuelle Freiheit ist nur unter den Bedingungen sozialer Gleichheit des Zugangs zu existenzsichernder Arbeit, Bildung, Kultur und sozialen Sicherheiten auf solidarischen Grundlagen möglich. Hier wird Freiheit an die soziale Gleichheit der Teilhabe an Grundbedingungen oder Grundgütern des Lebens gebunden, die wir deshalb Freiheitsgüter nennen. Je mehr von solcher Teilhabe für jede und jeden erkämpft wird, desto mehr kommen wir einer anderen besseren Gesellschaft näher und zeichnet sich ein transformatorischer Prozess ab.

Solidarität in den Kämpfen unserer Zeit wird im Entwurf als die Voraussetzung und Wurzel für beides, für Freiheit und Gleichheit, behandelt. Der demokratische Sozialismus macht sich frei von dem Vorwurf, unverträglich mit individueller Freiheit zu sein. Formaler Deklaration von Freiheit, die der Mehrheit die Bedingungen wirklicher Freiheit nicht zugesteht, wird ein sozialistisches Freiheits- und Gleichheitskonzept entgegengesetzt. Im Gegenentwurf Freiheit und Selbstbestimmung als Begriffe vollständig unter den Tisch zu kehren, entspricht genau dessen Grundannahmen. Doch der Verzicht auf Deutungsmacht über Freiheit und Selbstbestimmung ist sträflich im Angesicht der herrschenden Tendenz, Selbstbestimmung in eine Selbstverantwortung der einzelnen dafür umzudeuten, als Unternehmer der eigenen Arbeitskraft und Daseinsvorsorge die Lebensrisiken auf sich selbst zu nehmen – bei zunehmend ausgedünnten sozialen Netzen.

Viele Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik betrachten Freiheit als höchstes Gut. Es ist an der Zeit, die Übereinstimmung der PDS damit programmatisch auf solche Weise zu bestimmen, dass der Anspruch auf Freiheit mit den Kämpfen um eine soziale Gleichheit verbunden wird, die um Welten von der gegenwärtigen Wirklichkeit der Bundesrepublik entfernt ist.

Alternative Reformangebote nicht im Grundsatzstreit beerdigen

Ein Parteiprogramm ist kein Selbstzweck, keine parteiinterne Veranstaltung. Es ist ein auf eigener Identität beruhendes Angebot an die Gesellschaft. Ein Programm hat Grundlagen für eine Politik zur Bearbeitung ungelöster Grundprobleme der Gesellschaft zu bieten. Dies ist der Anspruch des dritten Abschnitts, in dem von uns vorgelegten Programmentwurf, der sich logisch aus den ersten beiden Abschnitten ergibt.

Das kreuzgefährliche an dem bisherigen Verlauf der Diskussion zum Programmentwurf ist, dass die auf sechs entscheidenden Politikfeldern vorgeschlagenen Reformalternativen fast keine Beachtung in der innerparteilichen Diskussion finden. Eine Partei tritt in eine wichtige Phase ihrer programmatischen Debatte ein. Der „Frankfurter Rundschau“ vom 25. April beispielsweise „fällt auf, dass die PDS auch den Platz der Grünen einzunehmen versucht – durchaus inhaltlich und nicht nur in der Rolle als dritte Kraft.“ Aber in der Partei selbst diskutiert fast niemand ihr Politikangebot für die Erneuerung der Demokratie, gegen Rechtsextremismus und Gewalt, für eine sozialistische Sicherheits- und Friedenspolitik, für sozial-ökologischen Umbau, alternative Beschäftigungspolitik, demokratische Bildungsreform, Kulturpolitik und Neujustierung der sozialen Sicherungssysteme! Ein wenig überspitzt gezeichnet ist das die groteske Situation, in die uns die Konzentration der Kritik auf den ideologischen Grundsatzstreit führt. Das ist bedrohlich. Das befördert gerade die Teile des Entwurfs ins Abseits, die für den Bundestagswahlkampf wichtig sind und die die Alltagsinteressen den Bürgerinnen und Bürger betreffen. Wir sollten dies ändern. Ein erfolgreicher Wahlkampf verlangt erkennbare Identität der PDS. Vor allem erfordert er, dass diese Identität in solchen Strategie- und Politikangeboten greifbar wird, die das Leben der Menschen verbessern können.

Zu prüfen ist, welche Art programmatischen Denkens gerade deshalb sozialistisch ist, weil sie der Vielfalt und Widersprüchlichkeit des Lebens entspricht, weil sie beachtet, wie Bürgerinnen und Bürger tatsächlich denken und empfinden, weil sie in die Kämpfe um das heute Machbare realitätsnahe Visionen von einer besseren Gesellschaft jenseits des Kapitalismus hineinholt und weil sie Menschen nicht durch die Ferne von ihrem Befinden erschreckt und abstößt.