Erwerbsarbeit wird nicht nur intensiver, sondern Arbeitszeiten für viele immer länger – auch über den Lebenslauf hinweg. Andere hingegen kriegen keine Jobs oder stecken in Zwangs-Teilzeit fest. Dies führt auf unterschiedliche Art zu Druck und Stress im Alltag, quer zu allen Berufsgruppen zu steigenden Zahlen von Burnout, Erkrankungen bis hin zu Erwerbsunfähigkeit – und in jedem Fall zu einem massiven Verlust von Lebensqualität. Das Bedürfnis nach Entlastung, nach kürzeren Arbeitszeiten und mehr selbstbestimmter Zeit ist groß, wenn auch unterschiedlich je nach sozialer, familiärer und materieller Situation.
Das Problem ist vielschichtig, eine einfache und für alle gleichermaßen funktionale Lösung gibt es nicht. Aber eins ist klar: Mittelfristig bedarf es eines grundlegenden Umbaus von gesellschaftlichen Arbeits- und Lebenszeit-Arrangements. Um Veränderungen in diese Richtung anzustoßen, müssen unterschiedliche zeitpolitische Instrumente auf betrieblicher, tariflicher und gesetzlicher Ebene kombiniert werden.
Ein Baustein dieses ‚Instrumentenkastens’ könnte ein «Sabbatical für alle» sein. Also die rechtlich und sozial abgesicherte Möglichkeit, im Verlauf des Arbeitslebens mehrmonatige Auszeiten zu nehmen. Diese müsste für alle Berufs- und Bevölkerungsgruppen geöffnet werden, denn bislang steht dieses Privileg faktisch nur gut Verdienenden und ausgewählten Berufsgruppen zur Verfügung. Um es für alle zugänglich zu machen, bräuchte es eine gesetzliche Regelung, eine sozialstaatlich Absicherung sowie eine arbeitgeberseitige Beteiligung.
Sabbaticals in diesem Sinne können Teil einer umfassenden Strategie zur Arbeitszeitverkürzung sein, die die bestehenden Lebens- und Jahresarbeitszeitregimes grundlegend neu regelt und die individuelle und kollektive Zeitsouveränität erhöht. Neben dem Abbau von Stress und Burnout werden damit aber auch positive Beschäftigungseffekte durch Zugänge zu Erwerbsarbeit für Erwerbslose erzielt, und fokussierte Qualifizierung und Weiterbildungschancen ermöglicht.
Im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben Jutta Allmendinger, Claire Samtleben und Philip Wotschack vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) eine Studie zum Thema «Gesetzlich garantierte 'Sabbaticals' - ein Modell für Deutschland?» verfasst.
Die Expertise geht der Frage nach, inwiefern ein gesetzlich garantierter Anspruch auf Sabbaticals und eine finanzielle Unterstützung jenseits individueller 'Ansparmodelle' dazu beitragen können, dieses zeitpolitische Instrument auch für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen zu öffnen. Es könnte Beschäftigte in Branchen ansprechen, in denen diese Möglichkeit bisher nicht existiert, die jedoch von temporären Auszeiten deutlich profitieren würden. In der Untersuchung werden Modelle aus Dänemark, Schweden und Belgien auf ihre Übertragbarkeit hin befragt, und Vorschläge gemacht, wie Sabbaticals auch mit anderen arbeitszeitpolitischen Anliegen verschränkt werden können.
Zur Präsentation der Studie am Donnerstag den 15. Juni um 13 Uhr im Wissenschaftszentrum Berlin ist Katja Kipping, Co-Vorsitzende der Partei DIE LINKE eingeladen, um über eine zukunftsfähige, geschlechtergerechte und auf Zeitsouveränität für alle zielenden Zeitpolitik zu sprechen.
Fotos der Veranstaltung gibt es hier.