Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Soziale Bewegungen / Organisierung - Geschlechterverhältnisse - International / Transnational - Europa - Amerikas - Afrika - Asien - Globale Solidarität - Feminismus für alle Feministische Internationale

maldekstra #5 zu Feminismus für alle, Klassensolidarität und Vielfalt der Organisationsformen

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Reihe

maldekstra

Herausgeber*innen

common Verlagsgenossenschaft e.G. ,

Erschienen

September 2019

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Etwas Neues entsteht

Weltweit mischen sich Frauen in Kämpfe ein und initiieren Widerstand. Ein antikapitalistischer Feminismus ist denkbar geworden. Einer, der sich durch große Vielfalt auszeichnet, die nicht dazu führen muss, dass Abgrenzung oberstes Gebot ist. Stattdessen werden neue Formen des Widerstands probiert, Gemeinsamkeiten gesucht, ohne die Unterschiede kleinzureden, findet Vernetzung statt. Der Streik wird neu erfunden, nationale Grenzen werden überwunden, die Theorien gewinnen neue Tiefe, der Begriff der gesellschaftlichen Reproduktion findet Erweiterung, militanter Feminismus verbündet sich mit Diskurs. Zugleich wächst der Widerstand gegen den Widerstand, werden mühsam errungene Fortschritte eingehegt, wird an einem Rollback gearbeitet. Die Feministische Internationale scheint ein Gebot der Stunde zu sein. Ein Anfang ist gemacht.

Eine Suchbewegung

Materialistischer Feminismus begreift soziale Bedingungen als konstruiert hergestellt durch Austauschbeziehungen und Bedeutungszuschreibungen, nicht durch individuelles Handeln, schrieben Friederike Beier, Lisa Yashodhara Haller und Lea Haneberg 2018 in ihrer Vorrede zu dem Buch «materializing feminism». Daraus wächst die schöne Erkenntnis, dass Gesellschaft veränderbar ist. Vorausgesetzt, man benennt die Bedingungen, «unter denen sich Subjekte jenseits gesellschaftlicher Hierarchien und sozialer Platzanweisungen zusammenschließen können, um Gesellschaft zu gestalten».

Es ist mehr als ein Raunen oder lautes Rufen im Wald, dass eine internationale feministische Bewegung im Entstehen ist, der die Kraft innewohnen kann, eine Internationale zu werden. Eine feministische Internationale. Woran sich das festmachen lässt, worin es begründet ist, damit befasst sich diese Ausgabe. Das Schöne und zugleich Schwierige liegt in der Tatsache, dass wir von Feminismen reden müssen anstatt von Feminismus. Es geht nicht um Facetten. Stattdessen sind die Verhältnisse, denen wir zwar weltweit und in Abstufungen und Ausformungen der jeweiligen demokratischen oder undemokratischen Formen das Etikett Kapitalismus verpassen können, dennoch so divers, dass auch die Kämpfe der Geschlechter von ganz unterschiedlichen Ausgangslagen und sehr verschiedenen Zielen geprägt sind. Sein müssen. Allein dafür eine Begrifflichkeit zu finden, ist schwierig und wirkt auf den ersten Blick oft schwerfällig. Aber notwendig ist es auch. Queerfeministisch, intersektional, LGBTIQA* – es ist eine Suchbewegung, der vor allem der Wille innewohnt, nicht auszuschließen, sondern einzubinden, nicht abzugrenzen, sondern Grenzen aufzulösen (wobei Abgrenzung gegenüber erstarkenden Gegenbewegungen, die einen Kulturkampf gegen alle «abweichenden» Formen des Zusammenlebens und der Selbstbestimmung führen, nottut und stattfindet).

Die Feministische Internationale im Entstehen nimmt die ökonomischen Verhältnisse, die Reproduktionsbedingungen und Produktionsverhältnisse in den Fokus und findet gegenwärtig Bewegungsformen – von denen der feministische Streik eine der stärksten ist –, denen eine große Kraft innewohnt und die geeignet sind, die Seminar- und diskursiven Rückzugsräume zu verlassen. Besser noch: Sie sind geeignet, das Diskutieren mit dem Handeln zu verbinden.

Die profeministische Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus ist nicht aus dem Nichts entstanden. Sie hat eine große Tradition und kann auf viele kluge Vordenker*innen und Kämpfer*innen verweisen, was wir in dieser Ausgabe exemplarisch mit den Rebellinnen und Ikonen, wie der Künstler Navid Thürauf seine nach Fotos entstandenen Charakterstudien bezeichnet, zeigen. Gescheiterte Versuche wie die 1907 gegründete Sozialistische Fraueninternationale inbegriffen. Nichts war umsonst. Aber wahr ist auch: Immer gab es starke Gegenbewegungen und darum ist viel Blut geflossen, sind viele Kämpfe verloren worden.

Es gehe gegenwärtig darum, schreibt Brigitte Aulenbacher in «Feministische Kapitalismuskritik» (Verlag Westfälisches Dampfboot, 2. Auflage, 2018), «diejenigen Herrschaftslogiken und -verhältnisse freizulegen, die dem Kapitalismus im Rahmen seiner Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte im Kontext der europäischen Moderne eingeschrieben worden sind und ihn prägen». Was zugleich bedeutet, sich von der Arroganz des europäischen Blicks zu lösen und von jenen zu lernen, die in ganz anderen und letztlich doch ähnlichen Welten Kämpfe führen und Gesellschaftsanalyse betreiben. Und das – dies darf nicht verschwiegen werden – unter Bedingungen, die es notwendig erscheinen lassen, an Tempo zuzulegen, bevor vieles oder alles um die Ohren fliegt.
 
Kathrin Gerlof, September 2019

Globale Perspektiven von links: Das Auslandsjournal

maldekstra ist ein publizistisches Format, das internationalistische Diskurse und Praxen entlang von zentralen Themenlinien diskutiert.
 
Der Name ist dabei Programm: «Maldekstra» steht für «links» in der Weltsprache Esperanto und meint vor allem, aktuelle Fragen in ihrem globalen Rahmen zu sehen, nach weltgesellschaftlichen Lösungen zu suchen für Probleme, die in einer ökonomisch, politisch und kulturell immer enger zusammenrückenden und doch so zerrissenen Welt nur noch auf planetarischer Ebene behandelt werden können.
 
Diese großen Themen werden bei maldekstra entlang von konkreten Perspektiven anschaulich erzählt: internationale Partner und Personen der Rosa-Luxemburg-Stiftung werden vorgestellt, Fachdebatten übersetzt und sowohl die Vielfalt, als auch das Gemeinsame internationaler Entwicklungen aufgespürt. Möglicherweise erscheint die Welt dabei anders als bisher gewohnt – in einer linken weltgesellschaftlichen Perspektive. 

maldekstra ist ein Kooperationsprojekt, das die Rosa-Luxemburg-Stiftung gemeinsam mit der common Verlagsgenossenschaft e.G.  herausgibt. Sie erscheint mehrmals im Jahr als Beilage in der Wochenzeitung der Freitag und der Tageszeitung neues deutschland sowie online bei rosalux.de.