Publikation Deutsche / Europäische Geschichte - Krieg / Frieden - Osteuropa - Umkämpftes Erinnern im Osten - 8. Mai 1945 Die Verteidigung Leningrads: «zurück zu den Archiven»

In Moskau ist eine neue Sammlung bisher unbekannter historischer Dokumente und Materialien erschienen.

Information

Reihe

Online-Publ.

Autor

Andrej K. Sorokin,

Erschienen

Mai 2020

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Die Verteidigung Leningrads 1941–1945: In der Geschichte des Krieges, den Nazideutschland mit seinen Verbündeten gegen die Sowjetunion geführt hat, gibt es kaum eine Schlacht, die vergleichbar wäre, was die Dauer und die Beharrlichkeit, mit der sie geführt wurde, und die Anzahl der Opfer betrifft. Dieses bedeutsame Ereignis ist in die historische Erinnerung als die «Blockade» eingegangen. Zeitgenössische russische Historiker*innen sind der Meinung, dass es nicht weniger berechtigt und sogar passender wäre, von diesem großen Ereignis als der Verteidigung Leningrads zu sprechen. Denn die Stadt war den äußeren Kräften nicht passiv ausgesetzt, vielmehr war sie ein Akteur, ein Subjekt – sie hat sich dem zerstörerischen Einfluss von außen aktiv widersetzt und konnte letztendlich standhalten. Und sie konnte nicht zuletzt dank dem Beitrag der Zivilbevölkerung das belagerte Gebiet erfolgreich verteidigen.

Dr. Andrej K. Sorokin, Jahrgang 1959, ist Historiker. 1991 gründete er den Verlag Rosspen (Russische politische Enzyklopädie). 2008 rief er das Projekt «Geschichte des Stalinismus» ins Leben, eine Sammlung einschlägiger Veröffentlichungen in mehr als 230 Bänden. Er ist Mitglied des Akademischen Rates des föderalen Archivdienstes Russlands und Direktor des Russischen Staatsarchivs für Soziale und Politische Geschichte (RGASPI).

Ende 2019 ist im Moskauer Verlag Političeskaja ėnciklopedija eine umfangreiche Textsammlung erschienen, die diesem tragischen Kapitel in der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges und des Zweiten Weltkrieges gewidmet ist. Der Verleger, Herausgeber und Kommentator dieser Publikation ist der bekannte russische Historiker und Direktor des Russischen Staatsarchivs für sozio-politische Geschichte (russ. Rossijskij gosudarstvennyj archiv social‘no-političeskoj istorii, abgekürzt RGASPI) Andrej Sorokin. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung kooperiert in den letzten Jahren aktiv mit dieser Einrichtung, die das Archiv der Komintern – das sogenannte «Parteiarchiv» – ebenso wie Privatarchive bedeutender Persönlichkeiten der sozialistischen und der kommunistischen Bewegung der ehemaligen UdSSR und anderer Länder beherbergt.

Aus eben den Magazinen dieses – an der Bolschaja-Dmitrowka-Straße in Moskau gelegenen – Archivs hat Sorokin 281 Dokumente der höchsten Organe der parteipolitischen Führung der Sowjetunion aus den Kriegsjahren ausgewählt und kommentiert. Nahezu alle Dokumente wurden dadurch zum ersten Mal für die Wissenschaft zugänglich gemacht; sie sind wortgetreu veröffentlicht, unvermeidbare Kürzungen wurden im Text gekennzeichnet. Die Dokumente sind chronologisch von Juni 1941 bis März 1945 (Auswertung der Verteidigung) geordnet und in sieben thematische Abteilungen gegliedert: die Lage an der Nordwestfront und der Leningrader Front; die Evakuierung der Bewohner*innen Leningrads und der Betriebe; die Industrieproduktion in Leningrad während des Krieges und der Ausbau von Versorgungswegen über den Ladogasee; die Lebensmittelversorgung in Leningrad und im Leningrader Gebiet; diverse Aspekte des Alltagslebens in der Stadt; die Partisanenbewegung in den umliegenden Gebieten.

Andrej Sorokin versucht, diese Publikation in den Gesamtkontext der geschichtswissenschaftlichen Diskussion rund um den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs einzuordnen. Zudem betont er, dass wir nicht wirklich nach Antworten auf die Fragen suchen, die die Gesellschaft beschäftigen, sondern Spekulationen gegenüber der Analyse historischer Fakten und Dokumente vorziehen.