Publikation Wirtschafts- / Sozialpolitik - Commons / Soziale Infrastruktur - Wohnen Die falschen Versprechen der Umwandler

Unbezahlbarer Wohnraum und keine einzige zusätzliche Wohnung

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Reihe

Online-Publ.

Autor

Christoph Trautvetter,

Erschienen

Dezember 2020

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Nur online verfügbar

«Verkauft!» Transparent in Berlin-Neukölln, April 2019
Bezugsfrei und teuer verkaufte Eigentumswohnungen sind als bezahlbarer Wohnraum dauerhaft verloren. Transparent in Berlin-Neukölln, April 2019, picture alliance / ZB | Sascha Steinach

«Als Union wollen wir mehr Familien den Traum vom Eigenheim ermöglichen. Die eigenen vier Wände sind nicht nur ein wichtiger Bestandteil der privaten Altersvorsorge, sondern schützen auch vor steigenden MietenJan-Marco Luczak (Vorsitzender der Berliner CDU-Landesgruppe)

Auf dem Wohngipfel 2018 wurde eine Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen versprochen. Zum Jahresende 2020 verhandelt die Regierungskoalition über deren Ausgestaltung. Paragraf 250 des Baugesetzbuches (BauGB) soll Umwandlungen auf angespannten Wohnungsmärkten bundesweit beschränken. Teile der CDU/CSU, die FDP und die Immobilienlobby machen Stimmung dagegen. Am Beispiel von Berlin widerlegt dieser Standpunkt die falschen Versprechen der Umwandlungsbefürworter*innen. Umgewandelte Mietswohnungen werden zu teuer bezahlten und für die Bestandsmieter*innen unbezahlbaren Eigentumswohnungen oder sind als vermietete Kapitalanlage ein hohes Risiko für Käufer*innen und Mieter*innen. Von einer schlecht regulierten Umwandlung profitieren vor allem spekulative Investor*innen auf der Suche nach dem renditemaximierenden Exit und professionelle Umwandler*innen.

Christoph Trautvetter ist externer Projektleiter des Projekts «RLS-Cities – Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Autor mehrerer Studien zum Berliner Immobilienmarkt. Er arbeitet außerdem als wissenschaftlicher Referent für das Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Einleitung – der rechtliche Hintergrund

Seit 1951 besteht die Möglichkeit, durch Umwandlung bestehende Mehrfamilienhäuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen. Aus einem Grundbuchblatt für das Haus werden dadurch einzelne Blätter für jede Wohnung. Damit sind sie einzeln verkäuflich. Die Eigentümer*innen bilden zusammen eine Wohneigentümergemeinschaft, in der Entscheidungen über das Haus mehrheitlich getroffen werden. Für Häuser in sogenannten Erhaltungsbieten können die Bundesländer in einer Umwandlungsverordnung den Verkauf umgewandelter Häuser für bis zu sieben Jahre auf die Mieter*innen beschränken (Paragraf 172 BauGB). Dies ist in Berlin seit 2015 der Fall. Darüber hinaus genießen Mieter*innen, die bereits vor der Umwandlung in dem Haus wohnten, drei – oder bei entsprechender Verordnung und Ausweisung als angespannter Wohnungsmarkt auf Landesebene – zehn Jahre Kündigungsschutz bei Verkauf (Paragraf 577a Bürgerliches Gesetzbuch). In ausgewiesenen Milieuschutzgebieten sind es aber zwölf Jahre: Es gilt eine siebenjährige Verkaufssperre (mit Ausnahme des Verkaufs an die Mieter*innen der Wohnungen), danach gelten weitere fünf Jahre Kündigungsschutz.

Der neue Paragraf 250 BauGB soll nach aktuellem Stand die siebenjährige Verkaufsbeschränkung auf alle Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt ausdehnen. Allerdings lassen sich sowohl der bestehende Paragraf 172 BauGB wie auch der vorgeschlagene Paragraf 250 BauGB mit einem Verkauf an eine fingierte «Mieter*in» umgehen.

Umwandlung eher für Kapitalanleger*innen als für Selbstnutzer*innen

In Berlin gab es Ende 2019 insgesamt 521.269 Eigentumswohnungen. Das entspricht etwa 30 Prozent der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Seit 1991 wurden laut Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 292.298 Bestandswohnungen umgewandelt und 67.721 Eigentumswohnungen neu gebaut.[1] Ein Vergleich mit den Kaufpreisen für bezugsfreie, umgewandelte Altbauten zeigt: Umgewandelt wird vor allem dann, wenn die Preise steigen – mit einigen Sondereffekten nach der Wende.

Abbildung 1: Umwandlung in Berlin 1991– 2019 (laut Grundbuch) IBB Wohnungsmarktbericht

Diese Eigentumswohnungen werden entweder vom Eigentümer selbst genutzt, einzeln und privat als Kapitalanlage gehalten und vermietet, oder vom Mehrheitseigentümer des Hauses auf Vorrat gehalten. Die Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) von 2011 unterscheidet selbstgenutzte und vermietete Eigentumswohnungen und die Art der Vermieter*innen. Die aktuelle Entwicklung lässt sich nur grob schätzen.[2] Der Großteil der Eigentumswohnungen war demnach schon 2011 vermietet und dieser Anteil ist seitdem noch gestiegen (von 53 auf 68 Prozent). Die Eigentumsquote ist durch den Umwandlungsboom der letzten Jahre kaum gestiegen.

Tabelle 1: Eigentümer*innen von umgewandelten Wohnungen 2011 und 2019 (geschätzt)

Wohneinheiten

2011

Anteil

2019

Anteil

gesamt

381.259

100%

521.269

100%

selbstgenutzt

120.305

32%

152.000

29%

vermietet (an Privatperson)

202.575

53%

354.000

68%

Vermietet (an andere)

46.494

12%

leer stehend

10.355

3%

10.000

2%

Ferien- und Freizeitwohnung

1.503

0%

5.000

1%

Umwandlung auf Vorrat anstatt Verkauf an Mieter*innen

«PSD [Phönix Spree Deutschland] hat versucht, so viele Mehrfamilienhäuser wie möglich in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Dies ist Voraussetzung für den Einzelverkauf. […] Wenn der Mietendeckel nach 2021 fortbesteht, verringern sich PSDs Mieteinnahmen um schätzungsweise 15 Prozent, dies soll durch den verstärkten Wohnungsverkauf ausgeglichen werden.»[3]

Während schätzungsweise[4] etwa je die Hälfte der umgewandelten und verkauften Wohnungen an Selbstnutzer*innen bzw. Kapitalanleger*innen verkauft wird, wird anscheinend ein wachsender Teil der umgewandelten Wohnungen zunächst gar nicht verkauft. Die Geschäftsberichte mehrerer Berliner Immobilieninvestoren zeigen, warum. Berlin High End, ein dänischer Investmentfonds, hat seit 2014 fast alle seiner 2.366 Berliner Wohneinheiten aufgeteilt und verkauft einzelne Wohnungen dann, wenn sie leer werden. Diese Strategie verfolgt auch Phönix Spree, ein Investmentfonds aus Jersey, der 87 Prozent seiner 2.537 Wohneinheiten umgewandelt hat oder gerade umwandelt. Laut Gutachterausschuss war der Preis 2018 für bezugsfreie Altbauwohnungen (4.623 Euro/qm) deutlich höher als der für vermietete Wohnungen (3.389 Euro/qm). Bei der durchschnittlichen Wohnungsgröße von 65 qm ergibt sich dadurch ein Preisunterschied von 80.000 Euro. Folgerichtig wurden etwa 63 Prozent der umgewandelten Wohnungen bezugsfrei verkauft.[5] Anstatt zu warten, bieten einige Eigentümer*innen den Bestandsmieter*innen nach Mieterberichten Auszugsprämien von bis zu 50.000 Euro an.

Wegen des Mietendeckels hat Phönix Spree laut Geschäftsbericht 2019 zusätzlich einen Vertrag mit Accentro geschlossen, um Wohnungen bei Bedarf noch schneller verkaufen zu können. Ein Regionalmanager von Akelius begründet die hohe Umwandlungsquote des Konzerns dagegen damit, dass bei der Sanierung die für die Umwandlungen nötigen Unterlagen sowieso erstellt werden müssen und deswegen ohne konkrete Verkaufsabsicht umgewandelt wird.[6] Denkbar ist außerdem auch, dass private Eigentümer*innen aufteilen, um bei Geldmangel einzelne Wohnungen verkaufen zu können oder um neu gebaute Dachgeschosse teuer zu verkaufen. Und schließlich dürfte die seit 2015 gültige Umwandlungsverordnung eine Rolle spielen. Seit Gültigkeit dieses Verbots bis Ende 2019 wurden in Berliner Milieuschutzgebieten 18.382 Wohnungsumwandlungen genehmigt, und zwar fast ausschließlich (97,4 Prozent) mit einer siebenjährigen Beschränkung des Verkaufs auf Mieter*innen. Allerdings wurde bis jetzt nur in 54 Fällen der Verkauf an Mieter*innen beantragt. Insgesamt wurden 2019 berlinweit von 9.883 verkauften umgewandelten Wohnungen nur 460 (4,6 Prozent) an Mieter*innen verkauft.[7]

Umwandlung als Risiko für die Käufer*innen

Ein wichtiger Grund dafür, dass nur so wenige Mieter*innen ihre umgewandelte Wohnung kaufen, sind die hohen Kaufpreise. In den letzten Jahren sind in Berlin die Kaufpreise für Immobilien sehr viel schneller gestiegen als die Mieten. Das liegt nur zum Teil an den gesunkenen Zinsen, die bei gleichbleibender Zins- und Tilgungszahlung – das nötige Eigenkapital vorausgesetzt – höhere Kredite und damit höhere Kaufpreise ermöglichen. 2018 lagen die durchschnittlichen Kaufpreise beim 2,3-Fachen des Preises von 2010, die Mieten für neuvermietete Wohnungen waren jedoch nur auf das 1,7-Fache gestiegen. Die Erhöhung der Bestandsmieten auf das 1,1-Fache lag sogar nochmal deutlich unter der Erhöhung der Einkommen auf das 1,3-Fache.

 
Abbildung 2: Entwicklung von durchschnittlichen Kaufpreisen, durchschnittlichen Mieten und Einkommen in Berlin 2010 – 2019 IBB Wohnungsmarktbericht

Angesichts dieser Entwicklung stellen die «Immobilienweisen» im Frühjahrsgutachten 2020 fest: «Es fällt schwer, eine Begründung zu finden, warum Wohnungen mit so niedrigen Bruttoanfangsrenditen offensichtlicher Weise einen Käufer finden.» Selbst unter der Annahme, dass das Zinsniveau über die nächsten 20 Jahre weiterhin so niedrig bleibt und dass sowohl Mieten als auch Verkaufspreise weiterhin entsprechend der Inflation um 1,5 Prozent steigen, ergibt sich nach deren Berechnung für den Käufer einer Berliner Wohnung zum durchschnittlichen Preis (4.777 Euro/qm) mit einer durchschnittlichen Neuvermietungsmiete (10,05 Euro) und mit ausreichend Eigenkapital (150.000 Euro)[8] eine Nettorendite von gerade einmal zwei Prozent. Ändern sich diese optimistischen Annahmen, entsteht schnell ein Verlust. Auch beim Mietendeckel dürften es vor allem die Käufer*innen von Eigentumswohnungen aus den letzten Jahren sein, die sich für die Härtefallregelung qualifizieren. Für sie übernimmt das Land Berlin einen Teil der wegfallenden Mieteinnahmen.

Neben dem Preisrisiko übernehmen die Käufer*innen auch alle Risiken in Bezug auf die Immobilie. Als Teil der Wohnungseigentümergemeinschaft müssen sie anteilig für Reparaturen – zum Beispiel Schimmel oder Asbestbeseitigung – aufkommen. Dabei sind sie oft im Nachteil gegenüber den professionellen Verkäufern, vor allem wenn diese noch eine Mehrheit der Wohnungen im Gebäude besitzen und damit die Entscheidungen der Gemeinschaft diktieren können.

Umwandlung als Gefahr für Mieter*innen

«Ein Umwandlungsverbot führt auch nicht zu mehr Mieterschutz. Die insoweit vorgebrachten Argumente sind falsch, sie spielen mit den Ängsten der Menschen. Das ist unseriös und zynisch. Im Falle der Umwandlung sinkt nicht etwa der Kündigungsschutz, er steigt. In Berlin ist eine Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung für 10 Jahre ausgeschlossen. Danach greift das reguläre Rechtsregime, ein Eigentümer muss Eigenbedarf anmelden, nachweisen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen. Gerichte sind zum Schutze der Mieter dabei zu Recht streng.» Jan-Marco Luczak

Wenn die umgewandelte Wohnung in einem Milieuschutzgebiet mit Umwandlungsverordnung und/oder in einem angespannten Wohnungsmarkt mit verlängerter Kündigungssperrfirst liegt, sind Mieter*innen zeit- und teilweise geschützt. In Berlin gilt sowohl eine Umwandlungsverordnung (seit 2015) als auch eine maximale Kündigungssperrfrist stadtweit (seit 2013). Damit fallen 18.362 seit 2015 in den Milieuschutzgebieten umgewandelte Wohnungen in die höchste Schutzkategorie. Das heißt, ein Verkauf ist mit einigen Ausnahmen (z.B. an Mieter*innen) erst nach sieben Jahren, also erst ab 2022, möglich. Durch die Kombination von Umwandlungsverordnung und Kündigungssperrfrist verkürzt sich Letztere beim Verkauf allerdings von zehn auf fünf Jahre, gilt also mindestens bis 2027. Für einen Teil der etwa 70.000 seit 2013 umgewandelten Wohnungen, in denen noch die Mieter*innen von vor der Umwandlung wohnen, läuft die Kündigungssperrfrist noch bis mindestens 2023. Für etwa 400.000 Eigentumswohnungen gelten keine Beschränkungen mehr.[9]

Tabelle 1: Überblick zu den Wirkungen von Umwandlungsverordnung und Kündigungssperrfrist

 

UmwandlungsVO + verlängerte Kündigung

UmwandlungsVO ohne verlängerte Kündigung

nur verlängerte Kündigung

keine

Verkauf

7 Jahre oder bei Auszug an neuen «Mieter*in»

sofort

Kündigung

bis zu 12 Jahre

7 Jahre

bis zu 10 Jahre

3 Jahre

Durch diese Regeln zum Mieterschutz und je nach Käufertyp unterscheiden sich die Konsequenzen aus einer Umwandlung wesentlich.

Fall 1: Umwandlung auf Vorrat und Verkauf von leeren Wohnungen an Selbstnutzer*innen

Durch den Preisunterschied zwischen bezugsfreien und vermieteten Wohnungen besteht ein großer Anreiz für die Eigentümer*innen, die Bestandsmieter*innen loszuwerden. Dies gilt vor allem für nach 2015 in den Milieuschutzgebieten umgewandelte Wohnungen (und potenziell für die nach Paragraf 250 BauGB umgewandelten Wohnungen in ganz Berlin). Durch die Nivellierung von Bestands- und Neuvermietungsmieten sollte der Mietendeckel diesen Anreiz gerade beseitigen. Mit etwas Glück erhalten die Mieter*innen wenigstens eine Auszugsprämie. Zwar haben die Gerichte die Umgehungsmöglichkeit des Verkaufsverbots nach Paragraf 172 BauGB durch eine Kombination aus Neuvermietung und anschließendem Verkauf an die neuen Mieter*innen durch zeitliche Vorgaben eingeschränkt, die Praxis dadurch aber nicht beseitigt.

Fall 2: Verkauf vermieteter Wohnungen an Kapitalanleger*innen und potenzielle Selbstnutzer*innen

Für Wohnungen ohne Verkaufsverbot (nach Paragraf 172 oder den neuen Paragrafen 250 BauGB) besteht – möglicherweise beschränkt durch die Kündigungssperrfrist – neben dem Anreiz, die Bestandsmieter*innen loszuwerden, die Gefahr einer Eigenbedarfskündigung und eines neuen Vermieterverhältnisses.

Die Umwandlungsbefürworter*innen argumentieren – im scheinbaren Widerspruch zu ihrem Argument vom Traum des Eigenheims –, dass ein zunehmender Teil der Eigentumswohnungen weiterhin vermietet und an Kapitalanleger*innen ohne Selbstnutzungsinteresse verkauft wird.[10] Allerdings gibt es eine Vielzahl von Beispielen dafür, dass Kapitalanleger*innen ihr Recht auf Eigenbedarfskündigungen als Drohung missbrauchen. Weil die Gerichte den Eigenbedarf sehr weit auslegen und vorgetäuschten Eigenbedarf nur unzureichend kontrollieren, müssen sie dafür nicht einmal tatsächlich umziehen wollen. Dazu drei anonymisierte, aber reale Beispiele:

Mieter*in 1 lebt in einer Eigentumswohnung in Reinickendorf, die Vermieter*in wohnt in Norddeutschland. Weil die Wohnfläche deutlich geringer war als vereinbart, minderte die Mieter*in die moderate Miete und lehnte nach anwaltlicher Beratung auch eine Modernisierungsmaßnahme ab. Kurz darauf folgte die Eigenbedarfskündigung. Die Vermieter*in, selbst schon relativ alt und seit Jahrzehnten in Norddeutschland ansässig, wollte angeblich aus Norddeutschland nach Berlin ziehen, um Freund*innen nahe zu sein und kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Mieter*in 2 wohnt in einer Eigentumswohnung in Wedding, die Vermieter*in wohnt in Brandenburg. Eine Rüge wegen überhöhter Staffelmiete widersprach die Vermieter*in und fügte hinzu: «Ich weise Sie bereits jetzt darauf hin, dass ich die von Ihnen genutzte Wohnung zeitnah für meinen Sohn benötige und eine Kündigung der Wohnung aufgrund von Eigenbedarf unausweichlich ist.» Mieter*in 3 wohnt in Friedrichshain und erhielt kürzlich einen Anruf der Vermieter*in, die ihre Absicht bekundete, die Miete trotz Mietendeckel nicht abzusenken, und bei Beschwerde mit einer Eigenbedarfskündigung drohte.

Über diese anekdotische Evidenz hinaus gibt es keine detaillierten Daten zum Umfang und zur Entwicklung von Eigenbedarfskündigungen. Anhand der Häufigkeit der Fälle aus der Mieterberatung schätzt der deutsche Mieterbund die jährliche Fallzahl bundesweit auf etwa 14.000 Fälle.[11] Für Berlin zeigt eine Studie von Beran und Nuissl (2019) für die Jahre 2013 bis 2015, dass Umzügler*innen aus Wohnungen von privaten Kleinanbieter*innen in Vergleich zu allen anderen Vermietergruppen überdurchschnittlich oft verdrängt wurden und Kündigung viel häufiger der Grund für die Verdrängung war (27,9 im Vergleich zu 5,6 Prozent bei den privatwirtschaftlichen Unternehmen, 6,2 Prozent bei den Landeswohnungsunternehmen und 11,1 Prozent bei den Genossenschaften). Darüber, wie sich Mieten, Wohnungszustand und Mieterzufriedenheit in umgewandelten Wohnungen im Besitz von Kapitalanleger*innen entwickelt, gibt es ebenfalls keine aussagekräftigen Daten und die Spannbreite ist groß: von Vermieter*innen, die im selben Haus wohnen und sich selbst um die Wohnung kümmern, bis hin zu weit entfernt wohnenden Vermieter*innen mit professioneller Verwaltung. Allgemein gilt: Modernisierungen sind durch die Abstimmung in der Wohneigentümergemeinschaft schwerer, ein direkter Kontakt zwischen Mieter*in und Eigentümer*in wahrscheinlicher und Transparenz und Kontrolle für die Stadtverwaltung schwieriger.

Laut einer Umfrage unter 1.600 Mitgliedern des Mietervereins aus dem Jahr 2000 waren Mieter*innen in Häusern, die Eigentümergemeinschaften gehören, mit 60 Prozent zwar etwas seltener unzufrieden oder sogar sehr unzufrieden mit ihrer Vermieter*in, als dass bei Einzeleigentümer*innen der Fall war (hier 67 Prozent). Die Unzufriedenheit lag aber höher als bei privaten Unternehmen mit 59 Prozent und deutlich über der bei landeseigenen Wohnungsunternehmen oder bei den Genossenschaften mit etwa 40 Prozent. In einer deutschlandweiten Umfrage unter 1.000 Mieter*innen für die Jahre 2008, 2010 und 2012 schnitten private Einzelvermieter*innen bei der Zufriedenheit genauso gut ab wie kommunale und genossenschaftliche Unternehmen, hatten aber deutlich weniger Mieter*innen, die angaben, dort wieder mieten zu wollen. Bezüglich Mieterhöhungen ergab eine stichprobenartige Erhebung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) für die Jahre 2011 bis 2013 eine statistisch nicht signifikant geringere Mieterhöhung bei privaten Vermieter*innen von Wohneigentum im Vergleich zu privaten Vermieter*innen von Hauseigentum.[12]

Umwandlung vor allem im Interesse der Umwandler*innen

Anders als die ebenfalls von der Immobilienlobby beauftragten «Immobilienweisen» kommt ein vom Wohnungsverkäufer Accentro beauftragtes Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass es nur selten so günstig war, eine Eigentumswohnung zu kaufen, wie 2019.[13] Das liegt vor allem daran, dass das IW die hohen Wertsteigerungen der Vergangenheit in die Zukunft fortschreibt. Auf dieses Auftragsgutachten verweist auch das Gutachten zum «Umwandlungsverbot» für die FDP-Bundestagsfraktion durch denselben Autor – allerdings ohne auf den Auftraggeber zu verweisen.[14] Der Gründer von Accentro, Jacob Mingazzini, ist Vorstandsmitglied des FDP-nahen Vereins «Liberale Immobilienrunde e.V.» und hat 2017 auch den Verein zur Förderung von Wohneigentum in Berlin e.V. (VWB) gegründet. In einem Beitrag kritisiert Mingazzini die «zementierte Mieternation» und bezeichnet die CDU/CSU wegen des geplanten Umwandlungsverbots als «Komplize der größten Eigentumsbehinderungsaktion der Nachkriegsgeschichte».

Ein weiterer Befürworter von Umwandlungen ist das 2016 gegründete und vor allem von der Bauindustrie getragene Verbändebündnis «Wohneigentum». Unter dem Motto «Wohneigentum entlastet Mietsektor» veranstalteten sie 2017 den ersten «Deutschen Wohnungseigentums-Tag». Botschaft und Ergebnis sind auf der Website der Veranstaltung wie folgt zusammengefasst: «[Die Moderatorin] appellierte an die Zuhörer, sich von der Vorstellung zu lösen, man müsse ganz besonders wohlhabend sein, um Wohneigentum zu erwerben. Es gebe beim Eigenheimerwerb empirisch nachgewiesene Sickereffekte […] Die Vertreter*innen von CDU/CSU und SPD kündigten als Ergebnis der Diskussion eine verstärkte Wohneigentumsförderung an.» 2018 wurde beim Pestel-Institut eine Studie zur «Effektive[n] Förderung von Wohneigentum als neue Chance zur Alterssicherung» in Auftrag gegeben und ein parlamentarisches Frühstück dazu veranstaltet.

Lange Zeit gut verborgen blieb der Interessenkonflikt bei der gemeinnützigen Joanes-Stiftung. Sie wurde 2015 von Nikolaus Ziegert gegründet. Unter den 15 Stiftungszwecken finden sich die Förderung der Eigentumsbildung und die Forschung zum Thema Wohnungseigentum. Dazu wurden 2017 nach Stiftungsangaben 55 Veranstaltungen mit der Zielgruppe der Stiftung (den «Schwellenhaushalten») organisiert und ein Buch mit der Deutschen Stiftung Eigentum zum Wohneigentum geplant.[15] Dass Ziegert gleichzeitig in Berlin im großen Stil die Umwandlung und den Verkauf teurer Eigentumswohnungen betrieb, wurde erst Anfang 2020 sichtbar, nachdem eine Recherche der Berliner Zeitung Ziegert als wahren Eigentümer hinter der a tempo AG identifiziert hatte. Die Anonymität und den falschen Eintrag im Transparenzregister begründete Ziegert unter anderem damit, dass er sonst schon wegen seines Namens und seiner Strategie höhere Preise für die gekauften Immobilien zahlen müsste.

Fazit: weniger bezahlbarer Wohnraum durch Umwandlungen

Die Zahlen und Beispiele aus Berlin zeigen: Umwandlung findet vor allem dann statt, wenn der Wohnungsmarkt angespannt ist. Dann zahlen Käufer*innen hohe Preise und Subventionen verpuffen. Hauptprofiteure sind die Voreigentümer*innen, darunter viele spekulative Investor*innen, die einen Exit über den Verkauf von Eigentumswohnungen planen, und professionelle Umwandler*innen. Umso lautstarker protestieren sie gegen eine Beschränkung der Umwandlung und pflegen dafür engen Kontakt zur Politik. Anders als von ihnen behauptet, behindert der vorgeschlagene Paragraf 250 BauGB niemanden bei der Suche nach einem Eigenheim und verhindert nicht einmal wirksam die Umwandlung, sondern verzögert und behindert lediglich die Realisierung des maximalen Spekulationsgewinns. Ein unbefristetes Verbot von Umwandlungen für angespannte Wohnungsmärkte ohne Ausnahmen über die Verkaufsbeschränkung wäre vor allem aus zwei Gründen wünschenswert:

  1. Bezugsfrei und teuer verkaufte Eigentumswohnungen sind als bezahlbarer Wohnraum dauerhaft verloren. Durch die gestiegenen Preise und die daraus resultierenden höheren hypothetischen Mieten und Eigenkapitalanforderungen ist der Kauf nur für einen kleinen Teil der betroffenen Bevölkerung überhaupt möglich. Dass auch indirekt durch Umzugsbewegungen kaum bezahlbare Wohnungen frei werden (sogenannter Sickereffekt), zeigt eine aktuelle Studie des BBSR. Sie belegt, dass deutschlandweit etwa die Hälfte der durch Umzug in eine meist teurere und höherwertige Wohnung frei gewordenen Wohnungen durch Zuziehende belegt werden, die dafür sorgen, dass Umzugsketten durchbrochen werden. Zusätzlich wird laut Studie der Sickereffekt noch dadurch abgeschwächt, dass bis zu 65 Prozent der durch den Umzug frei werdenden günstigeren Wohnungen durch Mietsteigerungen bei der Neuvermietung ebenfalls ins höherpreisige Segment fallen. Schließlich erhöht sich bei den Eigentumswohnungen die Gefahr spekulativen Leerstands und der Nutzung als Zweit- oder Ferienwohnung.
  2. Dafür, dass private Kapitalanleger*innen und Kleinvermieter*innen von einzelnen Eigentumswohnungen bessere Vermieter*innen sind als private Wohnungsunternehmen oder Eigentümer*innen von ganzen Mehrfamilienhäusern, gibt es keine Belege, eher im Gegenteil. Angesichts der abgerufenen Kaufpreise für vermietete Wohnungen stehen auch sie unter Druck, die Mieten zu erhöhen. Dabei haben sie – genauso wie der private Hauseigentümer, aber anders als die privaten Wohnungsunternehmen – die reale oder vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung als Druckmittel. Für die Stadt und die Mieter*innen eines Hauses ist die Kontrolle und Mobilisierung wegen fehlender Transparenz im Bereich der Privateigentümer*innen oft deutlich schwieriger. Werden Wohnungskäufer zum Beispiel beim Mietendeckel zu Härtefällen, subventioniert die Stadt am Ende die Profite der Umwandler*innen. Für Befürworter*innen einer kleinteiligeren, privaten Eigentümerstruktur gibt es deutlich bessere Optionen, zum Beispiel Genossenschaften. Schließlich taugt vermietetes Wohnungseigentum wegen der hohen Kaufnebenkosten, der geringen Diversifizierung und Liquidität und der für Laien schwierigen Beurteilung der immobilienbezogenen Risiken nur bedingt für die private Altersvorsorge.

[1] Weitere Informationen für jeweils zehn Jahre in den Tabellenbänden verfügbar unter: tinyurl.com/y4a2skpv.

[2] Für die Schätzung der selbstgenutzten Eigentumswohnungen wurden die zusätzlichen Selbstnutzer*innen (laut Mikrozensus etwa 47.000 von 2010 auf 2018) zunächst auf neu gebaute Eigenheime (+15.261 seit 2011) und dann auf die Eigentumswohnungen verteilt.

[3] Eigene Übersetzung basierend auf dem Geschäftsbericht 2019.

[4] Dritter Bericht der Bundesregierung über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland vom 23.3.2018, unter: tinyurl.com/y6y9m2lr.

[5] Gutachterausschuss Berlin, Wohnungsmarktbericht 2019.

[6] Šustr, Nicolas: Akelius teilt in großem Stil auf, in: neues deutschland, 26.11.2020, unter: tinyurl.com/yytkda69.

[7] Abgeordnetenhaus Berlin: Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gaby Gottwald (DIE LINKE): Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, Drucksache 18/24196, 17.7. 2020.

[8] Berlin bietet Mieter*innen seit August 2020 ein 20-jähriges, zinsloses und nachrangiges Darlehen von bis zu 40.000 Euro zuzüglich 10.000 Euro je Kind als Eigenkapitalersatz an.

[9] Bereits seit 2011 gilt in mehreren Berliner Bezirken eine Kündigungssperrfrist von sieben Jahren. Die Sperrfrist läuft ab dem Eintrag des ersten Erwerbers nach der Umwandlung im Grundbuch und nur für Bestandsmieter*innen. Professionelle Aufteiler schließen oft Kaufverträge mit der Bedingung einer erfolgreich abgeschlossenen Umwandlung durch den Voreigentümer ab – so zum Beispiel im Fall des Kaufs des Hauses in der Corinthstr. 53 durch den US-amerikanischen Private-Equity-Investoren Carlyle. Dadurch startet die Sperrfrist sofort nach Umwandlung. Findet nach der Umwandlung ein Mieterwechsel statt, sind die neuen Mieter*innen nicht geschützt. Auch für Umwandlungen vor 2013 kann also noch eine Kündigungssperrfrist eintreten, wenn die Wohnung seit Umwandlung nicht verkauft wurde und noch immer vom alten Bestandsmieter bewohnt wird.

[10] Siehe z.B. Vogtländer, Michael: Die Folgen eines Umwandlungsverbots für den Wohnungsmarkt in Deutschland, 8.9.2020, unter: tinyurl.com/y4yjy5j7.

[11] Deutscher Mieterbund: Beratungs- und Prozessstatistik 2018, unter: tinyurl.com/y64yl8tj.

[12] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): Privateigentümer von Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern, Bonn 2015, unter: tinyurl.com/yy7oz33w.

[13] Voigtländer, Michael/Sagner, Pekka: Accentro Wohnkostenreport 2020, Köln 2020, unter: tinyurl.com/y6obzopc.

[14] Ein Verweis auf Accentro ergibt sich lediglich im Titel im Literaturverzeichnis.

[15] Vorsitzender des Stiftungsrats der ebenfalls gemeinnützigen Stiftung «Eigentum»  ist Christian Schmidt (MdB, CSU). 2020 veröffentlichte die Stiftung das Buch «Wohneigentum für breite Schichten der Bevölkerung».