Publikation International / Transnational - Krieg / Frieden Zivil-militärische Zusammenarbeit

Europas imperiale Machtpolitik aus einem Guss. Von Jürgen Wagner. Reihe «Analysen zu Internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik»

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August 2010

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Einleitung

Eigentlich schließen sich diese Begriffe gegenseitig aus: ist etwas "zivil", kann es im Prinzip nicht "militärisch" sein und umgekehrt. Dennoch ist die "Zivil-militärische Zusammenarbeit" (CIMIC) zum neuen sicherheitspolitischen Leitbild der Europäischen Union geworden.[1] Der Grund: Eine effektive Durchsetzung eigener Interessen erfordert aus Sicht der EU-Strategen heutzutage zwingend eine Bündelung sämtlicher Machtkapazitäten. Catherine Ashton, seit Dezember 2009 neue "Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik" und als Chefin des "Europäischen Auswärtigen Dienstes" (EAD), der noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen soll, sozusagen qua Amt Symbol für die zunehmende Verschmelzung ziviler und militärischer Instrumente, erläutert den Sinn und Zweck der Übung folgendermaßen: "Zur Unterstützung einer einheitlichen politischen Strategie müssen wir sämtliche Einflusshebel mobilisieren – politische, ökonomische, plus zivile und militärische Krisenmanagementwerkzeuge. Die Schaffung des Europäischen Auswärtigen Dienstes ist entscheidend, um exakt die Art vereinigten Denkens und Handels zu fördern, die wir benötigen. Hierbei handelt es sich nicht um eine bürokratische Übung, sondern um eine sich nur einmal jede Generation bietende Gelegenheit, etwas Neues zu schaffen."  Angesichts der ohnehin bereits profligierend ansteigenden EU-Auslandseinsätze ist Ashtons Versprechen aus friedenspolitischer Sicht mehr als Drohung zu verstehen:  "Ich hoffe, sie haben nun mein Anliegen verstanden. Die Tage, in denen die Europäische Außenpolitik als Gewäsch ohne Handlungen abgetan werden konnte, sind nun vorüber."[2]

In diesem Beitrag soll deshalb zunächst die "Logik" der Zivil-militärischen Zusammenarbeit als Mittel zur Maximierung der Machtprojektion herausgearbeitet werden (Abschnitt 1). Anschließend wird beschrieben, wie CIMIC zu einer Paramilitarisierung weiter Teile der EU-Außenpolitik geführt hat (Abschnitt 2). Aufgrund seiner Tragweite wird dem "Europäischen Auswärtigen Dienst" ein eigenes Kapitel gewidmet, da er die ultimative Verschmelzung ziviler und militärischer Kapazitäten darstellt (Abschnitt 3). Abschließend sollen die Folgen dieser Politik dargestellt werden, durch die zivile Akteure und humanitäre Hilfe letztlich zu einem bloßen Erfüllungsgehilfen militärischer Interessensdurchsetzung verkommen. Hierdurch hört – und das ist die zentrale These dieses Beitrags – eine eigenständige zivile Außenpolitik, die sich als grundsätzliche Alternative zur militärischen "Lösung" von Konflikten versteht, auf zu existieren.[3] Die Folge ist eine Entwertung und Instrumentalisierung ziviler Instrumente zugunsten einer imperialen Machtpolitik aus einem Guss (Abschnitt 4).

März 2010

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[1] Als CIMIC wird einerseits die "Übernahme nicht genuin militärischer Tätigkeiten durch Streitkräfte […] bezeichnet." Andererseits beschreibt der Begriff, und in diesem Sinne wird er hier verwendet, die generelle Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren. Vgl. Irlenkaeuser, Jan C.: Zivil-militärische Zusammenarbeit als Aufgabe der Bundeswehr, in: Krause, Joachim/Irlenkaeuser, Jan C.: Bundeswehr – Die nächsten 50 Jahre. Anfoderungen an deutsche Streitkräfte im 21. Jahrhundert, Opladen 2006, S. 237-252, S. 237.

[2] Catherine Ashton: Rede auf der 46. Münchner Sicherheitskonferenz, 06.02.2010, URL: http://www.securityconference.de/Ashton-Catherine.450.0.html (09.03.2010).

[3] Gerade die Entwicklungshilfe zielte zwar stets auch auf die Durchsetzung von Interessen der Geberländer, die zunehmende Unterordnung unter sicherheitsrelevante Überlegungen wird diesen Trend jedoch massiv verstärken. Vgl. zum interessengeleiteten Charakter der Entwicklungshilfe etwa Hudson, Michael: Super Imperialism: The Economic Strategy of American Empire, London 2003 [1972]; Hayter, Teresa: Aid as Imperialism, Harmondsworth 1971.