Publikation Wirtschafts- / Sozialpolitik - Nordafrika - Ostafrika - Sozialökologischer Umbau - COP27 Wem gehört der Nil?

Der ägyptisch-äthiopische Konflikt um den Bau des Grand Ethiopian Renaissance Dam

Information

Reihe

Online-Publ.

Autorin

Ivesa Lübben,

Erschienen

September 2021

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Nur online verfügbar

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Bild des Grand Ethiopian Renaissance Dam
Baustelle des Grand Ethiopian Renaissance Dam in Guba im Nordwesten Äthiopiens im Jahr 2017. Foto: Gioia Forster/dpa

Der Streit um den Grand Ethiopian Renaissance Dam – kurz GERD genannt – droht, zu einer internationalen Krise zu eskalieren. Am 5. Juli dieses Jahres informierte die äthiopische Regierung Ägypten und Sudan offiziell darüber, dass es mit der zweiten Phase der Befüllung des Staudamms begonnen habe. Ägypten hatte zuletzt den UN-Sicherheitsrat angerufen und gefordert, dass die Befüllung ausgesetzt wird, solange sich die drei Anrainerstaaten des Blauen Nils – Ägypten, Äthiopien und der Sudan – nicht vertraglich über die Details der Befüllung und der späteren Betreibung des Damms geeinigt hätten. «Niemand darf es sich erlauben, Ägypten auch nur einen Tropfen Wasser wegzunehmen», drohte der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi anlässlich der Eröffnung mehrerer Großprojekte am Suezkanal am 30. März 2021.

Nachdem die letzte Verhandlungsrunde zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan über die Modalitäten der Befüllung des Staudamms scheiterte, verschärfte sich der Ton zwischen Äthiopien und Ägypten. Die äthiopische Regierung kündigte ihrerseits an, dass sie auch ohne das von Sudan und Ägypten geforderte, legal bindende Abkommen mit der zweiten Befüllungsrunde beginnen werde.

Der Konflikt um den Bau des GERD schwelt seit nunmehr einem Jahrzehnt. Erste Überlegungen von Staudammprojekten am Blauen Nil machte man in Äthiopien bereits in den 1950er Jahren. Der damals herrschende Kaiser, Haile Selassie, ließ entsprechende Machbarkeitsstudien durch das US-amerikanische Amt für Wasserwirtschaft erstellen. Die Pläne wurden jedoch nach dem Sturz der Monarchie auf Eis gelegt.

Für beide Länder dreht sich der Disput nur vordergründig um technische Details der Befüllung. Im Kern geht es aber um Grundfragen der Nutzung, Kontrolle und Hegemonie über die Wasserressourcen des Nilbeckens. Das ist auch der Grund dafür, dass sich erstens trotz vielfacher Regierungs- und Systemwechsel in den letzten eineinhalb Jahrhunderten die Positionen zu den Anrechten auf das Nilwasser in keinem der beiden Länder geändert haben. Zweitens gibt es sowohl in Ägypten als auch in Äthiopien kaum Kritik seitens der Zivilgesellschaft oder durch oppositionelle Kräfte an den offiziellen Regierungspositionen. Das Gegenteil ist der Fall: Das Zugehen auf die Position des anderen durch Regierungsvertreter*innen einer der beiden Konfliktparteien wird von der jeweiligen Öffentlichkeit als Aufgabe nationaler Rechte verurteilt. Eine Zwischenrolle in dem Konflikt spielt der Sudan, der zeitweise versuchte, zwischen den Kontrahenten zu vermitteln.

In dieser Online-Publikation sollen die Positionen der Kontrahenten, die rechtlichen Voraussetzungen und die Gründe für das bisherige Scheitern der Verhandlungen sowie dessen Folgen beschrieben werden. In einem Exkurs wird nach den Determinanten der oszillierenden Position des Sudan in dem Konflikt gefragt. Abschließend werden Handlungsoptionen für konfliktentschärfende Intervention für progressive politische Akteure vorgeschlagen.