Publikation International / Transnational - Nordafrika «Wenn drunten weit in der Türkei die Völker aufeinander schlagen …»

Über die Dimension des so genannten Nahostkonflikts. Standpunkte International 17/2010 von Kurt Pätzold.

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Reihe

Standpunkte international

Erschienen

September 2010

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Es ist ein Zufall, dass die Erörterung des Themas «Die Linke und der Nahostkonflikt» nahezu exakt fünfundsiebzig Jahre nach einer denkwürdigen Rede zur Frage von Krieg und Frieden stattfindet. Die könnte im Bewusstsein aller, die sich im 20. Jahrhundert zu orientieren vermögen, in einer Reihe mit
wenigen anderen stehen, etwa mit der Rundfunkansprache des britischen Premierministers Winston Churchill vom 22. Juni 1941, am Abend des Tages, da die deutschen Faschisten die Sowjetunion überfielen, oder mit jener Anklagerede, mit der Robert H. Jackson am 21. November 1945 die Verhandlungen des Nürnberger Prozesses gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher 1945 eröffnete oder mit der von Martin Luther King jun., gehalten am 28. August 1963 in Washington D. C. vor einer Viertel Million Menschen, aus der die Worte «I have a dream» in der Erinnerung blieben. Das
sie da nicht eingeordnet und weitgehend in Vergessenheit gebracht worden ist, beruht auf einem «Mangel» des Mannes, der sie hielt. Es war ein Kommunist, Palmiro Togliatti mit Namen, der sein Land, in dem das Mussolini-Regime sich etabliert hatte, verlassen musste und sich damals als Emigrant
in der Sowjetunion befand. Seine Zuhörer waren die Delegierten des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Der Rückblick richtet sich also auf den Juli/ August des Jahres 1935.

Togliattis Rede ist in Kreisen von Marxisten oft auch als ein Beweis dafür herangezogen worden, dass die geschichtliche Zukunft nicht vollends im Dunkeln liegt und es auf der Basis historisch-materialistischer Gesellschaftsanalyse möglich ist, weltgeschichtliche Abläufe vorauszusagen. Denn sie enthielt eine exakte Beschreibung der Konstellation, die in den Zweiten Weltkrieg führte und antizipierte seine politischen Konturen. Oft ist sie auch zu jener von Friedrich Engels stammenden Vorhersage des Krieges in Beziehung gesetzt worden, der 1914 dann tatsächlich begann. Erinnerungen an derlei Spitzenleistungen, die Weltzustände und deren Tendenz richtig
erfassten, sind derzeit unmodern. Hergesagt wird hingegen: Die Geschichte, das meint die Zukunft, ist offen und dem wird hinzugedacht oder -gesagt: Nichts Genaues weiß man nicht. Das ist eine verstehbare Reaktion auf die geplatzte Gewissheit, dass der «Sozialismus siegt». Doch ist das auch die angemessene und richtige? [...]

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Prof. Dr. Kurt Pätzold war bis 1992 Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist wissenschaftlicher Beirat der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte des Faschismus, Entwicklungen im Bereich des Geschichtsrevisionismus sowie die Geschichte des Antisemitismus und der
Judenverfolgung. 

Wahrscheinlich wird kein anderer internationaler Konflikt derart kontrovers und emotional in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit sowie auch und gerade in der politischen Linken diskutiert wie der israelisch-palästinensische oder weiter gefasst, der Nahost-Konflikt. Aus diesem Grund nimmt dieses Thema einen besonderen Platz in der Bildungsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Inland wie im Ausland ein. Wenngleich dabei auch in der Stiftung und ihrem Umfeld die Meinungen auseinandergehen, sehen wir unsere Aufgabe nicht darin, eine abgeschlossene, einheitliche Position zu vermitteln, sondern ein Forum für eine Debatte zu bieten, das den Ansprüchen emanzipatorischer politischer Bildung gerecht wird. Um auch dem Ansinnen analytischer Sachlichkeit Genüge zu tun, befindet sich die RLS in einem Prozess, der die Beschäftigung mit dem Nahost-Konflikt systematisiert. Ein Mitgliederworkshop im Juli 2010 bildete dafür den Auftakt. Aus ihm sind sechs Beiträge hervorgegangen, die in lockerer Folge als RLS-Standpunkte erscheinen. Nähere Informationen zur thematischen Auseinandersetzung der RLS mit dem Nahost-Konflikt finden sich auf der Sonderseite Nahost-Dossier