Publikation Erinnern stören Warum Adriano?

Eine Broschüre über die migrantische Erinnerungsarbeit nach dem Mord an Alberto Adriano

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Reihe

Buch/ Broschur

Erschienen

Juni 2020

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Die Broschüre beschäftigt sich aus Perspektive des Multikulturellen Zentrums, einer Migrant*innen-Selbstorganisation in Dessau, mit dem Mord an Alberto Adriano im Jahr 2000 und seinen Folgen und Wirkungen in der Stadt Dessau wie in Deutschland insgesamt. Schon in den Tagen nach dem Mord und seitdem jedes Jahr, seit mehr als 20 Jahren, organisiert das Zentrum Gedenkaktionen an Alberto Adriano und versucht, Erinnerungsarbeit und die Thematisierung von rassistischer Gewalt und Bedrohung in die lokale wie überregionale Öffentlichkeit zu bringen.

«Warum Adriano? Der Mord an Alberto Adriano und migrantische Erinnerungsarbeit in Dessau 2000-2020» 

2020 I 70 Seiten I Deutsch

Multikulturelles Zentrum Dessau e.V. 
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In der Broschüre werden die unmittelbaren Reaktionen in der migrantischen Community, in der Stadtgesellschaft und auf Bundesebene, die juristische Aufarbeitung sowie die folgenden politischen, künstlerischen oder sozio-kulturellen Reaktionen und Bezugnahmen in den Blick genommen, ebenso wie die komplexe und schwierige Rolle der migrantischen Akteur*innen in der Erinnerungsarbeit, die sich in den letzten 20 Jahren deutlich gewandelt hat.

Im Vorwort heißt es: «Haben wir eine Antwort erhalten, auf die Fragen: «Warum? Warum Adriano?» Wir kennen die Antwort und wir kannten die Antwort am 16. Juni 2000, als wir sie auf dem Fronttransparent unserer Demonstration stellten. Wir richteten die Frage an die Mehrheitsgesellschaft, denn diese sollte sie sich stellen, selbst die Antwort geben.

Wir haben auf Festen gekocht und getrommelt, weil wir dachten, dies nimmt Menschen die Angst und die Vorurteile. Wir haben Rollen gespielt, weil wir dachten, in den uns zugewiesenen Rollen würden wir Anerkennung finden. Doch man hatte gar keine Angst vor uns, die Vorurteile blieben auch nach bunten Festen und die Anerkennung blieb aus.

Manche von uns sind weggegangen, weggezogen in Städte, in denen man vielleicht anders angeschaut wird, ein anderes Leben leben kann. Wir haben uns entschieden, zu bleiben. Wir entscheiden, was wir tun, und wir sagen, was wir denken. Und so erinnern wir auch, egal, ob andere gerade erinnern oder erinnert werden wollen oder ob andere sich so erinnern, wie wir uns erinnern. Denn die Frage «Warum? Warum Adriano?» verweist nicht nur auf einen Mord. Sie verweist auf das Stadtgespräch, nach dem «afrikanische Dealer», der im Dessauer Stadtpark lauert, und auf Polizeischikanen. Sie verweist auf Begriffe wie «N*kuss» und «M*kopf» und die Vorstellung, dass Menschen, die bei «F*s» einkaufen, keine Rassisten sein können. Sie erinnert an die tiefe Unsicherheit von Migrant*innen, sobald sie das Haus verließen, und sie verweist auf den NSU. In Dessau verweist sie zudem auf einen Toten in einer Polizeiwache. Von der Mehrheitsgesellschaft, der wir die Frage stellten, ist sie bis heute nicht beantwortet.»