Unweit der brasilianischen Grenze, im UNESCO-anerkannten Biosphärenregion Yaboty, arbeitet ein einzigartiges landwirtschaftliches Projekt, mit dem Ziel, die Erträge von Obst und Gemüse, aber auch anderer landwirtschaftlicher Kulturpflanzen zu steigern.
„Monte Nativa“ ist gleichermaßen ein Projekt, Firma, landwirtschaftliche Bildungseinrichtung und Mission. Zumindest sehen das so die beiden Argentinier Matias Bertone und Charly Mayol, die es als ihre Aufgabe ansehen, ihr Wissen an Landwirte, Schüler, Studenten, Lehrer und Politikern weiterzugeben. Beide machten am 2. Dezember auf Einladung der Rosa Luxemburg Stiftung/Peter Imandt Gesellschaft einen Besuch bei der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi)-Limbach in der Biosphäre Bliesgau.
Der Kontakt ergab sich über die Saatgut-Aktivistin Nicole Schuh, die im September am Weltkongress der internationalen Slow Food-Bewegung „Salone del Gusto“ in Turin als einzige saarländische Delegierte teilnahm und beide ins Saarland einlud.
Matias Bertone und Charly Mayol betreiben in ihrer Heimat Landwirtschaft, die wegen ihrer Nachhaltigkeit und üppigen Erträgen weltweit für Aufmerksamkeit sorgt. Durch genaues Beobachten der natürlichen Gegebenheiten wie Boden, Klima und Sorten, sowie dem Aufbau einer Solidarischen Landwirtschaft, gelingt es ihnen, die Erträge in ungeahnte Höhen zu treiben. Dabei greifen sie auf Erkenntnisse der traditionellen Misch- und Permakultur mit alten – zumeist einheimischen – Pflanzensorten zurück, was die Böden gleichermaßen schont wie Pflanzen, Mensch und Natur. Beide sprechen daher von einer „Kultur des Dialogs mit der Natur“.
Besonders wichtig ist ihnen der Aufbau von Humus im Boden und die Arbeit von Mikroorganismen, unter Einbezug der Bäume. In den zunehmenden Lebensjahren, steigern die abfallenden Blätter die Humusschicht und sorgen im Hochsommer für ausreichende Beschattung, ganz so, wie der Landwirt diesen Schutz für notwendig hält. Nicht zuletzt sorgen Bäume für Biomasse und können irgendwann zu Brennholz oder Möbelholz weiterverarbeitet werden.
Bertone und Mayol nutzen überwiegend die für die Tropen angepassten Eukalyptus-Bäume. Für das hiesige, gemäßigte Klima empfehlen beide den Pappelbaum. Wächst dieser heran, kann der Landwirt selbst entscheiden, ob dieser eher zurückgeschnitten oder gefällt werden soll.
Beide betonten, dass ihre landwirtschaftliche Methode keine neue ist, sondern bis in die Zeit der Ureinwohner zurückreicht.
Denn schon die spanischen Eroberer wunderten sich, warum aus dem „Urwald“ Indios so große Mengen an Früchten herausbringen, sie selbst aber keine „Felder“ entdecken konnten, wie sie sie aus Europa kannten. Möglich machte dies Mischkulturen. Eine Vielzahl von Pflanzen wachsen in enger Symbiose zusammen, teilen sich das Licht, Nährstoffe und Wasser, wobei sie auch in der Lage sind mögliche Schädlinge auf Abstand zu halten.
Überhaupt werden bei Monte Nativa Insekten grundsätzlich als nützlich angesehen, weil ihr Auftreten oder Fernbleiben ein wichtiger Indikator dafür ist, ob alles richtig läuft oder etwas nicht stimmt.
Entgegen Monokulturen, wo Wurzeln nur in bestimmten Schichten vorhanden sind und so eine homogene Bodenstruktur erzeugen, sorgen diverse Pflanzen für eine bessere Durchwurzelung. Das ist der Bodenqualität zuträglich und erhöht die Wasseraufnahme.
Dank dieser Anbauweise stehen 400 Prozent mehr Pflanzen auf einer Fläche als bei der konventionellen Landwirtschaft und leisten so einen Beitrag bei der Senkung des Flächenverbrauchs.
Wer zur Auffassung gelangt, diese von dem Schweizer Agronom Ernst Gosch (geb. 1948) beschriebene „ganzzeitliche“ Ansätze, seien nur für die Hemisphäre der Tropen interessant, der irrt.
Bereits unsere Vorfahren berücksichtigten bei der Anlage von Feldern sehr wohl verschiedene Baumarten. Freilich weniger wegen ihren Schattenspendenden Eigenschaften, sondern wegen der Möglichkeit Früchte von Ihnen zu ernten und der Hoffnung, dass Schädlinge sich gegenseitig in Schach halten. Diese Methode nennt man noch heute Streuobstwiese, die sich leider ebenso auf dem Rückzug befindet wie die kleinteilige und vielfältige Landwirtschaft insgesamt.
Nach den Hitzesommern der letzten Jahre in Mitteleuropa, könnte z.B. die Beschattung von Stangenbohnen durch das Blattwerk der Bäume an Bedeutung gewinnen. Diese vertragen keine starke Sonneneinstrahlung. In Verbindung mit schnellwachsenden Hölzer und Mais oder Hanf als Stützpflanze, können so auch die Stangenbohnen ein gewohnter Anblick in unseren Gärten und auf Feldern bleiben.
2023 planen Matias Bertone und Charlie Mayol wieder in den Bliesgau zu kommen. Dann wollen sie ein paar Wochen bleiben und ein erstes Musterfeld anlegen, das hoffentlich auf hohes Interesse stößt und viele Nachahmer findet.