Publikation International / Transnational - Asien - Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Globalisierung - Arbeit / Gewerkschaften - Staat / Demokratie Umbruch der indischen Automobilindustrie und die Rolle der Gewerkschaften

Standpunkte International 9/2011 von Heiner Köhnen

Information

Reihe

Standpunkte international

Erschienen

Juli 2011

Bestellhinweis

Nur online verfügbar

Zugehörige Dateien

Hintergrund des Berichts ist eine Reise im März 2011 in die Autoproduktionszentren Delhi, Pune und Chennai. Heiner Köhnen besuchte mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zahlreiche Betriebsgruppen und Gewerkschaften sowie kritische Aktivisten und Wissenschaftler zum Thema Mobilität und Transport, um für 2012 einen Automobilarbeiteraustausch zwischen Beschäftigten aus Deutschland und Indien vorzubereiten. Dem Projekt liegt die Einschätzung zugrunde, dass der Umbruch der indischen Autoindustrie einen strategischen Moment darstellt. Indien ist allerdings in Deutschland als Produktionsland fast unbekannt, obwohl Hersteller wie VW oder Daimler sowie zahlreiche Zulieferer neue Werke in diesem Land aufbauen, was z. T. direkte Auswirkungen auf Beschäftigte in Deutschland haben wird.

Den meisten Europäern ist Indien bis heute fremd. Zahlreiche Phantasien knüpfen sich an das Land, die Europäer zugleich irritieren und faszinieren: Megastädte, riesige Elendsviertel, Verkehrschaos, Lärm, seltsame Götter, «Heilige» wie Mutter Teresa oder Bhagwan, religiöse Spektakel, Kastenwesen oder gut ausgebildete InformatikerInnen, um nur einige zu nennen. Und tatsächlich scheint das Erscheinungsbild vieler Großstädte Indiens die meisten dieser Phantasien zu bestätigen, wobei Widersprüche und ein enormer Umbruch zugleich überall spürbar sind. Indien ist inzwischen in vieler Hinsicht ein sehr modernes Land. Indien ist Nuklearmacht, stellt die drittgrößte Armee der Welt und ist mit China globaler Wachstumsmotor und aufstrebende Großmacht. Laut Prognosen wird Indien mit derzeit 1,2 Mrd. Menschen im Jahr 2025 China als das bevölkerungsreichste Land überholen. Von vielen Seiten werden Indiens Wirtschaft glänzende Aussichten zugeschrieben. Mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum zwischen 8 Prozent und 10 Prozent in den letzten 7 Jahren war Indien die nach China weltweit am stärksten expandierende Volkswirtschaft. Für 2012 prognostiziert die indische Regierung ein Wirtschaftswachstum von neun Prozent, wobei vor allem die Inlandsnachfrage das Tempo bestimmt. In Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt nach Kaufkraftparität (PPP) lag Indien nach Berechnungen des IWF im Jahr 2010 weltweit an vierter Stelle, nach den USA, China und Japan.

Eine Langfriststudie der US-Investmentbank Goldman Sachs sagt voraus, dass das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt der indischen Wirtschaft bis 2050 jährlich um 8,5 Prozent wachsen dürfte. Indien werde Japan überholen und vom heutigen vierten auf den dritten Platz vorrücken, allerdings gespalten zwischen verarmten und noch traditionell ausgerichteten Teilen der Gesellschaft und modernen Wachstumssektoren in den Städten.

Eine der Schlüsselindustrien, an der sowohl Umbruch als auch Widersprüche der neueren Entwicklungen deutlich werden, ist die Autoindustrie. Indien gehört zu den Wachstums- und «Gewinnerregionen» des seit der Krise veränderten Weltautomobilmarkts. Zwischen 2001 und 2010 hat sich die Autoproduktion Indiens mehr als verdoppelt und wuchs von 1,3 Mio. Kfz in 2001 auf 3,5 Mio. Kfz in 2010 (vgl. OICA). Nimmt man neben den PKW- und Nutzfahrzeugen auch die Produktion von 2-Rädern (75 Prozent des Marktes) und 3-Rädern hinzu, so wird 2011 mit der Produktion von 17,9 Mio. Fahrzeugen gerechnet (www.siamindia.com). Das große Wachstum liegt dabei im Inlandsmarkt. 2008 waren über 106 Mio. Fahrzeuge in Indien registriert, 100 Prozent mehr als 9 Jahre zuvor.

 

Weiter im PDF.