Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Wirtschafts- / Sozialpolitik Eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ist möglich

Standpunkte 27/2011 von Harald Weinberg

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Reihe

Standpunkte

Autor

Harald Weinberg,

Erschienen

September 2011

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Eine im Auftrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag erschienene Studie zeigt: Die Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung im Gesundheitssystem ist nicht nur möglich, sie würde auch erhebliche finanzielle Entlastungen für die Mehrheit der Bevölkerung bewirken. Entgegen den Behauptungen von Schwarz-Gelb ist eine Reduzierung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung möglich – und zwar um vier bis fünf Prozentpunkte. Die mittleren und unteren Einkommen werden massiv entlastet, was wiederum zur Belebung der Binnennachfrage führt. Durch das Modell kann zu einer solidarischen Finanzierung zurückgekehrt werden, von der sich die vergangenen Bundesregierungen weit entfernt haben. Im Folgenden werden das Konzept der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung und die Studienergebnisse1 kurz vorgestellt.

Neoliberale Entwicklungen im Gesundheitssystem

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz hat die schwarz-gelbe Bundesregierung 2010 einen Systemwechsel in der Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens eingeleitet, der bereits Wirkung zeigt, bevor die Krankenkassen mehrheitlich Zusatzbeiträge in Form kleiner Kopfpauschalen von ihren Versicherten fordern müssen. Bislang haben nur wenige Kassen Zusatzbeiträge erhoben. Die Folgen waren für die Kassen verheerend. Die DAK hat bis zu 20 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Und es waren eher die Jüngeren und Gesünderen, die gegangen sind. Die City BKK wurde vom Bundesversicherungsamt (BVA) geschlossen, also in die Insolvenz geschickt. Die Bilder Schlange stehender älterer ex-City BKKVersicherter, die von anderen Kassen abgewimmelt wurden, sind durch die Presse gegangen. Ein Imageschaden für die gesamte Krankenkassenlandschaft.

Diese Beispiele vor Augen, ist bei den Krankenkassen ein Wettbewerb zur Vermeidung von Zusatzbeiträgen ausgebrochen, der ganz überwiegend auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird. In ihrer Not nutzen die Kassen alle Möglichkeiten aus, um Leistungen einzuschränken, bei denen sie einen Ermessensspielraum haben oder die unter einem Genehmigungsvorbehalt stehen. Wir erleben daher nicht nur den Bruch mit dem Solidarprinzip bei der Beitragszahlung, sondern auch das allmähliche Ende der Solidarität bei der Leistungsgewährung. Beides ist jedoch Ausdruck einer politisch gewollten Entsolidarisierung und einer politisch gewollten Wettbewerbsorientierung. Voraussichtlich 2012 werden mehrere Kassen Zusatzbeiträge nicht mehr vermeiden können. Sogar konservative Gesundheitsökonomen rechnen mit Zusatzbeiträgen, die innerhalb von zehn Jahren auf 70 bis 80 Euro pro Monat ansteigen können. Diese sind alleine von den Versicherten zu tragen, da die Arbeitgeberbeiträge eingefroren bleiben sollen. Rechnet man diese Zusatzbeiträge in Beitragspunkte um, dann steigt der Krankenversicherungsbeitrag von jetzt 15,5 bis zum Ende des Jahrzehnts auf 17,6 Prozent an. Dabei sind Praxisgebühren und Zuzahlungen noch gar nicht berücksichtigt. Mit der Möglichkeit der Gutverdienenden, sich in die Private Krankenversicherung (PKV) zu verabschieden, und einigen anderen Ungerechtigkeiten, wird der Weg in die Mehr-Klassen-Medizin beschleunigt fortgesetzt.

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