Publikation Wirtschafts- / Sozialpolitik - Wohnen Keine Profite mit der Miete!

Strategien für eine bestandssichernde, nachhaltige und soziale Bewirtschaftung großer Wohnungsbestände

Information

Erschienen

Juli 2024

Bestellhinweis

Bestellbar

Zugehörige Dateien

Mit knapp 5,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter lassen sich Wohnungen wirtschaftlich und nachhaltig bewirtschaften. In den großen Wohnungsbeständen können also Menschen mit durchschnittlichen oder geringen Einkommen leistbare Mieten angeboten werden. Das ist ein Ergebnis der neuen Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Organisationsstrukturen und Bewirtschaftungskosten öffentlicher und genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen. Die Autor*innen Andrej Holm, Sebastian Gerhardt, David Scheller und Itziar Gastaminza Vacas untersuchten, wie diese Unternehmen eine bestandssichernde, nachhaltige und soziale Bewirtschaftung organisieren können und welche Kosten dabei enstehen.

Für die Studie wurden Geschäftsdaten von Unternehmen ausgewertet, die insgesamt 600.000 Wohnungen verwalten – die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) in Berlin mit 360.000 Wohnungen, ausgewählte Genossenschaften (WBG) mit größeren Wohnungsbeständen in Berlin (30.000 Wohnungen) sowie die Gemeindewohnbauten von Wiener Wohnen mit 210.000 Wohnungen. Dabei zeigt sich, dass die Berechnung der Miete nach tatsächlichen Kosten ein deutlich niedrigeres Mietniveau ergibt als die Orientierung am Markt. Wer wirtschaftliche und zugleich bezahlbare Mieten erreichen will, muss andere Wege in der Wohnungsversorgung und Mietpreisregulierung gehen.

Konkret auf die aktuelle Diskussion in Berlin bezogen heißt das: Eine Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände mit dem Ziel, die Wohnungen nach Kostenmieten zu bewirtschaften, könnte der Mietpreisspirale ein Ende setzen

Die Studie untersucht die Organisations- und Arbeitsstrukturen öffentlicher und genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen, um herauszufinden, wie sie eine bestandssichernde, nachhaltige und soziale Bewirtschaftung ihrer Wohnungsbestände realisieren und welche Kosten damit verbunden sind. Dafür wurden Geschäftsdaten der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) in Berlin (ca. 360.000 Wohnungen), ausgewählter Genossenschaften (WBG) mit größeren Wohnungsbeständen in Berlin (ca. 30.000 Wohnungen) sowie von Wiener Wohnen, die circa 210.000 Gemeindewohnungen in der österreichischen Hauptstadt bewirtschaften, ausgewertet.

Zudem wurden Interviews mit Vertreter*innen dieser Unternehmen geführt, um die jeweiligen Strategien, Rahmenbedingungen und Kostenstrukturen der Wohnungsbewirtschaftung zu rekonstruieren. Alle untersuchten Unternehmen orientieren sich an den Grundsätzen einer sozialen Bewirtschaftung, worunter die Unternehmen vor allem günstige Mietpreise verstehen, die deutlich unter dem Durchschnitt in den jeweiligen Städten liegen. Die Einnahmen aus der Bewirtschaftung variieren jedoch stark – so sind diejenigen der LWU (mit 9,14 €/m²) höher als die Einnahmen der hier untersuchten WBG (8,67 €/m²) und liegen deutlich über denjenigen von Wiener Wohnen (7,01 €/ m²). Um diese Unterschiede zu erklären, verglichen die Autor*innen die Organisations- und Arbeitsstrukturen aller Unternehmen sowie ihre Ausgaben für Instandhaltung und Instandsetzung, Bewirtschaftung, Personal und Sonstiges.

Die grundsätzlich von allen untersuchten Unternehmen geteilte Orientierung an einer bestandssichernden, nachhaltigen und sozialen Bewirtschaftung wird mit unterschiedlichen Akzenten umgesetzt. Während die landeseigenen Wohnungsunternehmen verstärkt auf den Ausbau ihrer Bestände setzen, konzentrieren sich die untersuchten Berliner Wohnungsbaugesellschaften auf den Erhalt und die Pflege ihrer Bestände. Wiener Wohnen priorisiert den sozialen Versorgungsauftrag der Unternehmung. Realistisch für eine ordentliche Bestandsbewirtschaftung ist ein «Mittelwert-Szenario», dem die mittleren Werte der einzelnen Kostenbereiche der hier untersuchten Unternehmen zugrunde gelegt werden. Eine Bewirtschaftung mit sorgfältigen Instandsetzungsmaßnahmen, einer zuverlässigen und gut erreichbaren Verwaltung, regelmäßigen Investitionen in die Modernisierung sowie einer schrittweisen Erweiterung der Bestände wäre demnach mit monatlichen Aufwendungen von knapp 8,00 €/m² möglich.

Abzüglich der Betriebskosten entspricht das einem Nettoaufwand von 5,42 €/m². Mit Mietkosten auf diesem Preisniveau könnten sowohl die Bewirtschaftungsziele als auch die sozialen Versorgungsaufgaben erfüllt werden. Für Bestandserweiterungen aus eigener Kraft oder energetische Modernisierungen ohne massive Förderung reichen solche Mieten jedoch nicht.

Inhalt:

  • Untersuchungsdesign und Vorgehensweisen
  • Kriterien für eine bestandssichernde, nachhaltige und soziale Bewirtschaftung
    - Bewirtschaftungskriterien der landeseigenen Wohnungsunternehmen
    - Bewirtschaftungskriterien der Genossenschaften mit großen Beständen
    - Bewirtschaftungskriterien von Wiener Wohnen
  • Organisations- und Arbeitsstrukturen zur Bewirtschaftung großer Bestände
    - Organisations- und Arbeitsstrukturen der landeseigenen Wohnungsunternehmen
    - Organisations- und Arbeitsstrukturen der Wohnungsbaugenossenschaften
    - Organisations- und Arbeitsstrukturen von Wiener Wohnen
  • Personalaufwand und Kosten der Bewirtschaftung
    - Aufwendungen für Instandhaltung und Instandsetzung
    - Aufwendungen für Verwaltung und Personal
    - Sonstige Bewirtschaftungskosten: Abschreibung, Finanzierung, sonstige Aufwendungen
    - Mietkalkulation und Bewirtschaftungskosten
  • Zusammenfassung
    - Leitbilder und Bewirtschaftungskriterien
    - Arbeitsstrukturen und Organisationsaufbau
    - Ausgaben und Kosten der Wohnungsbewirtschaftung
    - Zusammensetzung der Aufwendungen im Vergleich
    - Szenarien für die Kalkulation der Aufwendungen

Autor*innen:

  • Andrej Holm ist Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gentrification und Wohnungspolitik. Er engagiert sich darüber hinaus in Berlin für das Recht auf Wohnen und ist in zahlreichen stadtpolitischen Initiativen aktiv.
  • Sebastian Gerhardt arbeitet als Bildungsreferent in Berlin, schreibt für die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, die Zeitschrift lunapark21 und manchmal auf seinem Blog planwirtschaft.works.
  • David Scheller ist Soziologe und an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik tätig. Er arbeitete in transdisziplinären, ko-kreativen Forschungsprojekten zu nachhaltiger Stadtentwicklung, gemeinschaftlichem Wohnen sowie Teilhabe und Demokratisierung an der Fachhochschule Potsdam und der Universität Göteborg.
  • Itziar Gastaminza Vacas ist Politikwissenschaftlerin und studiert derzeit Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie sich vor allem mit Wohnungsforschung, Stadt und Teilhabe sowie Digitalisierung beschäftigt. Zudem ist sie in der Recht-auf-Stadt-Bewegung in Berlin aktiv und setzt sich für die Sichtbarmachung von Forderungen aus migrantischen Perspektiven ein.