
Chatten, streamen, informieren: Von unterhaltsamen Memes über Erfahrungsberichte bis zur Protestberichterstattung – die Gründe für die Nutzung sozialer Medien sind vielfältig. Sie sind zum festen Bestandteil des Alltags vieler Menschen geworden – so steckt das Smartphone häufig griffbereit in der Tasche, nicht zuletzt, um Alltagserlebnisse spontan mit anderen zu teilen. Im Jahr 2023 nutzten 80 Prozent der Befragten in Deutschland ab 14 Jahren das Internet täglich; Digital Natives – jene, die mit dem Internet aufgewachsen sind – verbrachten mehr als vier Stunden täglich online (257 Minuten; Beisch/Koch 2023). Einen Großteil der Zeit dürften dabei Social-Media-Plattformen einnehmen, die als Orte des Austauschs und Quellen für Information, Inspiration und Unterhaltung zentral für die politische Meinungsbildung sind. Daten des Reuters Digital News Report zufolge waren soziale Medien 2023 für 14 Prozent der Nutzer*innen in Deutschland mittlerweile die wichtigste Quelle, um sich über das aktuelle Zeitgeschehen zu informieren; bei der jungen Zielgruppe der 18- bis 24-Jährigen ist es sogar ein Drittel (35 %; Behre et al. 2023). Knapp die Hälfte der unter 30-Jährigen (43 %) gibt an, dass Inhalte sozialer Medien Einfluss auf ihre politische Meinung haben (Bitkom 2023).
Für die politische Kommunikation ergeben sich große Potenziale, um insbesondere junge Menschen mit kritischer Gesellschaftsanalyse in Berührung zu bringen und gleichzeitig für Visionen linker Politik zu begeistern. Das verdeutlichen die Art und Weise, wie linke Akteur*innen bereits jetzt digitale Plattformen verwenden, als Medien subversiver Bildungsarbeit, zum gegenseitigen Empowerment, als Instrumente der Vernetzung unter Gleichgesinnten oder zur Mobilisierung für Kampagnen und Proteste sowie zu deren Dokumentation.
Lange Zeit blieb es Gatekeeper*innen linearer Medien vorbehalten, darüber zu entscheiden, welche Debatten in Zeitungen, im Fernsehen oder in Radiosendern geführt und abgebildet werden. Dadurch wurden mehrheitlich die gleichen etablierten Perspektiven vertreten und progressive Stimmen blieben vereinzelt. In den sozialen Medien und mit deren Möglichkeiten der Partizipation können auch marginalisierte Gruppen und Personen an politischen Debatten teilnehmen, Gegenerzählungen im breiten gesellschaftlichen Diskurs verankern und selbst Themen auf die Agenda setzen.
Lange haben progressive Akteur*innen ihre Präsenz auf digitalen Plattformen vernachlässigt. Linke dürfen digitale Räume nicht den Faschist*innen und Neoliberalen überlassen – es braucht mutige, emanzipatorische Stimmen, die digitale Öffentlichkeiten gestalten und für eine solidarische, antifaschistische und klimagerechte Gesellschaft einstehen.
Dieses Handbuch möchte zeigen, wie Linke die Möglichkeiten sozialer Medien nutzen können – nicht nur, um auf den Plattformen politische Inhalte zu verbreiten, sondern um sie als strategische Instrumente zu verstehen, mit denen Politik gemacht wird, die ihre Übersetzung in der analogen Öffentlichkeit findet.
Inhalt:
Potenziale sozialer Medien für linke politische Kommunikation
- Die Rolle sozialer Medien in internationalen Widerstandsbewegungen
- Der Einfluss sozialer Medien auf Debatten im deutschsprachigen Raum
- Qualitative Perspektiven auf linke Kommunikation in sozialen Medien
Social-Media-Strategie
- Inhaltliche Ausrichtung – roter Faden anhand von Kernbotschaften
- Zielgruppe definieren und eingrenzen
- Format, Art der Aufbereitung und Plattform
- Zielgruppen und Funktionen ausgewählter Plattformen
- Crossmedialität – Synergieeffekte zwischen Plattformen nutzen
Funktionslogik von Algorithmen
- Bedeutung von Interaktion auf algorithmisch kuratierten Plattformen
- Aufbau einer Community und die Interaktion mit ihr
Handlungsempfehlungen für die Kommunikation in den sozialen Medien
- Aktuelle Trends der Inhaltsproduktion in den sozialen Medien: kurz, knackig, interaktiv
- Handlungsempfehlungen für die Kommunikation auf spezifischen Social-Media-Plattformen
- Politische Werbung in den sozialen Medien
- Kurzanleitung: Wie nehme ich ein Mobilisierungs-Video auf?
- Posting für alle: Beiträge barrierearm gestalten
Virale Internetkultur: Trends, Challenges, Memes
- Selbstschutz im Internet
- Shitstorms überstehen
Medienrechtliche Grundlagen linker Social-Media-Arbeit
Kritische Perspektiven auf Social-Media-Konzerne und Strategien des Widerstands
Fazit
Autorin:
Nina Nevermann studiert Medien und Kommunikation in Hamburg. Sie ist studentische Mitarbeiterin in der Medienforschung und macht Öffentlichkeitsarbeit in aktivistischen Kontexten. Das Handbuch ist im Rahmen ihres Praktikums bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung entstanden.