Publikation Wirtschafts- / Sozialpolitik - Westeuropa - Südostasien - China - Sozialökologischer Umbau Chinas «grünes» Energiewunder

(Geo)Politische Ökonomie des chinesischen Partei-Staatskapitalismus

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Reihe

RLS Papers

Autor

Philipp Köncke,

Erschienen

März 2025

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Rotorenblätter für Windkraftwerke in der Fertigungskontrolle (Shanghai Electric Wind Power in Zhangye, China) Foto: IMAGO / NurPhoto

In der Bundesrepublik wird die ökologische Modernisierung nur unzureichend umgesetzt und, mehr noch, durch eine zunehmende Faschisierung blockiert. In der EU droht der Green Deal in wesentlichen Teilen zurückgenommen zu werden, nicht zuletzt aufgrund des neuen Gewichts von radikal Rechten und radikalisierten Konservativen in Regierungen und im EU-Parlament. Und nun werden die (in ihrer Wirkung widersprüchlichen) riesigen Investitionsprogramme, die unter der Regierung von US-Präsident Biden beschlossen wurden, abgebrochen. [...]

Doch bedeutet dies keineswegs, der «grüne» Kapitalismus wäre bereits vorzeitig gescheitert. Am deutlichsten als Akkumulationsregime ausgeprägt fand und findet er sich in China. Und dort zeigt sich – bei allen Widersprüchen – seine Stärke. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ein «grüner» Kapitalismus ist kein Projekt zur Rettung der Menschheit vor der Klimakatastrophe. Dies ist in einer dominant kapitalistisch verfassten Welt mit ihrem inhärenten Zwang zur Profitmaximierung, der maximalen Ausbeutung von Erde und Mensch, nicht möglich. Es geht vielmehr um ein Projekt, das – anders als das neoliberale (und erst recht als das radikalisierte spät-neoliberale) oder die entstehenden Projekte der Faschisierung – einen hegemonialen Anspruch verfolgt. Und zwar indem es einen neuen Akkumulationsschub auf erweiterter Stufenleiter ermöglicht, um das größte Menschheitsproblem, die Klimakatastrophe, zumindest zu bearbeiten, und damit enorme materielle wie ideologische Mittel für einen aktiven Konsens freisetzt. [...]

Auf diese Weise ist China schon jetzt zur führenden Ökonomie sowohl im Maschinenbau, in der Produktion von Elektromobilität (von der Batteriefertigung über Autos, den Nahverkehr bis zum Schienenverkehr) als auch bei der Produktion regenerativer Energien und der entsprechenden Anlagen geworden. China ist in diesen Bereichen auf dem Weltmarkt nicht nur quantitativ an der Spitze, sondern hält auch die Technologieführerschaft. Derzeit schickt sich das Land an, auch in den Bereichen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz die Führung zu übernehmen.

Die EU hat diese neue Realität spät erkannt und mit dem Green Deal und einem selektiven Re-Sourcing (Zurückholen) strategisch wichtiger Produktionsbereiche (Batterien, Chips, Rüstung, Arzneien etc.) begonnen. Biden hatte mit den großen Investitionsprogrammen und dem Zwang zur Produktion innerhalb der USA bereits vorgelegt. Die Bundesrepublik, jahrzehntelang führend beim Umbau hin zu regenerativen Energien und Dekarbonisierung, war längst zurückgefallen, versuchte aber unter der «Fortschrittskoalition» verlorenes Terrain gutzumachen. Vergeblich. Der Abbruch dieser Ansätze durch die fortschreitende Faschisierung zeitigt schon jetzt Folgen: Europa und die USA fallen im Wettbewerb hinter China zurück. Zugleich dürfte dies die geoökonomischen Spannungen der neuen Blockkonfrontation weiter verschärfen, bis hin zu drohenden offenen Kriegen.

Wie China diesen Vorsprung erreicht, diese Entwicklung hin zu einer «grünen» Akkumulationsbasis vollbracht hat, welche Widersprüche dabei entstehen, welche Regulationskapazitäten für Korrekturen sorgten – all dies hat unser Autor Philipp Köncke in der hier vorliegenden Studie präzise nachgezeichnet.

[aus dem Vorwort von Mario Candeias]

Inhalt:

  • Vorwort
  • 1 Einleitung
  • 2 Die Anatomie des chinesischen Kapitalismus
  • 3 Chinas «Solar- und Windwunder» im globalen Kontext
  • 4 Parteistaat und Privatkapital: Wer kontrolliert Chinas «grüne» Energie?
  • 5 Dynamiken des «grünen» Partei-Staatskapitalismus
    • 5.1 Motor des Investitionsbooms in Solar- und Windenergie
    • 5.2 Liberalisierung und Vermarktlichung
    • 5.3 Überkapazitäten, «Preiskampf» und Profitfall: Die Krise der chinesischen Solar- und Windindustrie
  • 6 Ökologische Widersprüche des «grünen» Partei-Staatskapitalismus
  • 7 Wenn die eigene Energiewende vom systemischen Rivalen abhängt: Geoökonomische Reaktionen der EU
  • 8 Schluss: Die Paradoxien des «grünen» Partei-Staatskapitalismus

Autor:

Philipp Köncke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Erfurt. Er forscht zu Staat-Kapital-Verhältnissen im chinesischen Kapitalismus und zu den politischen Reaktionen der Europäischen Union
und den USA auf den Aufstieg Chinas.