
Bremen gehört zu jenen deutschen Städten, die nun schon seit Jahrzehnten von einem tiefgreifenden Strukturwandel geprägt sind. Seit dem Niedergang der Werftenlandschaft sowie großer Teile des Kaffee- und Tabakgewerbes und der Fischerei gehören chronisch hohe Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdungsquoten zu den anhaltenden Problemen der Stadt. Die damit verbundenen strukturellen Herausforderungen stehen keineswegs kurz davor, gemeistert zu werden, vielmehr vergrößern sie sich zusehends. 2023 waren laut Statistischem Bundesamt 28,8 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes Bremen armutsgefährdet, bei den unter 18-Jährigen sogar 41,4 Prozent. Damit weist Bremen nicht nur unter den deutschen Bundesländern die mit Abstand höchste Armutsgefährdungsquote auf, sogar unter den deutschen Städten mit über 500.000 Einwohnern ist Bremen der traurige Spitzenreiter. Dabei ist Bremen in seiner Gesamtheit keine arme Stadt. Durchschnittlich verdiente 2023 jede*r in Beschäftigung Stehende 66.100 Euro brutto im Jahr. Das liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 56.100 Euro. Der Wohlstand ist allerdings sehr ungleich verteilt.
Ebenso wie in anderen Großstädten drückt sich die ungleiche Verteilung von Arbeit und Einkommen in Bremen auch räumlich aus, das heißt in zum Teil extremen Unterschieden zwischen den verschiedenen Stadtteilen. Ausgehend vom historischen Zentrum erstrecken sich die sozioökonomisch besser gestellten Wohngebiete in den Nordosten der Stadt hinein, während die benachteiligten Stadtteile oft am Stadtrand und entlang der Weser in Richtung Nordwesten zu finden sind, so vor allem Gröpelingen, Blumenthal, die Neue Vahr und Huchting.
In Bremen, wie überall in Deutschland, existiert nach wie vor ein enger Zusammenhang zwischen dem familiären Hintergrund und den Bildungschancen eines Kindes. Zu diesem Ergebnis kommen die Autor*innen des nationalen Bildungsberichts. Sie identifizieren drei Risikolagen, die maßgeblichen Einfluss auf den Bildungserfolg von Kindern haben: ein Familieneinkommen unterhalb der Armutsgrenze, Erwerbslosigkeit und eine geringe Qualifizierung der Eltern. Deutschlandweit sind ein Drittel aller Kinder von mindestens einer dieser drei Risikolagen betroffen. Bedingt durch die schwierige ökonomische Situation, liegt dieser Wert in Bremen bei 52 Prozent und damit deutlich höher als in jedem anderen Bundesland. Während zudem deutschlandweit nur 4,1 Prozent der Kinder von allen drei Risikolagen zugleich betroffen sind, sind es in Bremen 12 Prozent.
Trotz der Einführung des zweigliedrigen Schulsystems in Bremen hat sich der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und familiärem Hintergrund nicht aufgelöst. Dies zeigt sich auch im Hinblick auf die sozialräumliche Dimension der sozialen Ungleichheit: Die Bildungschancen für Kinder in den wohlhabenderen Teilen der Stadt sind ungleich besser als jene für Kinder aus den strukturell benachteiligten Stadtteilen. Diese Studie soll eine Momentaufnahme der aktuellen Bildungsungleichheit in Bremen liefern, den Zusammenhang von Bildung und Armut veranschaulichen, aufzeigen, wie sich diverse Herausforderungen für das Bildungssystem in einigen wenigen Stadtteilen konzentrieren, sowie mögliche Ansätze zur Bewältigung dieser Probleme benennen.
In dieser Broschüre wird die gravierende Ungleichheit im Bremer Bildungssystem zunächst beispielhaft anhand von vier Bremer Stadtteilen verdeutlicht. Anschließend werden mit dem Zusammenhang von Bildungschancen und Migrationshintergrund sowie dem sonderpädagogischen Förderbedarf weitere Dimensionen der Bildungsungleichheit eingeführt, die aber auch immer mit der sozialräumlichen Dimension korrelieren.
Nach einer Darstellung der aktuellen Situation der Kitas und Ganztagsschulen in Bremen – sie sind zentrale Bausteine in der angestrebten Entkopplung von Bildungschancen und sozioökonomischem Hintergrund – soll abschließend die politische Dimension der Thematik hervorgehoben, das heißt gezeigt werden, welche Initiativen es gibt, wie sich die Parteien zu den Problemen positionieren und was die politischen Hindernisse auf dem Weg zu einer grundlegenden Reform des Bremer Bildungssystems sind.