Publikation Rosa-Luxemburg-Stiftung Jahresbericht 2024

der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Schwerpunkt «25 Jahre Studienwerk»

Information

Reihe

Jahresberichte

Herausgeber*innen

Rosa-Luxemburg-Stiftung,

Erschienen

Juni 2025

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Alles wird teurer. Dieser Satz war im Jahr 2024 überall zu hören. Mehrausgaben für Energie, Lebensmittel und Mieten haben die Lebenshaltungskosten in die Höhe getrieben. Die Angst, sich das Leben nicht mehr leisten zu können, ist in den Haushalten der sogenannten Mittelschicht angekommen. Und das ist nicht die einzige Sorge. Neben der anhaltenden Inflation sind es die vielfältigen Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihren globalen und politischen Folgen, die die Menschen in unserem Land verunsichern. In einer solchen Situation wünscht man sich stabile politische Verhältnisse und eine handlungsfähige Regierung, die gegensteuert. Doch statt dem selbst gewählten Namen «Fortschrittskoalition » gerecht zu werden, verloren sich die Ampelparteien in einem öffentlich ausgetragenen Dauerstreit. So verwundert es nicht, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung im Jahresverlauf kontinuierlich abnahm. 

Der Bruch der Ampelregierung am 6. November war der traurige Höhepunkt eines monatelangen Konflikts und Ausdruck der Unfähigkeit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, Sacharbeit über parteipolitische Interessen zu stellen. Die vorgezogene Neuwahl des Bundestages am 23. Februar 2025 war der Versuch, die Scherben zusammenzukehren und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Den Parteien der sogenannten politischen Mitte ist es auch im Wahlkampf nicht gelungen, Lösungsansätze für die aktuellen sozial-, friedensund wirtschaftspolitischen Herausforderungen zu entwickeln. Sie ließen sich von der AfD mit ihren extrem rechten, rassistischen und menschenverachtenden Forderungen am Nasenring durch die Manege führen, indem sie sich auf einen Bieterwettstreit um die radikalste Migrationspolitik einließen. Die Quittung gab es am Wahltag: Die politische Mitte zerfällt. Die eigentliche Gewinnerin ist die AfD, die ihre Mandate verdoppeln konnte – trotz bundesweiter Demonstrationen gegen rechts. Einzig Die Linke hat mit ihrer klaren Positionierung für soziale Themen wie Mietendeckel und ein gerechtes Steuersystem und mit ihrer klaren Abgrenzung gegen rechts und ihrem Eintreten für eine tolerante Gesellschaft und eine humane Migrationspolitik zu neuer Stärke gefunden. 

Auf internationaler Ebene kann das Jahr 2024 als Wendejahr bezeichnet werden. Der im Oktober 2023 nach dem Angriff der Hamas ausgebrochene israelisch-palästinensische Krieg eskalierte, forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert an und hat sich weiter verschärft. Er muss endlich beendet werden. Zu Verhandlungen gibt es keine Alternative. Sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene ist die Politik nach rechts gerückt. Besonders deutlich wurde dies bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsiden5 ten. Die globalen sicherheits- und handelspolitischen Auswirkungen sind nun auch in Europa zu spüren. Der geopolitische Wandel stellt Europa vor neue Herausforderungen. Die Defizite der europäischen Politik werden sichtbar. Die europäische Gemeinschaft steht vor großen Herausforderungen, denen sich die europäische Linke stellen muss. 

Wir haben darauf reagiert und die internationale Arbeit mit einer stärkeren Verzahnung von Inlands- und Auslandsarbeit neu ausgerichtet. Im Vordergrund stehen Analysen zur aktuellen Situation in den Ländern, in denen wir mit Büros vertreten sind. Ein neues Format sind regelmäßige «Internationale Briefings» zu aktuellen Entwicklungen. 

Die Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse hatte Auswirkungen auf die uns nahestehende Partei. Als Stiftung haben wir daraufhin die Veranstaltungsreihe «Strategischer Dialog» zu zentralen Fragen der gesellschaftlichen Linken organisiert, die die inhaltlichen Schwerpunkte unserer Arbeit widerspiegelt. Das Format kam gut an. Das hybride Konzept bot vielen die Möglichkeit, sich einzubringen. Natürlich ging es dabei immer auch um die Situation der Partei Die Linke, die sich nach der öffentlichkeitswirksamen Gründung des BSW verschlechterte. Die tektonischen Verschiebungen in der Wirtschaft durch die ökologischen Herausforderungen haben wir unter dem Titel «Sozial-ökologischer Umbau und Wirtschaftsdemokratie» ebenso diskutiert wie die globalen Machtverschiebungen und die Möglichkeiten von Diplomatie und Frieden. Die Studie «Linke Triggerpunkte» von Carsten Braband zu den gesellschaftspolitischen Haltungen potenzieller Wähler*innen der Linken entlang unterschiedlicher Parteipräferenzen in der Sozial-, Migrations- und Integrations-, Klima- sowie Außen- und Rüstungspolitik fand im Oktober 2024 große Aufmerksamkeit. Im Jahr 2025 werden wir die Veranstaltungsreihe fortsetzen. 

Der Kapitalismus selbst befindet sich in einer tiefen Krise. Dies hat Auswirkungen auf die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung. Die Stiftung muss in ihren Analysen und bei der Erarbeitung linksalternativer Gesellschaftskonzepte sehr viel stärker als bisher von der konkreten Situation der Menschen, ihren Nöten und Ängsten ausgehen und zu einer aufgeklärten und differenzierten Sicht beitragen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Schwerpunkt «Zeitdiagnose» zu, dessen Aufgabe es ist, die prägenden gesellschaftlichen Widersprüche herauszuarbeiten. Dabei geht es um tiefgreifende Umbrüche, um weitreichende Transformationsprozesse unserer Produktionsweise, um Krieg und Frieden in Verbindung mit geopolitischen Veränderungen und um Fragen von Autoritarismus und Demokratie. Daraus sind mittel- und kurzfristige Ansatzpunkte linker Politik zu entwickeln. Zwei Konferenzen des vergangenen Jahres möchte ich besonders hervorheben. Am 31. August waren wir Gastgeber der Konferenz «Diplomatie jetzt!». Mit internationalen Gästen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen aus der Ukraine, Russland, China, Brasilien, Südafrika, Indien und vielen europäischen Ländern diskutierten wir über Wege einer neuen internationalen Initiative für Diplomatie. Gemeinsam haben wir zu Verhandlungen aufgerufen, um Druck auf unsere Regierungen auszuüben, endlich nicht mehr in Waffen, sondern auch in Diplomatie zu investieren. Denn es geht um das Leben der Menschen, um ihren Frieden und ihre Freiheit – und um die Frage, wie Frieden und Sicherheit in Europa in Zukunft ohne weitere militärische Aufrüstung gewährleistet werden können. Im November haben wir zusammen mit internationalen Referent*innen eine Zeitdiagnose erstellt. Unter dem Titel «Monster verstehen» haben wir die neue gesellschaftliche Situation diskutiert, die durch die Defensive der Linken in vielen Ländern entstanden ist. Auf dieser Konferenz haben wir versucht, die konkrete Analyse der aktuellen Situation mit der Suche nach linken Strategien und (öko-)sozialistischen Perspektiven zu verbinden.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bildung ist und bleibt der Schlüssel für Chancengerechtigkeit und beruflichen Erfolg im Leben. Das Studienwerk der Rosa-Luxemburg-Stiftung besteht nun seit 25 Jahren. Sein Ziel ist es, durch politische Bildung zu Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität sowie zum Ausgleich sozialer, geschlechtsspezifischer oder ethnischer Benachteiligungen beizutragen. Den meisten der 4.000 ehemaligen und etwa 1.000 gegenwärtigen Stipendiat*innen in der Studien- und Promotionsförderung wurde eine höhere Bildung nicht in die Wiege gelegt. Sie waren oder sind die Ersten in ihrer Familie, die studieren, und haben neben den finanziellen oft auch andere Hürden zu überwinden. Das System der Stipendienförderung durch politische und konfessionelle Stiftungen mit staatlichen Mitteln ist einzigartig. Im Schwerpunktthema des Jahresberichts 2024 blicken wir auf die Anfänge und die Entwicklung des Studienwerks zurück.

Heinz Bierbaum, Vorsitzender des Vorstands

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