
Über die katastrophale Lage der deutschen Krankenhäuser wird viel diskutiert. Einerseits leiden Beschäftigte und Patient*innen unter dem Zustand des Gesundheitssystems, und es häufen sich Meldungen von Klinikinsolvenzen oder Schließungen. Auf der anderen Seite behaupten Politiker*innen und Ökonom*innen, dass wir zu viele Krankenhäuser haben, deswegen auch zu viele Ausgaben, zu wenig Personal und eine schlechte Qualität der Versorgung.
Abhilfe sollte die letztes Jahr verabschiedete Krankenhausreform leisten. Der damalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach versprach «Entökonomisierung» und «Entbürokratisierung». Mittlerweile ist jedoch klar, dass die Reform zu mehr Privatisierung und Kommerzialisierung, zu mehr Bürokratie, Unterfinanzierung, Strukturabbau und Zentralisierung führt. Sie bringt keinen Richtungswechsel, sondern schreibt den neoliberalen Kurs in der Krankenhaus- und Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte fort. Nach wie vor ist es erlaubt und möglich, mit dem Betrieb von Krankenhäusern Gewinne zu erwirtschaften, der Krankenhausbereich bleibt eine Profitquelle für private Konzerne. Lauterbachs Nachfolgerin im Gesundheitsministerium, Nina Warken (CDU), strebt zwar einige Änderungen an, die generelle Ausrichtung bleibt aber gleich.
Dabei gibt es sinnvolle gemeinwohlorientierte Alternativen: Eine kostendeckende Finanzierung statt des aktuellen Fallpauschalensystems und eine demokratische Bedarfsplanung würden die Krankenhäuser aus dem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb befreien und die Profitmacherei mit der Gesundheit beenden. Zahlreiche gesundheitspolitische Initiativen von unten und die kämpfenden Beschäftigen fordern dies, um den Weg zu einem demokratischen und bedarfsgerechten Krankenhauswesen freizumachen.
Ziel der vorliegenden Broschüre ist es, über den Umfang, die Ursachen und die Folgen des Krankenhauskahlschlags aufzuklären und solidarische Alternativen aufzuzeigen. Neben Analysen gibt es zahlreiche Beispiele und Grafiken sowie einen Werkzeugkasten, um Aktive, die sich gegen eine drohende Schließung wehren, zu unterstützen.
Inhalt
- Einleitung
- Krankenhauskahlschlag: eine Bestandsaufnahme
- Krankenhausschließungen von 1991 bis 2023
- Warum wir wohnortnahe Krankenhäuser brauchen
- Die Privatisierung der Krankenhauslandschaft
- Die strukturellen Ursachen für Kahlschlag und Privatisierung
- Gesetzliche Voraussetzungen für Ausverkauf und Abbau
- Gewinne und ihre Quellen
- Krankenhäuser für alle: bedarfsgerecht und gemeinwohlorientiert
- Gewinnverbot und Selbstkostendeckung
- Vorteile der Selbstkostendeckung
- Vergleich zwischen DRG-Fallpauschalenfinanzierung und Selbstkostendeckung
- Demokratische Landeskrankenhaus- und Bedarfsplanung
- Demokratisches Krankenhaus als Ausweg aus der Misere
- Ein eingespieltes Team: die Schließungslobby
- Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft – ein Projekt der konzernnahen Stiftungen
- Expert*innenkommission oder Lobbyunterfangen?
- Sechs Mythen zu kleinen Allgemeinkrankenhäusern
- Mythos 1: Unser Krankenhauswesen ist das teuerste in Europa
- Mythos 2: Kleine Krankenhäuser = schlechte Qualität
- Mythos 3: Es gibt zu viele Krankenhäuser in Deutschland
- Mythos 4: Wir haben nicht genug Personal für alle Krankenhäuser
- Mythos 5: Menschen gehen unnötig ins Krankenhaus
- Mythos 6: Ambulantisierung und Medizinische Versorgungszentren können Krankenhäuser ersetzen
- Werkzeugkasten für Aktive: Was tun, wenn vor Ort die Schließung droht?
- Schließungsvorbereitung
- Der Schließungsbeschluss
- Informationsmöglichkeiten und ihre Nutzung
- Umgang mit Medien
- Strategische Überlegungen
- Aktionsmöglichkeiten
Autorinnen
Jorinde Schulz ist Autorin und Aktivistin. Über Privatisierung und neoliberale Politik schrieb sie u. a. für das Magazin Jacobin, die Berliner Zeitung und die taz. Sie ist
Mitherausgeberin von «Generalverdacht. Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird» (Hamburg 2023).
Laura Valentukeviciute ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Gemeingut in BürgerInnenhand e. V. Sie ist Sozialwissenschaftlerin, arbeitet als Autorin und Referentin und sprach mehrfach als Sachverständige im Deutschen Bundestag.
