Spätestens seit den 1970er Jahren haben sich im Kontext der Hausarbeitsdebatte Frauen systematisch mit dem Arbeitsbegriff und ihrer doppelten Vergesellschaftung als lohnabhängig und weiblich auseinandergesetzt. Sowohl durch marktvermittelte Lohn- als
auch durch geschlechtsspezifisch vermittelte Hausarbeit tragen sie so auf zweifache Art und Weise zur gesellschaftlichen Ökonomie bei. Die unter diesen gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen entstandenen Geschlechterverhältnisse strukturieren sich hierbei vorwiegend entlang der beiden Sphären von Produktion und Reproduktion, wobei sich im Zuge der Globalisierung und einer veränderten internationalen Arbeitsteilung auch Verschiebungen bei der geschlechtlichen Arbeitsteilung feststellen lassen. So ist einerseits eine zunehmende Ethnisierung der Reproduktionsarbeit und damit eine tendenzielle Aufhebung der Verbindung
«weiße Frau» und häusliche Tätigkeiten zu beobachten. Gleichzeitig macht sich andererseits im Zuge des Rückgangs staatlicher Investitionen in den öffentlichen Sektor eine Verschärfung der herkömmlichen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und des damit einhergehenden Geschlechterregimes bemerkbar. Dies vor allem deswegen, weil vielfach nicht nur Frauenarbeitsplätze in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten oder Schulen von niedrigen Löhnen betroffen sind und damit eine weitere Abwertung weiblicher oder als typisch weiblich geltender Arbeit verbunden ist, sondern weil darüber hinaus mehrheitlich Frauen vor der Herausforderung stehen, vormals staatlich organisierter Leistungen und Dienste kompensieren zu müssen. Während sich daher gut verdienende Frauen mithilfe der Übertragung von (in der Regel schlecht bezahlter) Reproduktionsarbeit an
(häufig illegalisierte) Migrantinnen von dieser emanzipieren können, haben weniger gut verdienende Frauen zunehmend mit der Bewältigung vielfältiger Belastungen aus beiden Bereichen – der Produktion als auch der Reproduktion – zu kämpfen.
Als Reaktion darauf kommt es allerdings auch zu Momenten und neuen Formen des weiblichen Widerstands, und zwar immer dort, wo sich Frauen zusammenschließen und organisieren, um der Aushöhlung beziehungsweise der Privatisierung des vormals Öffentlichen entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund der vermehrten Kämpfe von Frauen um die Reproduktion der Gesellschaft sind auch die Auseinandersetzungen um gute Pflege an der Berliner Charité, einer der größten Universitätskliniken Europas, zu betrachten, die im Jahr 2011 mit erfolgreichen Streikaktivitäten auf sich aufmerksam machten. Auch hier ging es darum, sich gegen weitere Einschnitte bei den staatlichen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zur Wehr zu setzen und für bessere Arbeitsbedingungen, das heißt auch für eine bessere Krankenversorgung, zu kämpfen.
Inhalt:
- Einleitung
- Prozesse der Prekarisierung und des Widerstandsin der Pflegebranche
- Die Auseinandersetzungen um gute Pflege an der Berliner Charité seit 2011
- Die Ökonomisierung der Krankenpflege und ihre Folgen
- Warum ist die Pflege eigentlich eine weibliche Aufgabe?
Eine kleine Genealogie der geschlechtlichen Arbeitsteilung- Die Modernisierung des Patriarchats und das Verhältnis von Lohnarbeit und Hausarbeit
- Wie die bürgerliche Frau zur Krankenschwester wurde
- Das Verhältnis von Dienen und Fordern oder Pflege als gendered job
- Geschlechtsspezifische Machtverhältnisse im Krankenhaus zwischen Transformation und Reproduktion
- Grenzverschiebungen
- Grenzen des Widerstands
- Agenda der Zukunft: Verallgemeinerung des Pflegeethos
Sophia Zender hat in Trier Politikwissenschaften und Romanistik studiert.
Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Arbeit, Care-Ökonomie und Geschlechterverhältnisse.