Forschungsfragen und Anspruch

 

In Zeiten großer Krise und großer Veränderung gilt es, den Überblick zu bewahren. An unzähligen Punkten verändert sich Gesellschaft, wird sie verändert. Es bedarf des spezifischen Wissens und empirischer Studien über einzelne Veränderungen. Unverzichtbar ist auch Wissen über Zusammenhänge. Nur auf dieser Grundlage werden Entwicklungen einschätzbar. Diese sind nicht linear, sondern immer umkämpft. Welche unterschiedlichen Szenarien sind also zu erwarten? Und welche Optionen strategischer Intervention ergeben sich dann bzw. sind zu entwickeln?

Wer sind die Träger der zu beobachtenden Entwicklungen? Welche Gruppen werden z.B. aus demokratischen Verfahren verdrängt und wie geschieht dies? Wie werden Ungleichheiten reproduziert, neue produziert? Was führt zur Herausbildung neuer gesellschaftlicher Gruppen, Subjekte, Klassen, Milieus (z. B. „digitale Klasse“, Prekariat)? Welche Praxen emanzipativer Kräfte haben sich als tragfähig erwiesen, welche weniger? Was ist aus Niederlagen zu lernen? Wie sind unterschiedliche soziale Praxen und Kräfte zu verbinden? Eines der größten Probleme dabei: Wie kann die Fragmentierung und Spaltung der gesellschaftlichen Linken überwunden werden?

Mit viel Aufwand untersuchen wir Formen und Probleme der Reorganisierung der gesellschaftlichen Linken in zahlreichen Ländern und transnational über Ländergrenzen hinweg. Dabei geht es uns immer auch um den produktiven Umgang mit Differenzen. Oft geht es um falsche Gegensätze: werden sie nicht bearbeitet, können sie explosive Folgen haben, ein Mosaik oder eine Organisation lähmen oder gar spalten. Was also sind die Bedingen für die Herausbildung eines neuen linken Blocks, der in der Lage wäre, einen gesellschaftlichen Richtungswechsel einzuleiten? Das Herangehen soll dabei von konkreten Problemen und konkreten Menschen ausgehen: Linke gehen oft und gern von «objektiven» Gegebenheiten und Entwicklungen aus. Es gibt aber gute Gründe, Politik von den Lebensperspektiven und Handlungsstrategien der Subjekte selbst her zu denken.

Das IfG steht dabei in der Tradition eines pluralen Marxismus, kritischer Theorie und Praxis sowie feministischer und antirassistischer Kapitalismus- und Herrschaftskritik und greift die Ergebnisse moderner empirischer und theoretischer Sozialwissenschaften auf. Der Anspruch ist, eine auf Emanzipation und Intervention ausgerichtete Sozialforschung zu betreiben. Dabei geht es um einen neuen Typus des transformativen Wissens, das auf emanzipative, selbstermächtigende Praxis aus ist. Ein Format, das die Praxen des Mosaikbildens und linker Identitäten bearbeitet, analysiert, reflektiert, auch strategisch initiiert oder zuweilen auch organisiert. Damit setzen wir uns zwischen alle Stühle, gehen gewissermaßen ein Wagnis ein, bewegen uns suchend auf neuem Terrain, weil wir bekanntes verlassen müssen.

Das Institut verfolgt damit einen eigenständigen konzeptionellen Ansatz sozialistischer Transformationsforschung. Wichtige Ergebnisse werden u.a. in den Beiträgen zur Transformationsforschung veröffentlicht. Wir laden ein zu einer Debatte über transformatorische Perspektiven in Deutschland und auf internationaler Ebene. Mithilfe von organisierenden Ratschlägen, wissenschaftlichen Workshops, Strategie-Konferenzen, Publikationen etc. trägt das Institut zu einem wichtigen Diskussionsprozess der Linken im In- und Ausland bei. Es unterstützt wissenschaftsorientierte Projekte der Linken und stellt Lehr- und Weiterbildungsangebote zu linker Theorie, Politik und sozialistischer Perspektive bereit. Am Institut wirken neben den wissenschaftlichen ReferentInnen, Doktoranden und Postdoktoranden sowie Fellows mit wissenschaftlichem und politischen Nachwuchs und AktivistInnen einer breiten pluralen Linken zusammen.