Sachbericht zur Tagung „Menschen ohne Papiere. Soziale Rechte in Deutschland und im europäischen Vergleich“ (27./28.März 2006)


Ort:
Evangelische Akademie Arnoldshain

Veranstalter: Evangelische Akademie Arnoldshain in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Regionalverband Frankfurt am Main, dem Diakonischen Werk in Hessen und Nassau e.V. und dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main

Zielgruppe: MultiplikatorInnen in sämtlichen Handlungsfeldern der Beratung und Hilfe für Menschen in der Illegalität

Zahl der Teilnehmenden: 65

Mit der fortschreitenden Globalisierung haben auch die globalen Wanderungsbewegungen zugenommen. Weil die legalen Zugangsmöglichkeiten zu den westlichen Industriestaaten jedoch beschränkt sind, der Wanderungsdruck aber zunimmt, suchen Menschen ihr Glück auch im illegalen Grenzübertritt. Schätzungen zufolge leben in Deutschland derzeit 500.000 bis 1 Million Menschen ohne Aufenthaltsstatus. Beratung und Hilfe für Menschen in der Illegalität geschieht immer im Spannungsfeld ausländerrechtlicher Bestimmungen einerseits und universaler Menschenrechte andererseits. Was kann und muss Beratung und Hilfe für Menschen in der Illegalität leisten? Welche institutionellen Voraussetzungen sind dafür erforderlich?
Ausgangspunkt der Veranstaltung war die Veröffentlichung der Studie „Lebenslage illegal“, welche die Situation von Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Frankfurt am Main untersucht. Im Rahmen der Tagung wurde die Studie einer Fachöffentlichkeit vorgestellt und vergleichend mit den Befunden anderer Studien (aus München und NRW) diskutiert. ExpertInnen aus den Niederlanden, Spanien und Großbritannien referierten über den Umgang mit einzelnen Aspekten der Thematik in den jeweiligen Ländern. Folgende Fragen standen im Mittelpunkt: Gelingen die Beschulung und der Kindergartenbesuch? Kann eine medizinische Grundversorgung sichergestellt werden? Welche Möglichkeiten haben ArbeitnehmerInnen ohne Status, ihre Rechte (z.B. Lohnforderungen) durchzusetzen? Macht sich strafbar, wer Menschen ohne Aufenthaltsrecht unterstützt? In Workshops und Plenumsdiskussionen wurden aktuelle Herausforderungen analysiert und Handlungsperspektiven entwickelt.

INHALT: Doris Peschke von der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) hielt einen Vortrag über die Sicht der EU auf Illegalität. Sie erörterte gesetzgeberische Vorgaben, praktische und politische Folgen sowie kirchliche Positionen. Gerd Krämer, Staatssekretär im Hessischen Sozialministerium, sprach ein Grußwort, in dem er die Wichtigkeit des Themas für Politik und Praxis hervorhob. Es folgte eine ausführliche Vorstellung der Studie „Lebenslage illegal. Menschen ohne Aufenthaltsstaus in Frankfurt am Main“ durch das Autorenteam der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen, das von den Professoren Wolfgang Krieger und Anne Will geleitet wurde. Neben einer Bestandsaufnahme zur Situation von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Frankfurt am Main standen hier die institutionellen Hilfemaßnahmen für diese Personengruppe im Mittelpunkt. Dr. Philip Anderson referierte sodann über die Umsetzung der Ergebnisse der Münchener Studie im kommunalpolitischen Zusammenhang und über die Aufgaben der Kommune bei der Wahrung der sozialen Rechte von Menschen in der Illegalität. Es folgte ein Referat von Uli Sextro über Ergebnisse und Schlussfolgerungen einer entsprechenden Befragung in NRW. Im Anschluss daran diskutierten die Vertreter der jeweiligen Studien über Resonanz und Auswirkungen. Dr. Franck Düvell von der Universität Oxford und zugleich Mitglied bei PICCUM (Platform for International Coordination on Undocumented Migrants) lenkte den Blick auf den Schutz sozialer Rechte in unterschiedlichen europäischen Ländern. Will Voogt vom Niederländischen Gesundheitsministerium referierte über den Umgang mit Menschen in der Illegalität unter dem Aspekt der medizinischen Grundversorgung. Unter dem Stichwort Arbeitsmarkt referierte Carmen Gonzalez Enriquez von der Universität Madrid über den Umgang mit Menschen ohne Papiere in Spanien. Dr. Franck Düvell ergänzte den Ländervergleich mit der Situation im Bildungsbereich in Großbritannien. Die drei Themenfelder – Gesundheit, Arbeit, Bildung – wurden dann unter Hinzuziehung von ExpertInnen aus Deutschland in moderierten Workshops vertieft. Professor Dr. Michael Bommes von der Universität Osnabrück referierte über Illegalität in einer globalisierten Welt, wobei er die Bezugnahme auf die Menschenrechte in der aktuellen Debatte um illegale Einwanderung einer ideologiekritischen Betrachtung unterzog. Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Podium, auf dem unter Moderation des Interkulturellen Beauftragten der EKHN, Pfarrer Andreas Lipsch, Norbert Cyrus von der Universität Oldenburg, der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau e.V., Pfarrer Dr. Wolfgang Gern und der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Dr. Bertold Huber über Perspektiven, rechtliche Möglichkeiten und Handlungsstrategien diskutierten.

METHODEN: mediengestützte Referate mit Plenumsdiskussionen; intensive Kleingruppenarbeit in moderierten Workshops mit ExpertInnen; Plenumsdiskussion, informelle Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs und begleitende Kunstausstellung

KRITISCHE BEURTEILUNG DER VERANSTALTUNG: Hervorzuheben ist das Engagement zahlreicher ausgewiesener ExpertInnen bei der Vorbereitung der Veranstaltung sowie den fachwissenschaftlichen Beiträgen auf der Tagung, die sich allesamt durch hohe Qualität auszeichneten. Erfreulich war vor allem auch die große Nachfrage der Veranstaltung und die Diskussionsfreudigkeit der Teilnehmenden, was deutlich auf die hohe Brisanz der Thematik und den starken Handlungsbedarf hinweist. Groß war auch das Medienecho: In mehreren Tageszeitungen, im Hessischen Rundfunk und in der Hessenschau wurde über die Veranstaltung berichtet. Als Manko ist jedoch anzufügen, dass es uns trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen ist, wie ursprünglich geplant Politiker aus Kommune, von den Landes- und Bundesebene zur Mitwirkung bei der Veranstaltung zu gewinnen. Als Gründe wurden hier Terminschwierigkeiten genannt.

Dr. Margrit Frölich
Evangelische Akademie Arnoldshain
20. 4. 2006