Ernährungssouveränität

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Die Landwirtschaft und der ländliche Raum sind für die Zukunft Afrikas von entscheidender Bedeutung. Nach wie vor lebt die große Mehrheit der Bevölkerung im ländlichen Raum, der Agrarsektor macht 65 Prozent der Arbeitskraft des Kontinents und fast 40 Prozent der «working youth» aus. Zugleich stellen Handel und Verarbeitung von Nahrungsmitteln einen zentralen, wenn auch vielfach informellen, Erwerbszweig in den wachsenden afrikanischen Metropolen dar. Die enorme Herausforderung, der Überwindung des weit verbreiteten Hungers in Zeiten von Klimaschocks wird ohne Ernährungssouveränität nicht zu lösen sein. Dabei verstehen wir «Souveränität» einerseits als politische Mitbestimmung: Viele Akteur*innen in der Landwirtschaft und innerhalb des Ernährungssystems – Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen, informelle Händler*innen etc. – gehören zu den subalternen, politisch marginalisierten Klassen. Sie müssen ihre Rechte verteidigen und ihre Interessen kollektiv artikulieren können. Andererseits verstehen wir «Souveränität» als Kontrolle über Ressourcen wie Saatgut, Wasser und Land sowie als Zugangsrecht zu Märkten, Wissen und Kapital. Dies erfordert einen Politikwechsel: Statt auf rigorosen «Freihandel», die Verbreitung von Technologiepaketen transnationaler Agrochemiekonzerne und die Integration weniger Agrarbetriebe in die regulierten Lieferketten von Supermarkt- und Nahrungsmittelkonzernen müssen Staaten auf breitenwirksame Strategien setzen. Dazu gehören etwa die Förderung von Partnerschaften zwischen Forschung und Bäuer*innen, die Entwicklung von agrarökologischen Ansätzen, der Aufbau von Infrastruktur zur Stärkung von informellen Binnenmärkten oder die Bereitstellung neuer Technologien als Gemeingüter.

Das Dialogprogramm Ernährungssouveränität ist im Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung  in Johannesburg/Südafrika angesiedelt. Wir arbeiten vertieft in Südafrika und Sambia und unterstützen den Austausch von sozialen Bewegungen in Zusammenarbeit mit anderen Stiftungsbüros, z.B. den Büros Brüssel, Indien und Ostafrika. Unsere Schwerpunktthemen lauten:

  • Saatgutpolitik: In vielen Ländern werden aktuell über Reformen der Schutzgesetzgebungen für Saatgut Konzerninteressen vor bäuerliche Rechte gestellt. Wir vernetzen bäuerliche Organisationen und soziale Bewegungen, die sich diesen Reformen einer Akkumulation durch Enteignung entgegenstellen und formulieren eigene politische Alternativen.
  • Arbeitsrechte in der Landwirtschaft: Ca. 500 Millionen Menschen sind weltweit als Lohnarbeiter*innen in der Landwirtschaft beschäftigt. Gewerkschaftliche Organisierung im ländlichen Raum erfordert eigene Ansätze und Strategien. Wir unterstützen die Vernetzung von Landarbeiter*innen, sowohl untereinander als auch mit anderen sozialen Bewegungen. Wir analysieren Machtdynamiken und Preisdruck entlang von Agrarlieferketten.
  • Dialog zu Agrar- und Ernährungspolitiken: Wir diskutieren mit kritischen Wissenschaftler*innen, sozialen Bewegungen und Vertreter*innen von Gewerkschaften und linken Parteien aktuelle Fragen wie: Was sind linke politische Antworten auf die Monopolisierung von Marktmacht, Finanzialisierung oder Digitalisierung in Ernährungssystemen? Wie sehen in Zeiten, in denen rechtspopulistische Ansätze global auf dem Vormarsch sind, neue, emanzipatorische Politikansätze für ländliche Räume aus?

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Kontakt:

Rolle Persondetails
Programmleiter Ernährungssouveränität Jan Urhahn
E-Mail: jan.urhahn@rosalux.org
Telefon: +27 10 4460538