Das Soziale und die Arbeitskraft
Zu den Reproduktionskreisläufen der Gesellschaft gehört auch der der Reproduktion der Bevölkerung. Dieser Prozeß ist immer auch in den Prozeß der Reproduktion der Lebensgüter eingeschlossen und paßt sich in der Tendenz den Bedingungen im Produktionsbereich an. Oder man kann auch sagen - das Reproduktionsverhalten der Familien folgt den Bedingungen, unter denen sie leben.
Diesen Prozeß konnte man in Europa im 19. und 20. Jahrhundert beobachten - z.B. in der Veränderung der Familienstrukturen und Familiengrößen (Kinderzahl). Aus mindestens zwei Gründen ist hier aber keine endlose Elastizität gegeben - erstens, weil der Mensch eben keine Maschine ist, Arbeitskraft nicht auf Halde zu legen ist, und zweitens, weil der Mensch die Möglichkeit hat, Bedingungen seiner Reproduktion bewußt zu gestalten, zu verändern.
Die gegenwärtige Politik versucht, Arbeitskraft eben auf Halde zu legen bzw. zielgerichtet zu entwerten. Das ist marktwirtschaftlich ideologisch betrachtet auch der einzig „vernünftige“ Weg.
Die zweite Option setzt auf der ideologischen Ebene die Akzeptanz der permanenten Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen in ihren Grundqualitäten, der Offenheit der Geschichte voraus. Das ist marktwirtschaftlichem Denken fremd, ja feindlich.
Die im Rahmen des sozialstaatlichen Kompromisses entwickelten Formen sozialer Absicherung haben aber eben, bei aller Eingeschränktheit und Widersprüchlichkeit, Ansätze für die Realisierung von Veränderungen, für das Verlassen der Position reiner Marktagenten durch die abhängig Beschäftigten eröffnet, indem sie die Marktstellung dieser gestärkt haben. Wenn eben in der Bundesrepublik keinesfalls jede Arbeit von jedem akzeptiert wird, nur weil sie Geld bringt, ist dies Ausdruck dieses Selbstbewußtseins Mensch, nicht nur Marktfaktor zu sein.
Das dies wiederum in Mißachtung bestimmter Arbeit umschlägt, ist im gesellschaftlichen Umfeld normal, ist die andere Seite des Widerspruchs, in den die abhängig Beschäftigten sich bewegen müssen. Die Mißachtung einfacher (oder als einfach betrachteter) Arbeit ist ein Instrument in der Konkurrenz unter den Beschäftigten (wie übrigens auch die gerade in diesem Zusammenhang relevante Diskriminierung von weiblichen Beschäftigten, die sich auch in der Beschäftigten- und Tarifstruktur manifestiert).
Daran läßt sich nur etwas ändern,
- wenn einfache Arbeiten entweder durch technische Systeme übernommen werden oder
- wenn einfache Arbeiten als Teil von komplexeren Arbeitsprozessen aufgewertet werden oder
- wenn einfache Arbeiten im Wechsel mit komplizierteren Arbeiten von den gleichen Individuen geleistet werden.