Der Historiker und Friedensforscher Wolfram Wette befasst sich in seinem Vortrag mit der über 100-jährigen Geschichte der Parole «Nie wieder Krieg!» – bekannt auch durch das Plakat von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1924. «Nie wieder Krieg!» war der Ruf in den Nachkriegszeiten nach dem ersten und nach dem zweiten Weltkrieg. Im Westen war der Appell umstritten, als es in den 50er-Jahren um die Wiederbewaffnung und Westintegration ging. In den 80er-Jahren wurde er zum Slogan der Friedensbewegung. Für die an eine lange Friedensära gewohnte deutsche Gesellschaft war 2022 der russische Angriff auf die Ukraine ein Schock und führte zur Verkündung der «Zeitenwende» und der notwendigen neuen deutschen «Kriegstüchtigkeit».
Ein krasser Ausdruck des neuen Zeitgeistes war im Oktober 2024 die Auszeichnung der für ihre Kriegsrhetorik bekannten US-amerikanischen Journalistin und Historikerin Anne Applebaum mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. «Doch das ist die eigentliche Lehre aus der deutschen Geschichte», so Applebaum: «nicht, dass Deutsche nie wieder Krieg führen dürfen, sondern dass sie eine besondere Verantwortung dafür haben, sich für die Freiheit einzusetzen und dabei auch Risiken einzugehen.»
Bei den offiziellen Gedenkfeierlichkeiten zu den 80. Jahrestagen ist zu beobachten, dass immer weniger an die Rolle der Sowjetunion und die gigantische Zahl von 27 Millionen sowjetischen Todesopfern erinnert wird. Deshalb geht Wolfram Wette in seinem Vortrag besonders auf den deutsch-sowjetischen Krieg 1941-1945 ein und analysiert die militärische Rolle der Roten Armee beim Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland. Hitler hatte bereits in «Mein Kampf» (1923) die Sowjetunion als außenpolitischen Hauptfeind Deutschlands und als lukratives Eroberungsziel des «Volkes ohne Raum» definiert. Systematisch schürte er die Angst vor der angeblichen «jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung», bis er schließlich am 22. Juni 1941 den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion begann. Abschließend stellt Wolfram Wette zur Diskussion, was uns der Zweite Weltkrieges heute, 80 Jahre nach seinem Ende, zu sagen hat.
Wolfram Wette, Prof. Dr. phil, Historiker, Friedensforscher und Autor, Jahrgang 1940, emeritierter Professor der Universität Freiburg. Von 1971 bis 1995 Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg, 1990 Habilitation, von 1998 bis 2005 außerplanmäßiger Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg. Ehrenprofessor der russischen Universität Lipezk und Träger des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland am Bande.
Veröffentlichungen: «Militarismus und Pazifismus. Auseinandersetzung mit den deutschen Kriegen», mit einem Vorwort von Fritz Fischer (1991); «Pazifistische Offiziere in Deutschland» 1871-1933 (1999); «Ehre, wem Ehre gebührt! Täter, Widerständler und Retter 1939-1945» (2015); «Ernstfall Frieden – Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914» (2017); «‹Nie wieder Krieg!› – Hat die alte Parole angesichts des Ukraine-Krieges noch eine Zukunft?» (2023), Aufsatz im Sammelband »Bedrohter Diskurs – Deutsche Stimmen zum Ukraine-Krieg«.
Veranstaltung in Kooperation mit: Reutlinger Initiative für Frieden und Abrüstung, Kulturzentrum franz.K, Volkshochschule Reutlingen, Nepomuk Kulturverein, Gesellschaft Kultur des Friedens, VVN-BdA Kreisverbände Tübingen-Mössingen und Reutlingen
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