Kunst dient in der bürgerlichen Gesellschaft vorwiegend als Objekt geistiger Erbauung oder finanzieller Spekulation. Es hat jedoch in der Kunstszene immer auch Gegenbewegungen gegeben, Kunst als emanzipatorische Praxis zu verstehen. Genau dies war das Programm der «Situationistischen Internationale», einer Gruppe von Künstler*innen, die eine kulturrevolutionäre Veränderung der Gesellschaft anstrebten. Im Museum Böckstiegel in Werther werden zurzeit Werke von Asger Jorn, eines Gründungsmitglieds dieser Gruppe, ausgestellt.
Asger Jorn (1914-1973) gilt als eine der herausragenden Kunstpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts und als wahrscheinlich bekanntester Künstler Dänemarks. Seine jütländische Heimatstadt Silkeborg hat ihm sogar ein eigenes Museum eingerichtet.
Allerdings wäre es falsch oder zumindest verkürzt, sein Schaffen allein unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung einer modernen bildkünstlerischen Formensprache zu betrachten, die historisch irgendwo zwischen Expressionismus und Neuen Wilden anzusiedeln wäre.
Schließlich ist der Name Jorn auch mit Künstler-Kollektiven wie Cobra oder der Situationistischen Internationale verknüpft, die sich in der Tradition der Kunstavantgaden der Zwischenkriegszeit (Dada, Surrealismus usw.) nicht mit der Produktion von Kunstwerken begnügen wollten, sondern eine kulturrevolutionäre Veränderung der Gesellschaft anstrebten, mithin die Funktion, wenn nicht die Daseinsberechtigung der Kunst und des Künstlers generell in Frage stellten.
Nicht zuletzt hat Jorn, der sich zeitlebens als Kommunist verstand, neben einem vielfältigen künstlerischen auch ein umfangreiches schriftstellerisches Werk hinterlassen, in dem er seine Gedanken zur Kunst und über die Kunst hinaus formulierte.
Im Vortrag soll eine kurze, aber entscheidende Periode seines Lebens genauer untersucht werden, die Zeit seiner Mitgliedschaft in der Situationistischen Internationale (1957-1961). Bei den Situationisten handelte es sich um eine Gruppe, die bestimmte radikale Kunstkonzepte bzw. Kunst-transzendierende Konzepte der Nachkriegszeit bündelte, um sich schließlich in den frühen 1960er Jahren gänzlich von der Kunst zu verabschieden, sich der politischen Theorie zuzuwenden und der entstehenden Studentenbewegung im Vorfeld des Mai 1968 wichtige Impulse zu liefern.
Referent:
Michael Halfbrodt, Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft in Bielefeld, Lyon und Bonn. Übersetzer, Autor, Anarchosyndikalist sowie eine Hälfte des Literaturduos «Blackbox».
Veranstaltung von: Rosa-Luxemburg-Club Bielefeld und Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW
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