4. Juni 2019 Diskussion/Vortrag Marx, MEGA, Lukács' und nun?

Vortrag von Kohei Saito mit anschließender Diskussion

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Salon
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Zeit

04.06.2019, 19:00 - 21:00 Uhr

Themenbereiche

Gesellschaftstheorie, Kapitalismusanalyse, Sozialökologischer Umbau

Zugeordnete Dateien

Marx, MEGA, Lukács' und nun?
Kohei Saito und Frieder Otto Wolf bei der Eröffnung der Marx200 Konferenz 2018 in Berlin

Kohei Saito kommt nun zum zweiten Mal zur Rosa-Luxemburg-Stiftung. Beim ersten Male hatte er Anfang Mai 2018 an unserer Konferenz marx200 aktiv mitgewirkt: an der Buchpräsentation von «The Unfinished System of Karl Marx. Critically reading Capital as a challenge for our time» und am Workshop «Profitrate, Finanzkrise, Agrikulturchemie und Agrarverfassung – Marx nach dem Kapital. Neue Aspekte des Marx’schen Spätwerks». Die Erklärung für unsere wiederholte Einladung ist einfach: der humorvolle junge Wissenschaftler von der Osaka City Universität und der zugleich prominente Ökosozialist ist ein Autor unseres Buches und gehört zum MEGA-Kollektiv, also den Herausgeberinnen und Herausgebern der Marx-Engels-Gesamtausgabe sowie ihrer Begleithefte.

In Kürze erscheint insbesondere dank Kohei Saito der MEGA-Band IV/18, der vor allem Arbeitsmaterialien von Marx zur Landwirtschaft und Ökologie aus den Jahren 1864 bis August 1868 enthält. Kohei’s Buch «Natur gegen Kapital. Marx' Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus», dem seine Dissertation zugrunde liegt, hat ihn nicht nur unter linken Ökologinnen und Ökologen bekannt gemacht, sondern auch verflachte Marx-Rezeptionen durcheinandergebracht. Schließlich sagt man gerne Marx ökologische Blindheit nach, um zu behaupten, dass sein Erbe ungeeignet sei, um sich mit den Problemen und Herausausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen. «Natur gegen Kapital» findet eine Fortsetzung in «Karl Marx’s Ecosocialism: Capital, Nature, and the Unfinished Critique of Political Economy», für das Kohei 2018 den Deutscher Memorial Prize erhalten hat. Als ökosozialistischer Aktivist hat Kohei auch schon für die «Tarantel», das Medium der Ökologischen Plattform bei der Partei DIE LINKE., geschrieben.

Seine engagierte Marx-Forschung begründet Kohei überzeugend: «Marx‘ Methode zu folgen, ist der heute erforderliche Schritt, um über «Das Kapital» hinaus zu gehen: eben die neuen historisch-empirischen Befunde auch in das Marxsche System zu integrieren.  Marx‘ Methode zu folgen, ist daher auch der erste Schritt, um über das Kapital hinauszugehen.»  Und seine Botschaft an die jungen Intellektuellen lautet: «Marx, nicht Marxismus!». Wenn wir nunmehr also Kohei Saito wieder zu uns in die Stiftung einladen, geht es uns um die Fortsetzung einer für die Rosa-Luxemburg-Stiftung sehr wichtigen Kooperation und in diesem Kontext um den Austausch zu drei konkreten Fragen:

  1. Was ist das Neue an Marx' Ökologie und am MEGA-Band IV/18?
  2. Inwiefern knüpft Lukács' Stoffwechseltheorie hier bzw. bei Marx an?
  3. Inwiefern setzt Lukács Marx kritisch fort bzw. was können wir aus alledem lernen?

Die erste Frage zielt darauf, sich die Marxsche Methode, das Marxsche Denken weiter kritisch anzueignen und sich mit vorgeblicher «Marx-Kritik» offensiv auseinanderzusetzen, die zweite und dritte Frage zielen auf das «mit-Marx-kritisch-arbeiten-lernen». Das heißt vor allem an-politischen-Strategien-arbeiten und praktische-Politik-betreiben. Kohei’s Interesse an Georg Lukács ist nicht von ungefähr: wie Rosa Luxemburg bemühte sich Lukács wie Marx gleichzeitig zu forschen, Menschen über die gesellschaftliche Wirklichkeit aufzuklären und zur aktiven politischen Auseinandersetzung mit dieser zu ermutigen, mit ihnen – insbesondere mit den Arbeiterinnen und Arbeitern – gemeinsam lernend politische Bildung und praktische Politik zu betreiben; gesellschaftliche Verhältnisse und sie erklärende Theorien theoretisch und praktisch zu kritisieren, sich dabei selbstkritisch zu verändern, um die Gesellschaft zu verändern. Wie Luxemburg interessierte sich der Philosoph und stellvertretende Volkskommissar für Unterrichtswesen in der Ungarischen Räterepublik 1919 für Marx‘ Analyse von Stoffwechselprozessen zwischen der Gesellschaft und der Natur. Lukacs‘ Arbeit  «Die Verdinglichung und das Bewusstsein des Proletariats» knüpft an den «Fetischcharakter der Warenbewegungen» im ersten «Kapital»-Band an und diskutiert seine Weiterentwicklung mit fortschreitender kapitalistischer Produktionsweise. Deren Rationalisierungsprozesse wirken auf das Bewusstsein der Menschen und ihren Umgang mit den natürlichen Lebensbedingungen, die fortschreitend zerstört werden. Ein gezielter Einsatz von Forschung und Wissenschaft durch die Herrschenden soll die Menschen als biologische Wesen so manipulieren, dass sie nie fähig werden, ihre Verhältnisse untereinander emanzipativ und solidarisch umzugestalten, ihre natürlichen Lebensbedingungen solidarisch zu erhalten und zu verbessern.

Es ist also viel gemeinsame Arbeit vonnöten – empirische, theoretische, konzeptionelle, organisatorische und vor allem oder letztendlich praktische. Die in Berlin lebenden Autorinnen und Autoren unseres eingangs genannten Buches und somit Frieder Otto Wolf und Michael Brie werden bei der Veranstaltung mit Kohei (hoffentlich beide) dabei sein. Eingeladen und erwartet sind auch Autorinnen und Autoren des gerade erschienenen Buches «Radikale Philosophie und Kritik der Politik». Und erst recht hoffen wir auf die aktive Teilnahme der Mitherausgeber des MEGA-Bandes IV/18 sowie von Mitstreiterinnen und Mitstreitern der MEGA.

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Kontakt

Dr. Judith Dellheim

Judith Dellheim ist promovierte Politökonomin, war als Referentin am Institut für…