8. Oktober 2018 Tagung/Konferenz Kritik digitaler Arbeit

Ganzheitliche Produktionssysteme und Informationskapitalismus

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Seminarraum 1
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Zeit

08.10.2018, 16:00 - 09.10.2018, 20:30 Uhr

Themenbereiche

Arbeit / Gewerkschaften, Digitaler Wandel

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Kritik digitaler Arbeit
Bild: Jenson / shutterstock.com

«Digitaler Kapitalismus» oder «Informationskapitalismus» sind zu gängigen Schlagwörtern in der akademischen wie der öffentlichen Debatte geworden. Politökonomisch bleibt diese Zeitdiagnose allerdings unterbestimmt, und oft erschöpft sie sich in pauschalen utopischen oder dystopischen Erwartungen. Bedeutet Informationskapitalismus mehr als die kaum zu bestreitende, aber etwas banale Feststellung, dass Datenerzeugung und Datenverarbeitung heute in Produktion und Marktgeschehen eine zentrale Rolle spielen?

Wir wollen konkreter werden und mit unserer Tagung einen genaueren Blick auf die digitale Arbeit werfen. Inwiefern sind die Prozesse der «Informatisierung» der Lohnarbeit spezifisch kapitalistisch, inwiefern intensivieren sie die Ausbeutung und Kontrolle der Arbeiterschaft? Oder umgekehrt, wie prägt die «Digitalität» die Lenkung und Verwertung der Arbeit – welche neuen Arbeitsteilungen, Geschäftsmodelle und Unternehmensformen entstehen wirklich auf der Grundlage von «allgegenwärtiger Datenverarbeitung»?

Die Tagung «Kritik digitaler Arbeit – Produktionssysteme und Informationskapitalismus» soll mit unterschiedlichen Herangehensweisen eine produktive Diskussion über die Gestalt des «Informationskapitalismus» ermöglichen. Dabei gehen wir davon aus, dass die Informatisierung der Arbeit ein langer historischer Prozess ist, der bisher vor allem ihre Kontrolle durch das Kapital sichert und vertieft. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Systeme betrieblicher Überwachung und Optimierung, die in der Diskussion um «Industrie 4.0» eher randständig geworden sind. Der digitale Kapitalismus in seiner heutigen Form geht nicht zuletzt zurück auf die «Ganzheitlichen Produktionssysteme» (GPS) und Lean-Management-Strategien, die seit den 1980er Jahren u.a. als «Schlanke Produktion» verhandelt werden. Ihre Prinzipien sind neben der Vermeidung von Verschwendung, die möglichst lückenlose Erfassung der betrieblichen Prozesse, ihre Abbildung und Bewertung in Echtzeit. Möglich wird dies durch eine gesteigerte Standardisierung der Arbeit und der Prozesse, die umgekehrt durch kontinuierliche Verbesserung der Produktionssysteme vorangetrieben wird. Der ganzheitliche Anspruch der Herrschaft über den Produktionsprozess, die Wertschöpfungsketten, die Subjekte, deren Arbeit und Interaktion, wie es in den Ganzheitlichen Produktionssystemen angelegt ist bildet die organisationale Grundlage für den digitalen Kapitalismus.

Die Digitalisierung der Arbeit ist ambivalent. Sie setzt die Beschäftigten einer erhöhten Kontrolle und gesteigertem Leistungsdruck aus, erhöht in der Regel ihre Austauschbarkeit und erschließt dem Kapital weltweit prekäre, flexibel einsetzbare Arbeitskraft. Die computer- und sensorgestützte betriebliche Steuerung und Überwachung überträgt aber auch (wenigstens einem Teil der) Beschäftigten neue Kompetenzen. Der Status von Wissen und Informationen im digital restrukturierten Unternehmen bleibt umkämpft. Wir wollen daher nicht nur über optimierte Ausbeutung und Arbeitsverdichtung diskutieren, sondern auch darüber, wie Widerstand und Renitenz sich in digitalen Arbeitsformen artikuliert und wo die neuen Konfliktlinien liegen. Darauf aufbauend können neue Ansätze zur (steuer-, arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen) Regulierung und Mitbestimmung von digitaler Arbeit und deren Geschäftsmodellen ansetzten.

 

Programm

Montag, 8. 10.

16.00 Uhr
Begrüßung / Einführung
Adrian Mengay (Universität Jena)

16.15 Uhr
Digitale Arbeit: Widerstand, Empowerment, Mitbestimmung

Georgia Palmer (Freie Arbeiterinnen-Union / Deliverunion Berlin): «Der neue alte Arbeitskampf: International und selbstgemacht»

Heiner Heiland (TU Darmstadt): «Herrschaft im Plattformkapitalismus: Technological und Organisational Fix»

Ingo Matuschek (Hochschule der Bundesagentur für Arbeit): «Industrie 4.0: Dispositionen Beschäftigter und Probleme von Betriebsvereinbarungen»
 

19.00 Uhr
Technikkritik versus Technikaneignung? – Vorträge und Diskussion

Simon Schaupp (Universität Basel / Zentrum Emanzipatorische Technikforschung): «Technikpolitik von unten: Widerstand und Utopie im kybernetischen Zeitalter»

Lars Wehring (Kollektiv Çapulcu): «Transformierte Herrschaft in Zeiten digitalisierter Fremdbestimmung»
  

Dienstag 9. 10.

10.00 - 13.00 Uhr
Workshop: Die betriebliche Regulierung der digitalen Arbeit
Wie Betriebsräte Digitalisierung durch Mitbestimmung i.S. des §§ 87 (1) Nr.6 und 111 BetrVG gestalten können Adrian Mengay und N.N.
Für diesen Workshop bitte anmelden unter der Emailadresse forschungsgruppe.gps@uni-jena.de !

14.00 Uhr
Umrisse des digitalen Kapitalismus: Geographien und Geschäftsmodelle

Florian Butollo (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung): «Globalisierung am Ende? Verschiebungen in Geographie und Machtverhältnissen in digitalisierten
Produktionsnetzwerken»

Tilman Reitz (Universität Jena): «Der Wert von Wissen und Information: Wie der digitale Kapitalismus ökonomisch (nicht) funktioniert»
 

16.15 Uhr
Ganzheitliche Produktionssysteme und algorithmische Optimierung

Maike Pricelius (Universität Jena): «Von Ganzheitlichen Produktionssystemen zur Industrie 4.0: Eine Genealogie der aktuellen Digitalisierungdebatte»

Susanne Draheim / Kai von Luck (HAW Hamburg): «‹Muss das sein› Ein Solutionist und eine Bedenkenträgerin streiten sich über den Zustand der Arbeitswelt im Zeitalter von
Deep Learning»

19 Uhr
Artificial Intelligence and Capitalism

Phoebe Moore (University of Leicester): «Artificial Intelligence and Humans as Resource»

Frank Engster (Helle Panke Berlin): «The Production of Intelligence by Capitalist Mediation»

Jamie Woodcock (Oxford Internet Institute / University of Oxford): «Platform work and artificial intelligence»



Eine Konferenz der Nachwuchsforschungsgruppe «Perspektiven der Mitbestimmung in Ganzheitlichen Produktionssystemen» unter Leitung von Prof. Dr. Tilman Reitz. Gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung. Unterstützt durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Um Anmeldung wird gebeten.

Standort

Kontakt

Patrick Stary

Social Media/ Adressdatenbank/ Digitaler Wandel, Rosa-Luxemburg-Stiftung

Telefon: +49 30 44310 455