7. November 2019 Diskussion/Vortrag Kritik der Naturwissenschaft

Objektivität als Ideologie

Information

Veranstaltungsort

Universität Trier
Raum wird noch bekannt gegeben
Universitätsring 15
54286 Trier

Zeit

07.11.2019, 20:00 - 22:00 Uhr

Themenbereiche

Gesellschaftstheorie

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Vortrag und Diskussion mit Christine Zunke

 

Naturwissenschaft ist der Inbegriff der objektiven Wissenschaft. Nach dem Ideal des logischen Empirismus soll möglichst alles subjektive ‚draußen‘ bleiben. Die Wert- und Weltvorstellungen der Forscher_innen sollen weder bewusst noch unbewusst zum Teil der Forschung werden. Es geht um reproduzierbare Messergebnisse. Mit anderen Worten: Naturwissenschaft ist genuin positivistisch.
Der alte Positivismusstreit aus den späten 60er Jahren wird oft so verstanden, dass Gesellschaftswissenschaftler_innen nicht die Methoden der Naturwissenschaften anwenden und als Maßstab der Objektivität an ihre Wissenschaft anlegen sollen, weil Gesellschaft grade kein Naturgegenstand ist. Darum soll und muss Gesellschaftswissenschaft kritisch sein, also im Gegensatz zur Naturwissenschaft das Subjekt in die Reflexion mit einbeziehen.

Das ist zunächst richtig. Gesellschaftliche Zustände sind von Menschen gemacht und können verändert werden; eine Kritik am Fallgesetz ist dagegen sinnlos, weil es kein Subjekt gibt, an das eine Kritik sich richten könnte.

Doch diese Trennung sitzt schon der ideologischen Annahme auf, Naturwissenschaften stünden außerhalb der Gesellschaft, weil ihr Gegenstand ‚die Natur‘ sei. Was Natur ist, wo Natur beginnt oder aufhört, wird nicht hinterfragt – und auch Messergebnisse entstehen nicht ‚von Natur aus‘, sondern setzen ein Erkenntnissubjekt voraus, das ein bestimmtes Erkenntnisinteresse hat, etwas Bestimmtes zu messen. Der Gegenstand der Naturwissenschaften ist Naturbeherrschung – also unter kapitalistischen Bedingungen das Ausloten der Verwertungsmöglichkeiten des gegebenen Naturstoffs. Damit schließt eine Gesellschaftskritik eine Kritik der Naturwissenschaften mit ein – und eine kritische Naturwissenschaft muss ihre gesellschaftliche Funktion reflektieren und wird damit zugleich eine kritische Theorie der Gesellschaft sein.

 

Dr. Christine Zunke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Dort lehrt sie praktische und theoretische Philosophie und ist Mitbegründerin der Forschungsstelle kritische Naturphilosophie (FkN).

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